Frankreich/Spanien 2012 · 88 min. · FSK: ab 0 Regie: Daniel Cohen Drehbuch: Daniel Cohen Kamera: Robert Fraisse Darsteller: Jean Reno, Michaël Youn, Raphaëlle Agogué, Julien Boisselier, Salomé Stévenin u.a. |
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Geschmackshelden |
Ein Meer von wieselflinken Händen, die lange, scharfe Messer mit Tempo und Eleganz durch rohes Gemüse oder Fleisch führen, dazu gerne ein verspielter Lauf auf dem Piano. Kleine Häufchen, farbenfroh, mit großer Detailverliebtheit angerichtet auf riesigen weißen Tellern – vielleicht auch ein Schuss mit Tiefenschärfe auf eine Reihe von diesen identisch hindrapierten Menüs, die eine gerade Linie von Farbtupfern in einer ansonsten aseptisch sauberen Umgebung von blütenweißen Oberflächen und blitzend grauen Armaturen bilden.
So kann man die hehre Kochkunst inszenieren, es ist ein Versuch, die Sinnlichkeit des Essens mit den audiovisuellen Möglichkeiten des Films herbei zu zwingen – die gegenüber dem wahren Genuss dann doch notwendig und immer defizitär bleiben. Daniel Cohens Komödie Comme un chef aus dem Mutterland der Feinschmecker verzichtet weitgehend auf diese Bildklischees und konzentriert sich auf einen anderen Aspekt der gehobenen Gastronomie, den man hierzulande erst allmählich wahrzunehmen beginnt, durch den energetischen, wild gestikulierenden Sternekoch Christian Rach vielleicht oder ein wenig auch durch Fatih Akins Soul Kitchen.
Denn Jacky Bonnot ist allemal ein Geistesverwandter von Birol Ünels streitbarem Küchenchef Shayn Weiss, der noch jeden bodenständigen Imbissbesucher zum Gourmet umerziehen wollte. Daher sind Jackys Anstellungen auch in der Regel nicht von Dauer. Seiner schwangeren Freundin Beatrice zuliebe sattelt er um – doch das Altenheim, dessen Fassade er neuerdings streicht, kommt eines Tages der legendäre Sternekoch Alexandre Lagarde besuchen, Jackys großes Idol. Auch Lagarde steht das Wasser bis zum Hals, er braucht dringend neue Ideen, sonst ist einer seiner Sterne wohl futsch – und sein Job frei für den potenziellen Nachfolger Cyril Bosse, einen versnobten Molekularkoch aus, mon Dieu, England!
Die Momente, in denen Cohen sich detailliert auf all das einlässt, was das Kochen als spezifisches Handwerk und als Kunstform ausmacht, gehören zu den schwächeren den Films. Speziell die satirischen Seitenhiebe auf die ach so angesagte Molekularküche geraten zu überdreht – etwa wenn die beiden Traditionalisten sich in ihrer Not als japanisches Diplomatenehepaar verkleiden, um bei Bosse zu spionieren, und Jacky den frechen Diebstahl einiger besonders spannender Kreationen als fernöstlichen Schleiertanz gestaltet. Dies ist letztlich eher eine alberne Travestie als eine anarchische Erweiterung der ansonsten eher sympathisch-bodenständigen Inszenierung.
Denn die Geschichte, und auch ihre Darsteller, sind ganz bei sich, wo sie auf grelle Situationskomik verzichten und hinter dem leisen Humor auch die Fallhöhe ihrer Protagonisten aufscheinen lassen. Der kantige Jean Reno, dem das Überdrehte ohnehin nicht sonderlich liegt, hat in vielen seiner Rollen seit Léon, der Profi eine zarte, subtile, auch humorvolle Seite hinter der harten Schale verborgen. Und der melancholisch-träumerische Blick des in seinem Heimatland äußerst populären Komödianten Michaël Youn passt um Längen besser zu seiner Figur als Fächer und Kimono.
Für Cohen ist die Kochkunst letztlich eine austauschbare Leidenschaft, ihm geht es um die totale Hingabe an ein Ideal, um Romantiker in einer Welt, die sich aufreibt zwischen kurzlebigen Pseudo-Trends und der blinden Effizienzsteigerungswut des Marktes. Lagarde ist ein Dinosaurier, Jacky ein Träumer, das sind dankbare Helden einer Geschichte, wie sie das Kino liebt seit seinen Anfängen. Wobei die Exzentrik und das übersteigerte Ego, die man den ganz Großen in der Küche nachsagt, ebenso wenig unter den Tisch fallen wie die Opfer, die eine solche sympathische Sturheit bisweilen hinterlässt.
So wird die Verantwortungslosigkeit, die durchaus die Kehrseite von Jacky Ehrgeiz ist, in der nachvollziehbaren Existenzangst seiner Freundin spürbar. Und wenn Lagarde wieder mal keine Zeit für seine Tochter hat, die kurz vor der Disputation ihrer Doktorarbeit steht, dann greift diese eben zum Telefon. Und bestellt sich einen Cheeseburger mit Mayo und extra Pommes.