Südkorea 2011 · 93 min. · FSK: ab 16 Regie: Yeun Sang-ho Drehbuch: Yeun Sang-ho Musik: Eom Been Schnitt: Lee Yeun-jeong, Yeun Sang-ho |
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Überzeichnung des Sujets mit Mitteln der Animation |
Zwei Langfilme hat der südkoreanische Regisseur Sang-ho Yeon bis jetzt gedreht, beide im Modus der Animation, beide voller Gewalt. Dabei baden sie nur teilweise im gewalttätigen Bildeffekt, das auch, aber vor allem wurzeln sie in einer Erzähltradition der hysterischen Übertreibung und zugleich in einer erzählten Welt, die geprägt ist von einem fatalistischen Zyklus von Ausbeutung, Unterdrückung und brutalem Aufbegehren.
Der rührige Verleih Drop-Out Cinema bringt nun Sang-ho Yeons Erstling King of the Pigs, der schon 2011 entstand, in einige wenige Kinos in Deutschland. Der Mikrokosmos, in dem gequält und gehänselt wird, ist hier eine Knabenschule, ein Spiegel der Außenwelt, wo sich die Hierarchien von materieller Armut und Reichtum einfach nur sehr direkt und unverstellt in Handgreiflichkeiten umsetzen: Wer keine Kohle hat oder wessen Eltern sie im Zwielicht verdienen, der kriegt hier aufs Maul oder ohne sein Einverständnis den Schwanz gerieben. Der Film ist zweifelsohne auch eine Allegorie auf die koreanische Gesellschaft.
Bewusst und reflektiert ist dies also womöglich das Erste, das auffällt: ein, wenn man so will, sozialrealistischer Animationsfilm, der seine Anspielungen nicht im Fantastischen, Verzerrten platziert, sondern in einer einigermaßen der Wirklichkeit abgeguckten, wenn auch ins Fiktionale verlängerten Alltagswelt. Im Nachfolger The Fake von 2013 fallen Missionare in ein Dorf ein, sie liefern die ideologische Wegbereitung zu einem gewaltigen Energieprojekt, das die Bewohner um ihre Häuser bringen wird, und gegen eine Spende, die die bescheidenen Ersparnisse auffrisst, ist natürlich ein Platz im Himmel reserviert. Der Einzige, der diesen titelgebenden Schwindel durchschaut, ist in einer geradezu genialen Volte ein versoffener, rüpelhafter Ex-Sträfling. Sang-ho Yeon tut bis zum blutigen Ende nichts, um diese Figur, mit der man zu hoffen gezwungen ist, sympathisch zu machen: Er zwingt das Publikum in die Allianz mit einem verkommenen Menschen.
Die Irritation, die dieses erzählerische Manöver auslöst, ist beachtlich – und doch verweist es auf eine durchaus konstruierte Versuchsanordnung, die Alltag und Gesellschaft schon sehr in Typen und Repräsentanten komprimiert hat. Bei King of the Pigs, wie bereits geschrieben eine Allegorie, verhält es sich nicht anders: Zu den drangsalierten Außenseitern, die 15 Jahre später ihre Erinnerungen bei einem Treffen wiederaufarbeiten, gesellte sich damals ein Dritter, Chul, der für ihre Situation eine Fabel entwarf, die an Orwells „Animal Farm“ gemahnt. Die da oben sind die Schoßhündchen, wir die Schweine, und zu Monstern müssen wir werden. Braucht man noch zu erwähnen, dass keiner von Sang-ho Yeons bisherigen Filme ein gutes Ende findet?
Aber die Ernsthaftigkeit, die so offensichtlich scheint, ist von Beginn an konterkariert – nicht nur durch die Gezeichnetheit der Handlung an sich, sondern auch durch deren reduzierte, zweidimensionale Umsetzung. Weit entfernt von jedem fotorealistischen Anspruch sind Gesichter Cartoon-artig stilisiert, entgleisen zu Masken des Schmerzes oder Hasses, Hintergründe bleiben oft statisch, die Bewegungen zackig statt fließend. Man darf bezweifeln, ob dies nur eine
Budgetfrage war für Sang-ho Yeon, der nie Film, wohl aber Malerei studiert hat: Die Übertreibungen und Zuspitzungen, die er sich erlaubt, verschmelzen in seinem filmischen Kosmos mit ihrer Entstehungsweise, die immer schon darauf verweist, eben nicht Realität abzubilden.
Da gibt es zum Beispiel eine Katze, deren Tötung eine Art Initiation war, die den Schweinchen von ihrem König abverlangt wurde. Sie wird wiederkehren in Träumen und Halluzinationen, blutüberströmt, sie wird
sprechen dabei, und es scheint beim Ansehen ganz logisch. Irrlichternde Seele und rationale Umwelt fallen im gemalten Bild viel leichter in eins.
Die Faszination der Filme von Sang-ho Yeon liegt also in genau dieser Dialektik: Sie überzeichnen das Sujet mit den Mitteln der Animation, und gleichzeitig verwurzeln sie die Animation stärker als gewohnt in der Erfahrung. Es steht zu hoffen und zu befürchten, dass diese Erfahrung auch in seinen kommenden Filmen immer wieder eine der Gewalt sein wird.