King of New York

USA 1990 · 103 min.
Regie: Abel Ferrara
Drehbuch:
Kamera: Bojan Bazelli
Darsteller: Christopher Walken, David Caruso, Laurence Fishburne, Viktor Argo u.a.
Filmszene »King of New York«
2016 zeigte die Viennale in Wien eine 35mm-Kopie aus den Beständen des Harvard Film Archive
(Foto: Viennale)

Ambivalenter König der Unterwelt

Abel Ferraras Neo-Noir King of New York von 1990 beginnt mit der Entlas­sung des Gangs­ter­bosses Frank White (Chris­to­pher Walken) aus dem Gefängnis. Kühle Blautöne bestimmen die Bilder von Whites Gang entlang der Gefäng­nis­kor­ri­dore. Dann sieht man, wie White in einen schwarzen Mantel gekleidet in eine vor dem Gefängnis bereit­ste­hende Limousine einsteigt und davon­fährt. Als Nächstes sehen wir den kolum­bia­ni­schen Gangster Emilio El Zapa (Freddy Howard), wie dieser mit einer halb­nackten Frau im Arm die Treppe in seiner Wohnung hinab­steigt. Im Wohn­zimmer befinden sich weitere leicht beklei­dete Damen. Die gesamte Szene ist in warme Oran­ge­töne getaucht. El Zapa geht vor die Tür, um in einer Tele­fon­zelle einen Anruf zu machen. Dort wird er von drei Männern zusam­men­ge­schossen. Einer wirft eine Zeitung auf den Toten. Diese zeigt einen Artikel, der besagt, dass Frank White entlassen wurde.

King of New York ist ein brutaler Gangs­ter­film mit einem charis­ma­ti­schen Chris­to­pher Walken in der Haupt­rolle. Sein Frank White ist der weiße Boss einer fast ausschließ­lich schwarzen Gang. Wir wissen nichts über die Geschichte von White. Wir sehen nur, wie er einen Freu­den­tanz bei der Begrüßung seiner Gang­mit­glieder aufführt und wie er einen ihn igno­rie­renden italie­ni­schen Mafioso kalt­blütig abknallt. Frank White hat zwei Gespie­linnen – eine Blondine und eine Schwarze. Er freut sich über seine neuen Hand­schuhe, die er von dem von seiner Gang ermor­deten Kolum­bianer King Tito (Ernest Abuse) hat. Frank White lässt nach­ein­ander alle seine Konkur­renten ausschalten. Er will jedoch nicht nur der König der New Yorker Unterwelt werden. Statt­dessen hat White Ambi­tionen, es bis zum Bürger­meister der Stadt zu bringen.

Dabei hat White trotz seiner Uner­bitt­lich­keit auch eine soziale Ader. Er unter­stützt den Bau eines neuen Kran­ken­hauses in einem New Yorker Problem­be­zirk. Somit ist Frank White eine zutiefst ambi­va­lente Figur. An einer Stelle sagt er zu dem ihn verfol­genden Poli­zisten Roy Bishop (Victor Argo), dass er niemanden umge­bracht hat, der es nicht verdient hat. Fast möchte man ihm das glauben. Die ihn jagenden Poli­zisten werden ebenso ambi­va­lent gezeichnet. Lediglich Bishop ist fast bis zuletzt entschlossen, White ausschließ­lich mit den Mitteln des Gesetzes dingfest zu machen. Die ihm unter­ge­benen Poli­zisten wie Dennis Gilley (David Caruso) und Thomas Flanigan (Wesley Snipes) sind jedoch auch dazu bereit, zu unlau­teren Mitteln zu greifen, um White zur Strecke zu bringen. Als sie einen Überfall auf Whites Gang durch eine vermeint­lich riva­li­sie­rende Drogen­bande insze­nieren, verschwimmen endgültig die Unter­schiede zwischen Cops und Gangstern.

Frank Whites Gang ist eine verwegene Bande, die ebenso kalt­blütig zu morden wie ausge­lassen zu feiern weiß. Allen voran geht Whites erster Mann Jimmy Jump (Laurence Fishburne). Cool schlen­dert dieser mit breitem Grinsen, das seine Goldzähne entblößt, gold­ket­ten­be­hangen durch die Gegend. Er ist aber auch Whites bester Killer. Zu Rapmusik kommt er richtig in Schwung, als es die gesamte Gang mächtig krachen lässt. Da tanzen halb­nackte Frauen wild herum. Das zu schnup­fende Kokain türmt sich zu großen Haufen. Diese Gangster nehmen sich alles, wonach es sie verlangt. Die Szenen im Gangs­ter­klub sind – wie auch der Rest des Films – perfekt ausge­leuchtet. Kühle Blautöne bestimmen das wüste Treiben. Man merkt King of New York an, dass Ferrara bei diesem Film ein deutlich größeres Budget als bei seinen vorhe­rigen Filmen zur Verfügung stand. Optisch ist der Neo-Noir geradezu opulent.

Die Gewalt in King of New York ist hart und dreckig. Eben wundert sich King Tito noch, weshalb sich in dem Koffer, den er für ein Kilogramm Kokain bekommen hat, Tampons statt Geld befinden. Da eröffnet ihm Jimmy Jump auch schon, dass diese dafür da sind, um die Einschuss­löcher zu stopfen, und schießt ihn über den Haufen. Es lohnt sich, diesen Kultfilm wieder­zu­ent­de­cken. Inzwi­schen ist eine unge­schnit­tene Fassung in guter Bild- und Tonqua­lität ab 18 Jahren bei Ascot Elite auf DVD und Blu-ray erschienen. King of New York ist neben Martin Scorseses Good Fellas – Drei Jahr­zehnte In der Mafia (1990) einer der besten Gangs­ter­filme der frühen 1990er-Jahre.