USA/Marokko 2015 · 129 min. · FSK: ab 0 Regie: Werner Herzog Drehbuch: Werner Herzog Kamera: Peter Zeitlinger Darsteller: Nicole Kidman, James Franco, Robert Pattinson, Damian Lewis, Jay Abdo u.a. |
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Königin der Dromedare: Nicole Kidman |
Was für ein Schinken! Wüste, so weit das Auge blicken kann. Eine Eisprinzessin mit Augen in der Farbe der Gletscher, mit weißer Haut von Alabaster und einem Haar, das in der Sonne leuchtet wie der hellste Stern am Himmel. Dromedare, Tücher, in die sich die Körper hüllen. Die Männer: verwegene Kinnpartie, sorgenvolle Stirnfalten, patriachale Gesten. Sie alle liegen ihr zu Füßen: der Wüste, und ihrer Königin. Große Gefühle, vergebliche Liebe und der ewige Sand sind die Zutaten des bildgewaltigen Epos Königin der Wüste von Werner Herzog mit Nicole Kidman in der Hauptrolle. Vorgenommen hat er sich das Leben der britischen Wüstenforscherin und Abenteurerin Gertrude Bell, Ethnologin und Historikerin, Archäologin und politische Beraterin, im Ersten Weltkrieg dann Angehörige des britischen Geheimdienstes und weiblicher »Lawrence von Arabien«, die Kenntnisse über die Völker im Nahen Osten sammelte.
Wenn es Werner Herzog in die Wüste zieht, um dort einen Film über das Leben von Gertrude Bell mit Nicole Kidman zu drehen, kann dies nur folgende Gründe haben: Erstens: die Reise in die Wüste. Zweitens: Nicole Kidman. Drittens: dass das alles gar nicht zusammenpasst. Werner Herzog liebt die Extreme, die großen Gefühle, und er mag es auch, wenn etwas nicht so ganz stimmt. Zumindest in seinen Spielfilmen schien ihm das immer reichlich egal zu sein.
Nichts weniger als der Globus, mit seinen Widersprüchen und Extremen interessiert Werner Herzog (neben seinen vielen anderen Interessen, für Todeszellen, Behinderungen oder dem »Grizzly Man«). Derzeit bereist er mit seinem großartigen Bildgestalter Peter Zeitlinger, dem auch für Königin der Wüste alle denkbaren Plus- und Ehrenpunkte zufallen, die aktiven Vulkane der Welt, ausgehend von Nordkorea. Der letzte Landstrich, in dem sich Herzog für einen Film aufhielt, war das Herz von Sibirien, für seine Dokumentation Happy People – Ein Jahr in der Taiga (und davor war es die Antarktis für die Dokumentation mit dem schönen Titel: Begegnungen am Ende der Welt).
Jetzt also die Wüste. Dokumentarisch ist hier (fast) gar nichts mehr, außer den Bildern, die Nicole Kidman auf ihrem Dromedar sitzend in den unterschiedlichsten Wüstenlandschaften (Sand, Salz, Gestrüpp) zeigen, bei echtem Sandsturm und unter der unerbittlichen Sonne. Denn sie waren tatsächlich dort und haben tatsächlich dort gedreht (um präzise zu sein: vor allem in Marokko). Wer sich auf Herzog einlässt, weiß: es wird extrem. Zum 60. Geburtstag der Kurzfilmtage Oberhausen schickte er eine Videobotschaft direkt aus der Wüste. Er sprach in seiner unverwechselbaren, leicht umständlichen Art, in seiner immer noch Münchnerisch gefärbten Sprache in die Kamera, im Hintergrund sah man Dromedare im Wüstensand stehen. Es hat ihm unendlich viel Spaß gemacht.
Auch Königin der Wüste kann unendlich viel Spaß machen, wenn man es schafft, Herzog alles, wo er sicher daneben langt, zu verzeihen. Warum er ausgerechnet aus dem Leben der Wüstenforscherin Gertrude Bell, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf eigene Faust die Beduinenvölker erkundete, eine Liebesleidensgeschichte macht? Sie am sehnsuchtsvollen Horizont, an dem doch nur eine Fata Morgana und Hitzespiegelungen lauern, nach der Liebe Ausschau halten lässt? Nehmen wir den Film, wie er ist. Ein wunderprachtvolles Schmalzstück über eine, die in die Wüste zieht, um Trauerarbeit an ihrem ersten, verstorbenen Liebhaber (James Franco) zu leisten. Wahrlich, ein Rosamunde-Pilcher-Kitsch.
Die historischen Momente wie das Aushandeln der Reiserouten mit den britischen Offizieren, die immer wieder vor der Gefährlichkeit der Wüste und den Beduinenstämmen warnen, sind die Hintergrundgeräusche, die das unbeirrte Ziehen in die Wüste mit noch mehr Leidenschaft begleiten lassen. Das einfache, so gar nicht bedrohliche Leben der Beduinen in ihren Zelten mit ihren schlichten Ritualen sieht dann noch harmloser, freundlicher und durch und durch völkerverständigend aus. Angeblich wollte Herzog mit seinem Film, dass wir die arabischen Völker und deren Ursprünge verstehen lernen. Zu sagen bleibt: Nicole Kidman sieht einfach umwerfend aus. Weggezaubert ist die Botox-Entstellung, nahezu authentisch sieht man sie gefühlt zwei Drittel des Films im immer gleichen, durch die Sandkörner gegelbten Gewand. Das um ihr Haar geschlungene Tuch steht ihr außerordentlich gut. Die Männer, ob Engländer oder Araber, liegen ihr zu Füßen. Sie bekommt immer, was sie will. Nur in der Liebe hat sie Pech. Ist das der Fluch der freiheitsliebenden Frau?
Mit Sätzen wie »Zum ersten Mal weiß ich, wer ich bin. Mein Herz gehört niemandem, nur der Wüste« jedoch gibt sich exakt einer zu erkennen: Werner Herzog. Solche Momente sind dann immer wieder sehr großartig. Hinter dem ganzen Geblöke der Dromedare, der ätherischen Nicole Kidman und den anschwellenden Violinen sollte man sich daher auch immer den handfesten Filmemacher Werner Herzog in der Wüste vorstellen, und das dazugehörige Making-of, auf das wir jetzt alle sehr gespannt warten. Der Titel: Mein liebster Schnulz.