Knochen und Namen

Deutschland 2023 · 109 min. · FSK: ab 12
Regie: Fabian Stumm
Drehbuch:
Kamera: Michael Bennett
Darsteller: Fabian Stumm, Knut Berger, Marie-Lou Sellem, Susie Meyer, Magnus Mariuson u.a.
Filmszene »Knochen und Namen«
Sichere Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit...
(Foto: Salzgeber)

Fabian Stumm würfelt nicht

Knochen und Namen entführt die Zuschauer auf fast magische Art und Weise in das aufregende Leben eines Paares und ihrer engsten Freundinnen und Freunde

Die ersten Szenen sind ungewohnt direkt. Zwei Schau­spieler scheinen die Zuschauer direkt anzu­spre­chen. So eine Inten­sität ist ungewohnt, zum Glück gewöhnt man sich schnell. Nach wenigen Minuten wünscht man sich, dass der Film gar nicht mehr aufhört.

Die Schau­spieler sind großartig. Die Regie ist großartig. Kamera auch großartig! Was ist die Geschichte? Boris und Jonathan sind ein Paar, bei dem es kriselt. Der Schau­spieler Boris dreht einen Film. Die inten­siven Proben fangen an, sein Privat­leben zu beein­flussen. (Egal ob ernst oder humorvoll, ganz besonders großartig: Marie-Lou Sellem als fran­zö­si­sche Regis­seurin.) Jonathan ist Schrift­steller und recher­chiert für einen Roman über das Sterben, was ebenfalls beginnt, die Beziehung zu belasten.

Boris und Jonathan sind verliebt, können aber auch genervt vonein­ander sein. Wie viele Paare, die schon ein paar Jahre zusammen sind. Was passiert noch? Eine Grund­schü­lerin, Josie, klaut Shampoo und wird erwischt. Ihre Mutter und die Sozi­al­ar­bei­terin des Jugend­amts reagieren einfühlsam und gelassen. Trotzdem verführt Josie eine Freundin zu weiteren Kinder­strei­chen. Wobei einer über das Ziel hinaus­schießt. Das war’s schon!

Während in der äußeren Handlung nicht allzu viel Drama­ti­sches passiert, passiert im Inneren der Charak­tere um so mehr. Diese Innen­leben einer guten Handvoll unter­schied­li­cher Menschen sind so plastisch darge­stellt, dass man als Zuschauer das Gefühl bekommt, man würde jedem in den Kopf gucken. Mitfie­bern, mitzwei­feln, mitlachen, mitdenken, mitlieben oder mitfürchten. Eigent­lich als würde man in der Haut dieser Menschen stecken.

Meistens weiß man recht schnell, wie Figuren in Filmen ticken. Was sie wollen und wie die Geschichte sich entwi­ckeln wird. Bei Knochen und Namen weiß man es noch lange Zeit nicht und irgend­wann will man es gar nicht mehr wissen. Die Szenen sind so humorvoll, leiden­schaft­lich oder über­ra­schend, dass man sich gerne weiter über­ra­schen lässt. Man könnte sagen, Knochen und Namen ist so spannend und faszi­nie­rend wie das Leben. Das sollte man auch lieber jeden Augen­blick genießen. Anstatt sich Gedanken darüber zu machen, was als Nächstes passiert oder wie es zu Ende geht.

Mit seiner sicheren Balance zwischen Ernst­haf­tig­keit und Leich­tig­keit erinnert Knochen und Namen an fran­zö­si­sche Filme von Eric Rohmer, Claude Sautet und André Téchiné. Oder auch an Meis­ter­werke von Robert Altman.

Beim Abspann stellt sich die Frage, welche Förder­gre­mien haben diesen unge­wöhn­li­chen Film finan­ziert? Welche Sender waren beteiligt? Wie heißen die mutigen Produ­zenten? – Knochen und Namen wurde ohne öffent­liche Förder­mittel herge­stellt, ohne Fern­seh­gelder, eine große Produk­ti­ons­firma war auch nicht beteiligt.

Fabian Stumm, der das Drehbuch geschrieben, eine Haupt­rolle gespielt und Regie geführt hat, war auch der Produzent, gemeinsam mit Nicola Heim. Die Schau­spieler und das Team haben für kleine Gagen und Rück­stel­lungen gear­beitet. Sie bekommen eine Nach­ver­gü­tung, wenn der Film ein Erfolg wird.

Jeder Zuschauer, der es schafft, sich die Neugier, den Mut und die Authen­ti­zität zu bewahren, die Fabian Stumm und sein Team bewiesen haben, für den geht dieser groß­ar­tige Film auch nach der Vorstel­lung noch weiter.

Mehr kann man sich von einem Kino­be­such nicht wünschen.