Großbritannien/USA 2014 · 129 min. · FSK: ab 16 Regie: Matthew Vaughn Drehbuch: Jane Goldman, Matthew Vaughn Kamera: George Richmond Darsteller: Colin Firth, Samuel L. Jackson, Mark Strong, Taron Egerton, Michael Caine u.a. |
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Gestatten:… |
Ein konspiratives Abendessen zwischen zwei Männern: Teurer Wein wird aufgetischt, dazu Erzeugnisse einer großen Fast-Food-Kette. Das Gespräch dreht sich vor allem um spezielle Kinovorlieben, genauer gesagt: alte Agentenfilme und die ernüchternde neue Ernsthaftigkeit im Spionagefach. Ein Banause, wer bei dieser skurrilen Szene aus Kingsman – The Secret Service nicht sofort an die eher düster-schwermütig gehaltenen Bond-Abenteuer denken muss, in denen Daniel Craig seit 2006 zu sehen ist. Man könnte meinen, Matthew Vaughn wolle sich in seiner Comicadaption lustig machen über die offen zur Schau gestellte Grimmigkeit von 007 und das Agenten-Genre im Allgemeinen. Ein bisschen trifft das vielleicht auch zu. Gleichzeitig gelingt es dem Kick-Ass-Regisseur aber, seine Liebe zum filmischen Geheimdienstkosmos zu unterstreichen und mit dessen Konventionen ein unterhaltsames Spiel zu treiben.
Die im Titel erwähnte Organisation »Kingsman« ist eine unabhängig operierende, wirklich geheime Spionageeinheit mit Sitz in London, die sich die Erhaltung des Weltfriedens auf die Fahne geschrieben hat und jenseits aller Protokolle, unbemerkt von der Öffentlichkeit, bösen Kräften das Handwerk legt. Die Agenten verstehen sich als moderne Ritter der Tafelrunde und tragen daher Codenamen, die der Artus-Sage entstammen. Als eines Tages ein Mann aus ihrer Mitte unter mysteriösen Umständen ermordet wird, muss rasch Ersatz gefunden werden. Top-Spion Harry Hart alias Galahad (Colin Firth) macht sich umgehend für den Kleinkriminellen Eggsy (Taron Egerton) stark, dessen Aufwachsen er genau verfolgt hat, da sein Vater, ebenfalls ein Kingsman, bei einem Einsatz als Held sein Leben ließ. Während der Jugendliche das unerbittliche Aufnahmeprogramm von Chefausbilder Merlin (Mark Strong) durchlaufen muss, sucht Harry nach dem Mörder seines Kollegen und stößt bei den Recherchen auf den Internet-Mogul Valentine (Samuel L. Jackson), der die Überbevölkerung unseres Planten auf unorthodoxe Art und Weise stoppen will.
Die Handlung – das lässt dieser Abriss womöglich schon erahnen – ist reichlich absurd und damit nichts für Zuschauer, die Logik und Plausibilität immer und überall einfordern. Eine abstruse Wendung folgt auf die nächste. Motivationen sind, wie man es aus klassischen Bond-Filmen kennt, völlig abgehoben und verfolgen in erster Linie ein Ziel: größtmögliche Eskalation. Hinzu kommt eine comichafte Gewaltinszenierung, die sicherlich nicht nur der Vorlage geschuldet ist, sondern auch die genreimmanente Bedeutung von Actioneinlagen gezielt auf die Spitze treiben soll. Anarchisch und politisch unkorrekt. So wie bei dem Gottesdienst in einer erzkonservativen US-Gemeinde, der sich ganz plötzlich in ein atemberaubend choreografiertes Amok-Ballett verwandelt – mittendrin Colin Firth als berserkender Geheimagent, der hier alle Gentleman-Attitüden schleifen lässt.
Keine Frage, Meta-Dialoge, ein originell-beknackter Oberschurke – lässiger Hip-Hopper mit weinerlichem Kind gekreuzt – und stilisierte Actionszenen sorgen dafür, dass es selten langweilig wird. Dennoch wäre Kingsman – The Secret Service nur halb so gelungen, wenn Vaughn nicht auch mit einigen handfesten Spannungsmomenten aufwarten könnte. Ob bei Eggsys knallhartem Ausbildungstraining (Stichworte: Überlebenskampf unter Wasser und Fallschirmsprung) oder im angemessen überzogenen Finale – trotz aller Überzeichnung bleibt das Mitfiebern nicht aus, weil an vielen Stellen dramaturgisch wirkungsvoll gearbeitet wird. Was beileibe nicht jeder Agentenstreifen von sich behaupten darf.
Wer will, kann den verqueren Plan des Antagonisten sogar als boshaften Kommentar auf die heute grassierende Technikabhängigkeit und das Auseinanderdriften der Gesellschaft lesen. Wahrscheinlich erweist man dem Film damit aber mehr Ehre als unbedingt notwendig. Denn der Unterhaltungsfaktor steht dann doch deutlich im Vordergrund.