Deutschland 2005 · 101 min. · FSK: ab 6 Regie: Lars Kraume Drehbuch: Lars Kraume Kamera: Sonja Rom Darsteller: Florian Lukas, Jürgen Vogel, Heike Makatsch, Monika Hansen, Thees Uhlmann u.a. |
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Vogel, Lukas, Makatsch |
»Schlagerfilm« nannte man im 20. Jahrhundert jene Gattung des auf deutsche Verhältnisse zurechtgestutzten Starvehikels, in dem die Story und der Rest des Film nicht mehr als wohlfeiler Vorwand für den Auftritt von mehr oder weniger nationalen Sangesgrößen bildeten. Gerade in Deutschland pflegt ein Filmschauspieler sich spätestens im vierten Karrierejahr zu langweilen, beginnt Regie zu führen, oder er/sie singt. »Da bin ich meinen Fans näher« oder »irgendwie authentischer« lauten die üblichen Begründungen, und man könnte jetzt lange darüber philosophieren, was eigentlich bei uns los ist, dass so viele Schauspieler nicht gern schauspielern, sondern »sie selbst« sein wollen.
Lars Kraume allerdings ist nicht nur ein begabter und für sein Alter routinierter, sondern auch ein ziemlich pfiffiger Regisseur. So macht er aus dem eigentlich schauspielfeindlichen Wunsch eines Darstellers, sich zum Ausdruck zu bringen das Beste, indem die Identitätskrise in seinem neuen Film selbst zum Thema wird. Denn in Keine Lieder über Liebe heißt Jürgen Vogel zwar Markus, Florian Lukas Tobias und Heike Makatsch Ellen, aber sie bleiben doch immer Jürgen Vogel, Florian Lukas und Heike Makatsch. Diese Verwechselbarkeit ist gerade das Konzept des Films und des derzeit überaus modischen Genres der »Fake Doku«, einer vorgetäuschten Dokumentation. Medientheoretisch stellt sie die Grenze von Realität und Spiel, Kunst und Natur infrage. Für den Zuschauer liegt der Reiz in der ständigen Verwirrung darüber, ob »das nun gespielt« ist, oder nicht.
Es ist natürlich – aber zugleich ohne Drehbuch, mit nur lockerem Konzeptrahmen, spontan und aus der Situation heraus von diesen improvisiert, und in diesem Sinne wiederum ziemlich »echt«. Jürgen Vogel machte »wirklich« mit einer Rock-Band namens »Hansen« ein Tournee durch Hannover, Hamburg und ein paar norddeutsche Kleinstädte. Dort sang er als Leadsänger, mehr schlecht als recht, aber nicht unsympathisch, zumal Vogel sowieso nicht unsympathisch ist. Der Rest der Band sind Mitglieder der Indie-Bands »Tomte« und »Kettcar«, was wiederum recht modisch ist, und gemeinsam mit der filmischen Ambition eine popkulturelle Aura sichert. Aber es gibt keinen Grund für zuviel Spott, denn Keine Lieder über Liebe ist ein mutiges Experiment, zugleich aber ein relaxter Film, der sich seiner Grenzen bewusst ist, und sie gerade dadurch in seinen besten Augenblicken locker überschreitet.
Neben Roadmovie und »Bandfilm« mischt Kraume als drittes Genre Elemente des Beziehungsfilms hinein. Es geht um zwei Brüder, der eine hat mit der Freundin des anderen geschlafen. Nun sind alle auf Tour und die Dreiecksgeschichte hat gehörig Gelegenheit in Streitereien, Tränen und Versöhnungen immer weiter zu eskalieren.
Durch seine Spontaneität und Schnelligkeit entwickelt Keine Lieder über Liebe von Anfang an viel Dynamik, und Kraume gelingt es, die Spannung trotz manch verquasselter Momente bis zum Ende zu halten. Was da geredet wird, ist manchmal zu viel, aber gar nicht doof, und auch darin liegt nicht nur für Fans der Darsteller ein besonderer Reiz, da sich in den spontanen Dialogen spürbar die Ebenen vermischen, das Unbewusste Bahn bricht: Wie oft hat Jürgen Vogel sich denn in eine Beziehung eingemischt? Wie unsicher ist Heike Makatsch wirklich? Und wie sehr ähnelt Kraume selbst dem Tobias, der das Filmemachen – »Ich bin Regisseur, also äh ich will einer sein.« – vor allem als Wille und Vorstellung praktiziert? Das sind Fragen, zu denen man als Zuschauer durch Kraumes originelles Konzept automatisch gezwungen wird. Immer bleibt sein Film neugierig, bietet Raum für Fragen, keine vorschnellen Antworten.