The King's Speech

Großbritannien/AUS/USA 2010 · 119 min. · FSK: ab 0
Regie: Tom Hooper
Drehbuch:
Kamera: Danny Cohen
Darsteller: Colin Firth, Geoffrey Rush, Helena Bonham Carter, Guy Pearce, Timothy Spall u.a.
Groschenromanfantasie

L-L-Lang lebe der K-K-K-König

Mein Gott, jetzt hat er’s: Die Therapie der Monarchie – In The King’s Speech feiert sich Hollywood

Eine Thron-Schmon­zette und Groschen­ro­man­fan­tasie: Der traurige Prinz wir mit Hilfe eines Mannes von der Straße zum großen König. Eine Art umge­drehter Pygmalion. Colin Firth und Geoffrey Rush sind gut, der Rest unbe­ein­dru­ckend, aber kurz­weilig.

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Weil Hollywood heute Teil einer längst reak­ti­onären ideo­lo­gi­schen Industrie ist, sind die Aschen­puttel von heute nicht mehr die kleinen Ange­stellten und Dienst­boten, sondern die armen Reichen und armen Prinzen der Königs­fa­mi­lien. Also: Es war einmal ein armer häss­li­cher Prinz, der hatte viele Fehler. Sein Bruder war viel schöner und erfolg­rei­cher als er, doch eines Tages lernte er seine Fehler abzulegen und wurde viel glück­li­cher als sein Bruder, und dann sogar König. Natürlich ist dieser Film auch ein »Histo­ri­en­film­kas­per­le­theater«, wie Ekkehard Knörer in der taz behauptet – aber das wusste er doch bestimmt schon vorher. Es ist sogar noch mehr: Plumpe Monar­chie­pro­pa­ganda, ideo­lo­gisch belastet. Was will man auch anderes erwarten, wenn Hollywood sich der Monarchie annimmt. Natürlich ist dies ein Formel­film, in dem man Menschen beim Streiten zugucken muss, obwohl von Anfang an klar ist, dass sie beste Freunde werden müssen.

Natürlich ist dieser Film auch küchen­psy­cho­lo­gi­scher Quatsch, wenn er Bertie, also Prinz Albert von York stottern lässt, weil er im Schatten seines Bruders steht, als Kind Metall­schienen am Bein tragen musste und von seinem sadis­ti­schen Kinder­mäd­chen gequält wurde. Was The King’s Speech aber von The Queen unter­scheidet, ist, dass er das Königtum als Konstruk­tion entlarvt.

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Radio killed the Monarchy-Star.
»Früher, da mussten wir uns nur auf Pfer­de­rü­cken gerade halten, und eini­ger­maßen eine gute Figur machen. Jetzt sind wir dazu verpflichtet, uns in die Wohnräume der Menschen zu begeben, uns bei ihnen einzu­schmei­cheln. Wir sind zu der würde­lo­sesten Lebens­form degra­diert worden, die es gibt, der des Schau­spie­lers. Denn heute gibt es das Radio.« Mit den neuen Medien hatten die Menschen schon immer ihre liebe Not. Auch wenn sie Könige sind. Und in den 20er Jahren hießen die neuen Medien noch nicht Internet, Facebook und YouTube, sondern Radio. Da hörte auch das gemeine Volk plötzlich, wie einer redete und der Klang der Stimme konnte Beru­hi­gung ausstrahlen oder Angst machen, und war für Menschen in der Öffent­lich­keit so wichtig, wie heute ihr Aussehen. Der Satz vom Anfang stammt von Georg V. von England, dem Monarchen der den Wechsel zur Radioära erlebte. Er fällt in The King’s Speech, einem Film, dessen Qualität man erst dann richtig versteht, wenn man ihn sieht. Denn dies ist, um es gleich einmal vorweg zu sagen, der bisher beste Film im neuen Kinojahr. Man muss das so betonen, denn wenn man hört, worum es geht, klingt das nur deshalb attraktiv, weil immerhin Colin Firth die Haupt­rolle spielt: Er ist »Bertie«, der Sohn des Monarchen, und stottert. Das ist schlecht fürs Radio, aber nicht so schlimm, weil ja sein älterer Bruder König werden wird, und Bertie daher sowieso nicht viel zu sagen hat.

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Alles wird anders, als im Januar 1936 George V. stirbt, und der Kronprinz als Edward VIII. sein Nach­folger wird. Hitler bedroht bereits den Kontinent, das Empire wankt und braucht eine starke Iden­ti­fi­ka­ti­ons­figur. Die will der neue König aber nicht sein, denn der bisherige Party-Prinz inter­es­siert sich vor allem fürs schöne Leben und kühle Drinks, und auch für Lady Simpson, die als Geschie­dene nicht Königin werden kann. Eine Heirat bedeutete die Abdankung, und die wäre ein Horror für den Hof, denn Bertie ist zwar ein netter, herzens­guter Mensch, aber für den Thron nie ausge­bildet worden. Und viel schlimmer: Er stottert unglaub­lich.

