USA 2009 · 122 min. · FSK: ab 12 Regie: Alex Proyas Drehbuch: Ryne Douglas Pearson, Juliet Snowden, Stiles White Kamera: Simon Duggan Darsteller: Nicolas Cage, Rose Byrne, Chandler Canterbury, Lara Robinson, Ben Mend u.a. |
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Unvermeidlicher Science-Fiction-Schmarrn |
Es sind mehr als ein paar Jahre vergangen, seit der Australier Alex Proyas zu Beginn der neunziger Jahre mit The Crow eine nach wie vor überdurchschnittliche Comicverfilmung auf die Leinwand brachte, die einen großen Hype nach sich zog. In der Zwischenzeit allerdings konnte keine seiner weiteren Produktionen wirklich begeistern. Weder Dark City noch I, Robot gehören zu Filmen, die man im Gedächtnis behält, sind voller Werbefilmästhetik und mehr oder weniger gut kaschierter Bedeutungslosigkeit. Allein sein letzter Film mit Will Smith in der Hauptrolle ist ein Musterbeispiel dafür, wie man eine an sich wertvolle Romanvorlage in prollige Action ohne einen Funken Hirn verwandelt. Aber verglichen mit seinen bisherigen Arbeiten ist der ehemalige Musikvideo-Regisseur erst jetzt auf seinem Tiefpunkt angelangt.
Im Mittelpunkt von Knowing steht eine obskure Liste, die Katastrophen voraussagt. Sieht man sich diesen Flickenteppich von Film an, dann hat man unweigerlich den Eindruck, dass auch das Drehbuch auf eine Liste zurückgeht. Gleich vier Autoren haben an dieser »Story« herumgedoktert, und das Resultat nimmt sich aus, als hätte in bester Ed-Wood-Manier irgendjemand innerhalb von wenigen Minuten aufgeschrieben, was alles in einem Genre-Blockbuster vorkommen
muss:
Zuallererst ein Star in der Hauptrolle, die einen Mann mit Alkohol- und Familienproblemen zeigt, ein im Grunde herzensguter, aber vom Weg abgekommener Kerl, dann ein überschlaues, streberhaftes und etwas mysteriöses Kind, das mehr versteht als die Erwachsenen, Katastrophen, klar, also abstürzende Flugzeuge, der 11. September, das Ende der Welt; eine mysteriöse Oma mit zittriger Stimme, bedrohliche Soundeffekte, unheimliche Männer in schwarzen Kostümen (kennt man
aus Dark City und einem Haufen anderer Filme), gefährliche Situationen, Taschenlampen im Dunkeln, tröstende tränenreiche Umarmungen, die auf eine Romanze hinweisen (gerne mehrfach), Kinder, die schreiend aufwachen, rührseliger Quatsch zwischen Vater und Sohn (das Orchester legt sich dabei kräftig ins Zeug), alte Familienfotos, die den Star zum Weinen anregen, plötzlich unterbrochene
Telefonverbindungen, Googelei als Hintergrundrecherche, und zuletzt natürlich, als Aufhänger, besagte Liste, die die Zukunft voraussagt. Zusätzlich noch theologischer Quatsch, den kein Mensch braucht und immer wieder irgendwelche schwarzen Steine, die beim besten Willen keine Bedeutung haben.
Die Dialoge in Knowing sind dabei stellenweise so hölzern, dass man die Schauspieler mit dem Manuskript in der Hand bei einer ersten Probe zu sehen meint. Wenn man sich an Regisseuren orientieren will, dann wäre das eine üble Mischung aus Roland Emmerichs Katastrophenfilmen, M. Night Shyamalans prätentiösen Thrillern und natürlich den Vorgängerfilmen von Proyas. Ohne Überlänge kann man soviel Krimskrams natürlich nicht in einem einzigen Film unterbringen. Am Ende, wenn auch noch außerirdische Raumschiffe landen, bemerkt man, dass offensichtlich keiner der vier Drehbuchautoren auch nur das geringste Interesse hatte, die ganzen mysteriösen Elemente zu einem irgendwie stimmigen Ende zusammenzufügen. So hat man wohl einfach vergessen, dass das unerträglich kitschige Finale kaum etwas zu tun hat mit der vorher angefangenen Geschichte.
Filmisches Erzählen war noch nie eine Sache dieses Regisseurs. Proyas konzentriert sich auch in seinem aktuellen Film ganz auf optische Spielereien, auf die reine Oberfläche, während der Plot aus typischen Versatzstücken besteht, die man von dem Regisseur nun längst gewohnt ist: Verschwörungstheorien, Philosophie und Kulturgeschichte ein paar Stufen unterhalb des Niveaus von Wikipedia, alles locker flockig und mit bemüht hippen Formulierungen unterlegt. Gerade die Wissenschaftsstunde zum Thema Determinismus mit Cage als Uni-Professor wirkt dermaßen unglaubwürdig, dass man das Drehbuch den Autoren am liebsten um die Ohren hauen würde. Was soll das? Man fragt sich unweigerlich, was man mit den 50 Millionen Dollar Produktionskosten alles hätte anfangen können. Zugegeben, einige Effekte sind ganz ordentlich. Aber die Zeiten von Twister, als Effekte jeglichen Schwachsinn auf der Leinwand rechtfertigen konnten, sind glücklicherweise vorbei.
Wirklich beängstigend an dieser theologisch unterfütterten Weltuntergangsklamotte aber ist Hauptdarsteller Nicolas Cage: Schaut man sich die von ihm verwendeten drei Gesichtsausdrücke an, kann man beim besten Willen nicht mehr glauben, dass der Mann vor 14 Jahren in Leaving Las Vegas eine schauspielerische Glanzleistung vollbracht hat und immer noch als einer der meistverdienenden Hollywoodstars gehandelt wird. Warum eigentlich? Das »neue« Gesicht von Cage ist ein besonders deutliches Beispiel dafür, dass Botox und Konsorten keine Lösung des Alterungsprozesses sind, sondern unheimliche Karikaturen erschaffen. Die Tatsache, dass der Oscar-Preisträger hier auch noch einen Universitätsprofessor mit Alkoholproblemen, gleichzeitig einen sich sorgenden Vater spielen soll, der zwischen Paranoia und rationalem Denken schwankt, ist wirklich zu viel des Guten: Man nimmt es diesem Plastikmensch einfach nicht ab.
Was ist nur aus dem Science-Fiction-Genre geworden? Einige Kritiken halten diesen kruden, langatmigen Blödsinn für den besten Film des Jahres. Naja, diese Leute würden wahrscheinlich Waterworld zum besten Film des Jahrhunderts küren.
Retrospektiv betrachtet scheint der insgesamt immer noch ansehnliche The Crow eher ein Glückstreffer von Regisseur Proyas gewesen zu sein, denn seitdem ging es eigentlich nur bergab. Mit Knowing ist der Regisseur nun komplett in der Belanglosigkeit angekommen. Wer jedenfalls einen unvorhersehbaren Thriller sehen will, sollte sich beispielsweise Jacob’s Ladder (oder irgendetwas anderes) anschauen. Knowing aber lieber nicht.