USA 1995 · 98 min. · FSK: ab 12 Regie: Edward Burns Drehbuch: Edward Burns Kamera: Dick Fisher Darsteller: Jack Mulcany, Mike McGlone, Edward Burns, Connie Britton u.a. |
Kleine Sünden unter Brüdern ist einer der wenigen Filme, in denen es gelungen ist, Drama und Komödie zusammenzubringen. Er beleuchtet entscheidende Episoden im Leben dreier Brüder und beschreibt die Entwicklung ihrer Charaktere anhand ihrer Auseinandersetzungen. Dies gelingt dem Regisseur Edward Burns, der gleich noch eine Hauptrolle selbst übernahm, mit scheinbar leichter Hand, viel Humor und ohne ärgerliche Oberflächlichkeit, ähnlich wie Woody Allen in Hannah und ihre Schwestern. Burns macht den Zwiespalt zwischen Liebessehnsucht und Liebesunfähigkeit, Lebenshunger und Lebensangst, Wollen und Können zum Thema seines kurzweiligen, intelligenten Films.
»Gibt es die wahre Liebe?«, ist eine zentrale Frage im Leben der McMullen-Brüder, mit der sie aber unterschiedlich umgehen. Ihre Heimat ist zwar das freie Amerika, beengt werden sie aber durch die irische Tradition und den katholischen Glauben ihrer Eltern. Mrs McMullen, ihre Mutter, hat die Unfreiheit am eigenen Leib erfahren, aber daraus gelernt: nach 30 schrecklichen Jahren Ehe stirbt endlich ihr nichtsnutziger Mann (und alle sind froh darüber). Noch am Grab verabschiedet sie sich von ihren drei Söhnen, um nach Irland zu ihrer Jugendliebe zurückzukehren. Ihren Kindern gibt sie noch den Rat: »Macht nicht erst den Fehler, den ich gemacht habe!«
Nach dieser kurzen Einstimmung setzt die eigentliche Handlung 5 Jahre später ein: Barry und Patrick ziehen notgedrungen zu ihrem älteren Bruder Jack in das ehemalige Elternhaus in Long Island, New York. Jack ist Lehrer und glücklich mit einer Kollegin verheiratet. Sie will Kinder, was ihn direkt in eine verfrühte Midlifecrisis führt. Da kommt eine »femme fatal« in sein Leben...
Barry ist der Typ des Lebemanns, der sich nie binden will. Emotionalen Verpflichtungen geht er aus dem
Weg. Er ist Ratgeber für seine Brüder, wenn es um Trennungen geht. Doch auch er wird bald romantisch verwirrt...
Patrick schließlich, der jüngste, hat es besonders schwer: Kleine Sünden unter Brüdern sind für ihn eben keine kleinen, sondern sehr große Sünden. So lebt er wegen seines vorehelichen Sexuallebens in stetem Selbstzweifel, benutzt zwei Präservative übereinander, obwohl seine Freundin die Pille nimmt und hat trotzdem Angst vor der ewigen
Verdammnis. Er ist eben beides: hoffnungslos romantisch und hoffnungslos katholisch.
Wirklich erstaunlich (und strittig) bleibt jedoch die enorm moralische Position, die der Film vertritt. Man kann kaum glauben, daß ein junger Mann wie Regisseur Burns die Zuschauer mit dieser Darstellung der Werte Pflicht, Anstand und Vertrauen aus dem Kinosaal in die Realität schickt. Dochin Summe stellt Burns gerade den Katholizismus mit seinen moralischen Prinzipien in Frage. Dazu gehört jedoch – meiner Meinung nach – nicht sonderlich viel Mut!
Kleine Sünden unter Brüdern hat bereits erstaunliche Erfolge aufzuweisen, die belegen, daß jetzt wirklich niemand mehr aus Gründen der Unterstützung einer Low-Budget-Produktion diesen Film ansehen muß: in der amerikanischen Liste der profitabelsten Filme des Jahres 1995 liegt er auf Platz eins. Er hat bis heute durch den Erfolg in den englischsprachigen Ländern allein schon über 20 Millionen $ eingespielt, und das bei Produktionskosten, die mit 200 000 $ angegeben werden. Damit ist die Relation noch besser als beim zweitplatzierten Film Pulp Fiction, der (nach Angaben des MFA Filmverleihs) 9 Mio. $ kostete und bisher 176 Mio. $ einspielte. Erstaunt und belustigt nehmen die Zuschauer am Rande wahr, daß die (hervorragenden) Darsteller der älteren Brüder Jack und Barry beide erheblich älter aussehen als die 25- bzw. 30-jährigen Figuren, die sie darstellen sollen. Unglücklich ist auch die Wahl des deutschen Titels, denn die zum Verwechseln reizende Nähe zum Titel Kleine Morde unter Freunden ist nicht unbedingt publikumswirksam zu nennen. Mit der Auswahl der passenden Musik zu seinem Werk liegt Regisseur Burns goldrichtig: den Film begleiten fröhliche Flötenklänge im Stile der irischen Folkmusic. (Bei seinem nächsten Werk, das noch in der Entstehungsphase ist, wird Tom Petty den Soundtrack liefern; wohlgemerkt nachdem dieser sich bei Burns gemeldet hat!)
Von Regisseur Burns und seinen Nachwuchsschauspielern kann man sicher in Zukunft weitere gute Filme erwarten!