USA/GB 2024 · 121 min. · FSK: ab 6 Regie: Edward Berger Drehbuch: Peter Straughan Kamera: Stéphane Fontaine Darsteller: Ralph Fiennes, Stanley Tucci, John Lithgow, Isabella Rossellini, Lucian Msamati u.a. |
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Im Angesicht des Zweifels... | ||
(Foto: Leonine) |
Edward Berger scheint sich auf sein Talent in der Auswahl seiner literarischen Vorlagen verlassen zu können. Nachdem er mit der Neuverfilmung von Erich Maria Remarques Klassiker Im Westen nichts Neues alle nur denkbaren Oscar-Ehren errang, sieht es auch für die Verfilmung von Richard Harris' Bestseller Konklave sehr gut aus.
Denn mehr noch als in Im Westen nichts Neues, mit dem man trotz seines Erfolges auch hadern kann, gelingt es Berger in Konklave mit seinem exzellenten Drehbuchautor Peter Straughan in der filmischen Umsetzung, Schwerpunkte zu setzen, die die Verfilmung über den Roman hinaus tagesaktuell und wichtig macht.
Diese Schwerpunktsetzung zeigt sich bereits im einleitenden Teil des Films, in dem nach dem Tod des Papstes die Kardinäle aus allen Teilen der Welt nach Rom eilen, um in dem titelgebenden »Konklave«, einem von der Außenwelt abgeschirmten Konzil, zu entscheiden, wer von ihnen der neue Papst sein wird, ein signifikanter Moment, der durch das Aufsteigen weißen Rauchs aus einem Schornstein markiert wird, der vor Beginn des Konklaves auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle befestigt wird. Doch Berger und Straughan lassen es ruhig angehen und lassen eine Fraktion der Kardinäle sehr tagesaktuell an ihren Essenstischen darüber lamentieren, wie unvorteilhaft es sei, dass Latein nicht mehr als universale Verkehrssprache Vorschrift sei und damit jede Region isoliert voneinander sitze; eine Schwachstelle, die auch bei der in diesem Oktober stattfindenden letzten Synode, zu der Papst Franziskus Bischöfe aus der ganzen Welt nach Rom gerufen hatte, um offen und transparent über die Zukunft der katholischen Kirche zu beraten, deutlich wurde, als die deutschen Teilnehmer realisieren mussten, dass sie formal an Gewicht verloren haben, da es keine Deutsch sprechende Gruppe mehr gibt.
Doch es ist natürlich nicht nur diese Ebene eines Achebe’schen Things fall apart, die Konklave bedient. Denn schnell wird klar, dass wir hier zwar einer der großen Inszenierungen der katholischen Kirchen beiwohnen, doch dass bei aller Heiligkeit nicht nur die Sprachenvielfalt die Dinge menschlich und sehr kompliziert macht, sondern wie in der
Weltpolitik ein jeder versucht, seine Anhänger und möglichen Wähler um sich zu scharen, egal wie populistisch seine Argumente auch sein mögen. Dazu gehören Xenophobie genauso wie linguistische und kulturelle Präferenzen, aber auch eine in Harris’ Roman nicht auftauchende Nonne, die von Isabella Rossellini großartig gespielte Schwester Agnes, über die die katholische Kirche auch hier ihr Missbrauchsbashing erhält. Doch ist dies wie auch alle weiteren »woken« Spitzen, die
Konklave setzt, nicht aufgesetzt und vordergründig inszeniert, sondern entwickelt sich über Bergers souveräne Regie, eine suggestive Bildsprache und ein großartiges Ensemble sehr subtil, weshalb es die Terror-Einlage im Grunde gar nicht gebraucht hätte, die eher die Abenteuergeschichte, die dieser Film ja auch ist, flankieren hilft. Denn wie hier ein bislang unbekannter Kardinal aus Kabul plötzlich an Bedeutung gewinnt, hat natürlich alle Qualitäten, die
wir seit Alexandre Dumas dem Älteren und seinem Graf von Monte Christo kennen.
Dabei muss allerdings betonnt werden, dass bei allen hier aufgeführten Intrigen und Abgründen des katholischen Systems wir es nicht mit einer gruseligen Groteske wie etwa Oskar Panizzas Liebeskonzil aus dem Jahr 1894 zu tun haben, für die Panizza damals noch ein Jahr ins Gefängnis musste, sondern mit einer durchaus ausgewogenen Kritik, die auch deutlich die Notwendigkeit und Chancen der katholischen Kirche in den Raum stellt.
Denn parallel zu den zum Teil hier gezeigten erwartbaren Verwerfungen der katholischen Kirche wird über die Oscar-würdige Darstellung des Kardinal-Deans und Leiters des Konklave, Thomas Lawrence durch Ralph Fiennes, ein religionsphilosophischer Diskurs geführt, der sich auch ideal auf die Politik übertragen lässt. Das ist so überraschend wie spannend, macht es doch klar, dass der Zweifel an Gott und dem Glauben auch Zweifel an jedem Machtstreben bedeutet und erst der Kardinal
bzw. Politiker die Macht verdient, der sie aus dem Herzen heraus anzweifelt und ablehnt.
Fiennes spielt diese Gedanken vor allem über seinen Gegenspieler, der mit Stanley Tucci als Kardinal Aldo Cardinal Bellini ebenfalls treffend besetzt ist, hadernd, sinnierend und dann wieder fast somnambul überragend aus und wird dabei von der sogartigen Bildsprache von Kameramann Stéphane Fontaine unterstützt – man denke nur an den großen Moment der Regenschirme oder die sinn(-liche) Suche in der in den römischen Cinecittà-Studios nachgebauten Sixtinischen Kapelle und den dortigen Decken- und Wandgemälden – was zusammen immer wieder Momente von wirklich großem Kino erzeugt.
Doch auch das ist noch nicht die Conclusio von Bergers Film, der das einigen vielleicht etwas zu sehr dem Zeitgeist geschuldete Ende von Harris’ Roman konsequent übernimmt. Aber erst mit diesem streitbaren Ende, das jeder anders sehen und lesen dürfte, abhängig von seiner Konfession oder Nichtkonfession, wird Konklave zu einem der sehenswertesten Filme dieses Herbstes.