USA 2002 · 101 min. · FSK: ab 16 Regie: Michael Rymer Drehbuchvorlage: Anne Rice Drehbuch: Scott Abbott, Michael Petroni Kamera: Ian Baker Darsteller: Stuart Townsend, Marguerite Moreau, Aaliyah, Vincent Perez u.a. |
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Aaliyah |
Pop ist, wenn man trotzdem denkt. Wenige hatten diese Maxime in den letzten Jahren so eigenwillig und dabei überzeugend verkörpert, wie Aaliyah, die aus Detroit stammende R&B-Sängerin und aufsteigende US-Pop-Ikone, die erst 22jährig im vergangenen August bei einem tragischen Flugzeugabsturz ums Leben kam. Ihre Songs und die dazugehörigen Videoclips waren sämtlich durch kontinuierlichen Formwechsel geprägt, durch die Lust daran, sich selbst und ihre öffentliche Erscheinung immer wieder neu zu erfinden. Zu Aaliyahs Bestreben nicht definierbar zu bleiben, und sich selbst immer neue Möglichkeiten zu öffnen, gehörte auch die Arbeit als Model und in den letzten Jahren mehrere Filmauftritte. Ihr Debüt in Andrzej Bartkowiak gelungenen Martial-Arts-film Romeo Must Die an der Seite von Jet Li machte einen starken Eindruck und verschaffte ihr prompt ein Engagement bei den beiden Matrix-Sequels. Zum Dreh sollte es nicht mehr kommen.
So bleibt Michael Rymers Die Königin der Verdammten Aaliyahs letzter Film, und man wird ihn kaum sehen können, ohne auch daran zu denken, was aus diesem Jung-Star noch hätte werden können. In dem Film spielt sie ausgerechnet die altägyptische Königin und Mutter aller Vampire Akasha, eine Untote, die wieder zum Leben erweckt wird. Gleich zu Anfang sieht man Aaliyah, zur Marmorstatue versteinert – und im Wissen um ihren Tod wirkt Die Königin der Verdammten, der von Anfang an auch als Star-Vehikel konzipiert worden war, wie ein Denkmal. Alles steht im Schatten Aaliyahs, für die der Film einen idealen Auftritt bot, um sich als Heldin des Düsteren, als dunkle Veronica Lake in Szene zu setzen. Eine gute halbe Stunde dauert es, bis man sie wieder sieht. Im Prinzip gehören ihr nur vier Szenen – aber welch ein phänomenaler Auftritt: Voller Ironie und kontrollierter Koketterie läßt sie sexuelle Verführungskraft, Popstargesten und Gewalt verschmelzen, in kleinen, eleganten, immer präzisen Gesten. Zunächst ein versonnener Tanz, dann richtet sie in einer Dark-Wave-Diskothek ein Blutbad unter ihresgleichen an. Später ist sie a la American Beauty in einer mit Rosenblättern gefüllten Badewanne zu sehen – freilich ungleich bedrohlich, verführerischer, als das blonde Schulmädchen in Sam Mendes' Mittelstandsdrama. In jedem Vampir, sofern er eine Frau ist, steckt unbedingt auch ein Vamp.
Ganz formal betrachtet ist Die Königin der Verdammten die Fortsetzung eines der besten neueren Beispiele der Gattung der Vampirfilme: Vor acht Jahren verfilmte Neil Jordan mit Interview mit einem Vampir die ersten Teile von Anne Rices Kultbüchern »Vampire Chronicles«. An diese Vorlage reicht der Film, stilistisch allenfalls ein B-Movie, allerdings nie heran. Die Rolle
der Hauptfigur, des charismatischen Lestat, den damals Tom Cruise spielte, verkörpert nun Stuart Townsend. Dieser Lestat leidet mittlerweile an einer Daseinskrise, gelangweilt hat er sich in den ewigen Schlaf zurückgezogen. Aufzuwachen lohnt sich für ihn erst mit der Geburt der Popkultur, die seinen ENNUI dauerhaft zu bannen scheint. Zu Beginn des Films erzählt Rymer kurz diese Rückkehrs Lestats in die Welt. Als Leadsänger einer Dark-Wave-Band bietet er »Sex & Blood &
Rock'n'Roll« und wird zum Weltstar, weil der – auch sexuellen – Verführungskraft seines Gesangs und seines Geigenspiels niemand standzuhalten vermag. In diesen Momenten ist Die Königin der Verdammten eine stellenweise subtile Funktionsanalyse der Popkultur, die ja, nebenbei gesagt, durchaus plausibel auch als ein blutsaugerisches Geschäft interpretiert werden kann. »Wir geben der Welt einen Gott« erklärt Lestat und meint sich selbst. Und Gott
zu werden, macht offenbar Spaß. Mit sichtbarer Lust hat Rymer diesen dann doch teilweise tödlichen Größenwahn seiner Figuren inszeniert,.
Schade nur, dass sein Hauptdarsteller und die ihm neben Aaliyah zur Seite gestellte Marguerite Moreau dies alles kaum tragen. Die übrige spannende Besetzung ist zu wenig zu shen, gerade mal zwei Szenen bleiben für Lena Olin. Allenfalls Vincent Perez als Lestats Lehrer Marius bekommt etwas mehr Entfaltungsraum – und nutzt ihn gut.
Die
Story hapert vor allem daran, dass sie die Vorlage einerseits umschreibt und reduziert, ihr andererseits doch gerecht werden möchte. Das Resultat ist ein krudes Mischmasch und allerlei Vampirversatzstücke – ohne den Witz und die Selbstironie die Filme wie Die Mumie prägen, erst recht ohne die Genialität von Coppolas Bram Stoker´s Dracula. Und auch die Freude am nostalgischen Beschwören der Filmgeschichte findet man zu selten. Was bleibt, ist also der Star und die evidente Gemeinsamkeit zwischen Gott, Vampir und Popstar: Sie alle sind unsterblich, vorerst zumindest.