Österreich 2000 · 107 min. · FSK: ab 16 Regie: Wolfgang Murnberger Drehbuch: Wolf Haas, Josef Hader, Wolfgang Murnberger Kamera: Peter von Haller Darsteller: Josef Hader, Nina Proll, Simon Schwarz, Barbara Rudnik, Karl Markovics u.a. |
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Brenner, lädiert |
»Du, Brenner, als Kriminalbeamter, wie viele Fälle hat ma' da so pro Jahr?«
»In an guten Jahr?«
»Ja.«
»In an guten Jahr hat man an andern Beruf.«
»Wie würdest Du vorgehen?«, fragt nach dem ersten Mordfall der kleine Berti, ein Rettungssanitäter, seinen Kollegen Brenner, der früher mal bei der Polizei war. »Vorgehen is scho falsch.« Der Simon Brenner ist der vielleicht umständlichste Detektiv der Kriminalliteratur. Bisher war er das in den Romanen von Wolf Haas, denen ebenfalls ein grandioser Hang zur Umständlichkeit nicht abzusprechen ist. Nun ermittelt Brenner erstmals im Kino, und zwar in dem österreichischen Spielfilm Komm, süßer Tod. Und wieder erweisen sich unsere Nusser auf den Gebieten Humor, Krimi, und Gemütlichkeit als die Anmutigeren. War schon der Tatort vom ORF stets weniger krampfig als alle Schimanskis und Palüs, war schon die Irrsinnsserie »Kottan ermittelt« auf dem Sendeplatz von Derrick für die Deutschen viel zu avantgardistisch, so überholt nun Komm, süßer Tod quasi im ersten Gang den neuen deutschen Film mit seinem Professionalitätsgehubere. Auch dort wird ja viel zu lange über die Vorgehensweise getüftelt.
Und Österreich hat womöglich auch die sattelfesteren Stars, in diesem Fall den vieleicht letzten erträglichen Kabarettisten Joseph Hader, den Helden von Indien. Hader gibt einen fulminant grantigen Detektiv ab, dem das Nachdenken mehr Anstrengung abverlangt als das verprügelt werden oder die Konfrontation mit widerlichsten Sachverhalten. »Is des net fürchterlich?« fragt die Sekretärin, »Jojo.« sagt der Brenner und wechselt das Thema. Daneben blüht Nina Proll als larmoyante Firmenschnalle, und Simon Schwarz hampelt den tolpatschigen Zuarbeiter Berti, während die zwei deutschen Darsteller von Österreichs verkorkstem Verhältnis zum Touristenspenderland zeugen. Bernd-Michael Lade spielt den Schurken »Piefke«, angeberisch, schnöselig, arrogant, wie es eben der Piefke Art. Und Barbara Rudnik ist die Schöne, die der Brenner doch nicht kriegt, die man aber auch etwas weniger schillernd hätte besetzen können.
Die Bücher von Wolf Haas drängen sich nicht unbedingt zum Verfilmen auf. Das neue Buch »Wie die Tiere« erfreut wieder durch weitschweifiges Gefasel. Da beginnt zum Beispiel ein Kapitel mit dem Satz »Zwei Tage später hat der Brenner fünf große Blasen und den ersten Verdächtigen gehabt.« Dann ergeht sich der Erzähler erst eine Weile über das Blasenlaufen, zwei Seiten später erst kommt der Verdächtige dran. »Ich persönlich vollkommen neutral« wird da mitunter gequatscht, und es stimmt hinten und vorne nicht. Neutral ist dieser seltsame Berichterstatter überhaupt nicht. Auch wenn er manchmal ein »Aber eines muss ich ganz sachlich schon sagen.« dazwischenstreut, läßt er ständig seine persönlichen Ansichten über den Stammtisch rüberzwitschern. Offenbar sitzt er an einem solchen, sonst wäre seine Grammatik nicht so Unschriftstellerisch. Mit »Aber interessant.« leitet er seine Absätze ein oder mit »Das ist jetzt wirklich interessant«. Mal ergeht er sich über rasant unwichtige Details -»Er hat so fürchterliche, hellblonde Locken gehabt, wo du in Amerika gleich Dollarmillionär wirst, wenn du den Friseur verklagst.« oder »Jetzt haben sie diesen Modeschöpfer vor ein paar Jahren extra erschießen lassen, und die Leute ziehen seine Sachen erst recht an.«, mal hadert er mit den Widersinnigkeiten des Lebens, wenn er seinen Brenner etwa verschiedene Tricks bei der Gedankensuche probieren läßt: »An etwas anderes denken, dann fällt es dir schon ein. Aber es ist ihm nicht eingefallen. Jetzt hat er es einmal umgekehrt probiert...«. Doch jeder, der dem Brenner begegnet, hat eine dirkete Funktion für die Krimi-Handlung, jedes größere Motiv findet seiner Weiterführung. Wie alle Haas-Krimis ist »Wie die Tiere« dabei erstaunlich rund, sowie merkwürdig spannend.
Auch das Rettungsdienst-Drama »Komm, süßer Tod«, erschienen 1998, eiert uns im Tonfall eines Wirtshausschwätzers entgegen. Gemeinsam haben nun der Regisseur Wolfgang Murnberger, Joseph Hader und Wolf Haas selbst dieses hirnrissige, hinreissende Geschwätz auf einen Drehbuch- Dialog verteilt. Die Off-Stimme hat dazu eine ähnliche ergänzende Schmarrer-Funktion, wie bei den Coens in The Big Lebowski.
Kurz wird angedeutet, dass der Erzähler ein stummer Zivildiener am Rande sein könnte, den Wolf Haas persönlich verkörpert. Aber es bleibt noch genügend Raum zur Spekulation über diesen seltsamen Alleswisser.
Die Sätze sind nun ziemlich vernuschelt. Selbst als Bayer hat man Schwierigkeiten, jede Formulierung nachzuvollziehen. Nördlich der Mainlinie wartet der Film mit einer hochdeutschen Untertitelung auf, damit Kleinode wie »Irgendwie ungustiös, wenn so a Hoibleich noch
Schnops stinkt.« nicht völlig verloren gehen. Beim Kauzigen haben die drei Autoren es aber nicht belassen, sondern dem Umstands-Krimi ein paar Schauwerte und ein garstiges Finale zugefügt. Das dreckige Wien wurde dazu von Murnberger und seinem Kameramann Peter von Haller in ein höchst unangenehmes Licht getaucht, schon der Vorspann ist beunruhigend nah an düsteren Thrillern wie Sieben. Nur läßt sich Komm, süßer Tod vom
Pessimismus leichter ablenken, schwatzt lieber über Rindszungen oder Spenderleber »mit schorfem Senf und Pfefferoni«, und endet versöhnlich auf dem Donauinselfest mit einem Blow-Job für den lethargischen Detektiv – als »Belohnung«. Ein wirkliches Vorgehen wäre da sicher ganz falsch gewesen.
Wolf Haas:
»Wie die Tiere« – rororo – 224 Seiten, gebunden, DM 34.90
»Komm, süßer Tod« – rororo – 224 Seiten, DM 14.90