The King’s Speech ist nun die Geschichte dieses turbu­lenten Jahres und der folgenden, und des schnellen Reife­prozeß' jenes Bertie, der als Georg VI. König wurde und England durch den Krieg führte, bevor kurz darauf seine Tochter Elisabeth Königin wurde. Die zwei anderen wichtigen Figuren neben diesem König sind sein Sprach­lehrer Lionel Logue und seine Frau Elizabeth, die wir alle als »Queen Mum« kennen. Helena Bonham Carter spielt sie, die für ihren geliebten Gatten einen Sprach­lehrer engagiert. Den spielt Geoffrey Rush, der den König mit unor­tho­doxen Methoden zu einem leidlich guten Redner macht – sein Vorbild: Hitler. Vor allem ist dieser Sprach­lehrer aber ein »Mann von der Straße«, der erste, mit dem der König jemals Kontakt hat. Es entsteht eine Freund­schaft, man singt und flucht – das Leben selbst ist die Therapie. Und die Respekt­lo­sig­keit des Austra­liers: »Inha­lieren Sie keinen Rauch in die Lunge, das kann Sie töten.« – »Meine Ärzte sagen, es entspannt die Rachen­mus­keln.« – »Sie sind Idioten.« – »Sie wurden alle geadelt.« – »Dann ist es ja amtlich.«

Diese Passagen sind besonders schön und wohlig, gerade darin aber auch die ideo­lo­gischsten: Denn sie sugge­rieren, es gäbe so etwas wie Volksnähe wirklich, als wäre Könige Menschen »wie Du und ich«. Der Schwach­punkt des Monarchen, das Stottern, wird zum Vers­tärker seiner Legi­ti­ma­tion. Reiner Sozi­al­kitsch. So schlägt sich The King’s Speech sympa­thi­sie­rend auf die Seite des Königs­hauses und behaup­tete es als Insti­tu­tion, die auch in einer Demo­kratie angeblich Wert besitzt.

Der Regisseur von alldem ist Tom Hopper, der erst 39 Jahre alt ist, und bereits mit The Damn United einen sehr guten und ungemein witzigen Film gemacht hat, den bei uns aber kaum jemand sah, weil er – eine Best­sel­ler­ver­fil­mung, der Michael Sheen (The Queen) den legen­dären Fußball­ma­nager Brian Clough spielt – bei uns nur auf DVD zu sehen war. Mit Steven Frears The Queen hat dieser Film dagegen allerhand gemeinsam, obwohl ausnahms­weise mal nicht der dauer­be­schäf­tigte Peter Morgan das Drehbuch geschrieben hat: Ein modernes Königs­drama mit viel Witz und viel histo­ri­schen Fakten.

Mit letzteren nimmt es der Film nicht allzu genau, Chur­chills Rolle wird völlig verfälscht, ansonsten Wider­sprüch­li­ches und Störendes wird schön raus­ge­glättet: Ob nämlich Edward VIII. wirklich Thron­ver­zicht aus Liebe geübt hat, ist unter den briti­schen Geschichts­wis­sen­schaft­lern umstrit­tener, als man denkt: Eduard soll Nazi-Sympa­thien gehegt und mit Adolf Hitlers Regime konspi­riert haben, lautet eine Theorie. Für die spricht, dass seine Ehefrau, die Ameri­ka­nerin Walli Simpson ihre eigenen Bezie­hungen zu hohen Vertre­tern des NS-Regimes hatte – wenn auch die Gerüchte um eine Affaire mit dem späteren Reichs­außen­mi­nister von Ribben­trop wohl eher unzu­tref­fend sind.

Alles läuft auf die Rede zu, mit der Georg VI., sein Volk auf den Krieg gegen Nazi-Deutsch­land einstimmt. Es ist ein geschicht­sträch­tiger Augen­blick, dessen Geschicht­sträch­tig­keit noch zusätz­lich gestei­gert wird durch Beet­ho­vens sehr schönen, sehr pathe­ti­schen zweiten Satz der 7. Symphonie – eines der schönsten Stücke klas­si­scher Musik überhaupt.

Der Film, der die Oscars gewinnen wird.
Aller­dings ist The King’s Speech noch besser, witziger und in mancher Hinsicht viel subver­siver: Er zeigt nämlich die Wirk­lich­keit hinter der öffent­li­chen Persona, die banale Wahrheit hinter monar­chi­schem Glanz, die Macht als Insze­nie­rung und guter Wille zum Schein. Er zeigt Monarchie und ihre Legenden als Produkt einer Medi­en­ge­sell­schaft – nicht erst heute sondern schon immer. Es stimmt als nicht, was Alex­an­bder von Schönburg, der es besser wissen müsste schreibt: »Er legt mit chir­ur­gi­scher Präzision das Dilemma des modernen Königtums frei: Die Unver­ein­bar­keit von könig­li­cher Erha­ben­heit mit der Pflicht, sich mit den Massen­me­dien zu verbünden.«
»Mit chir­ur­gi­scher Präzision« ist eh ein abge­grif­fenes Bild. Hätte ihnen ihr Haus­lehrer beibringen sollen. Insofern ist dieser Film nicht nur ein Buddy-Movie und auch nicht allein ein neues Behin­dert­endrama – das ist er aller­dings auch.

Wie er das macht ist großartig, hoch unter­haltsam und mit sehr guten Gründen geht The King’s Speech in ein paar Wochen mit zwölf Nomi­nie­rungen als klarer Favorit in die Rennen um die, natürlich vor der Film­ge­schichte weit­ge­hend belang­losen, den Boulevard um so mehr faszi­nie­renden Oscars. »Bester Film« und »Bester Haupt­dar­steller«. Wetten das?