USA 2013 · 103 min. · FSK: ab 16 Regie: John Krokidas Drehbuch: Austin Bunn, John Krokidas Kamera: Reed Morano Darsteller: Daniel Radcliffe, Dane DeHaan, Michael C. Hall, Jack Huston, Ben Foster u.a. |
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Von Tod und Zerstörung gezeichnet |
Kill Your Darlings – dieser Filmtitel ist eine Anleitung, die jeder Künstler (und übrigens auch jeder Journalist) schon mal gehört hat: Man müsse, meint dies, gar nicht so selten seine Lieblingseinfälle aktiv opfern, um allerhöchste Kunstweihen zu erlangen. Schöpferische Tätigkeit habe notwendig mit Opfer und Selbstverzicht zu tun, will dies sagen, und ist dabei zugleich auch ein Hinweis auf die essentiell mörderische Natur der Kunst. Wie mörderisch, das erfährt man in diesem Film.
Die literarische und kulturelle Revolution der amerikanischen »Beat Generation« der 1950er Jahre fasziniert unsere doch etwas langweiliger scheinende Gegenwart offenbar nachhaltig. Nach Howl (2010) und On the Road (2012) kommt nun mit Kill Your Darlings der dritte, stargespickte Film über diese Gruppe binnen weniger Jahre ins Kino. Die Beat-Generation war nicht nur die Vorhut der Beatles und der kulturellen Revolte von 1968, sondern noch der Punks der 70er Jahre. Zu sehen ist hier zum einen Daniel Radcliffe, dem Zauberinternat Hogwarts inzwischen zwar endgültig entwachsen, muss er zurück auf die Seminarbank der New Yorker Columbia-University, um dort seine Gelegenheit zur schauspielerischen Reifeprüfung zu bekommen – in einem Auftritt voller Energie als ein junger Alan Ginsberg, noch lange vor seinem Ruhm als Starpoet und einer der wichtigsten US-amerikanischen Dichter des 20.Jahrhunderts, der zwischen Sex, Drugs und Poesie noch seinen Weg finden muss.
Kill Your Darlings erzählt also die Vorgeschichte vor dem großen Durchbruch, die Jugend der Künstler in den 1940er-Jahren, und wir Zuschauer sehen jede Handlung bereits im Licht der späteren Berühmtheit.
Regisseur John Krokidas hat eine so wahre, wie unbekannte, wie atemberaubend spannende Episode aus dem Leben Ginsbergs, eines Jungen aus kleinbürgerlich-jüdischen Verhältnissen aus New Jersey, aufgegriffen – man kann diese Anekdote ebenso als Auslöser künstlerischer Kreativität verstehen, wie als deren Beschädigung von Beginn an. Allemal legt sie die inneren Widersprüche der US-Gesellschaft und ihrer verklemmt-puritanischen und konformistischen Mittelklasse auf dem Höhepunkt des amerikanischen Jahrhunderts frei, gegen die Ginsberg und seine Freunde und Gesinnungsgenossen Jack Kerouac und William Burroughs rebellierten.
Die spielen in diesem Film allerdings nur Nebenrollen. Im Zentrum steht die »Education Sentimentale« Ginsbergs, die Entdeckung seiner Homosexualität – in einer Zeit, in der diese noch gesellschaftlich geächtet war.
Die Hauptfiguren dieser Episoden sind der gleichaltrige Lucien Carr und der ältere David Kammerer. Carr war ein charismatischer Jugendlicher, Star seiner Freunde und der literarischen New Yorker Zirkel Mitte der 40er. Carr war bisexuell, der erste Partner von Gionsberg. Doch die sich entspinnende Dreiecksbeziehung führt bald zum Tod Kammerers durch Carr unter letztlich ungeklärten Umständen und Carrs Verurteilung wegen Totschlags.
Dieser Film lebt vor allem von der Atmosphäre, die er hier wiederauferstehen lässt: Aus der Musik, aus Dutzenden von Anekdoten – die erzwungene Ehe von Jack Keruac, die ersten literarischen Gehversuche Ginsbergs, die bigotte Doppelmoral Amerikas, die den Tod eines Schwulen wörtlich zum »Ehrenmord« erklärt und als solchen entschuldigt.
Ein bisschen puritanisch-moralisierend sind aber auch der Regisseur und sein Film, wenn sie Carr als faszinierend-genialen Blasierten schildern, der doch der Bösewicht der Story ist: Angeblich eine letztlich destruktive Figur. Damit wird die Beat Generation selbst als durch Tod und Zerstörung gezeichnet beschrieben. Der Blick auf sie ist auch in diesem Film von der Moral des allzu braven Bürgers geprägt.