USA 2019 · 134 min. · FSK: ab 0 Regie: Adele Schmidt, José Zegarra Holder Drehbuch: Adele Schmidt, José Zegarra Holder Kamera: Adele Schmidt, José Zegarra Holder Schnitt: Adele Schmidt |
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Wer Can, der can | ||
(Foto: Film Kino Text) |
»Was ist Krautrock?«, fragt Dirk Bittner, Sänger und Gitarrist der in den 1990ern gegründeten Aachener Psychedelic-Band »Electric Orange« im ersten Teil der Mammutdokumentation Krautrock von Adele Schmidt und José Zegarra Holder. Dass er die Frage dann selbst beantwortet, rechtfertigt er wahrscheinlich damit, dass er sich und seine Band selbst diesem Musikgenre zuordnet. Und das Regieduo, das sich dem Genre mit einer Aneinanderreihung von Bandporträts nähert, scheint ihnen die Zugehörigkeit zu glauben. Anders wäre nämlich nicht einzusehen, warum Bittner überhaupt zu Wort kommt. Besonders aufschlussreich ist seine Antwort nämlich nicht. »Kraut« stünde demnach für »deutsch«, weswegen »Krautrock« nur von Deutschen gespielt würde. Damit ist allerdings nicht geklärt, warum niemand beim Begriff Krautrock an deutsche Legenden wie Nena, Westernhagen oder Truck Stop denkt.
Stattdessen fallen einem wie auch dem Film so unterschiedliche Bands ein wie Kraftwerk, Can oder Faust. Zählt man dazu noch die im Film erwähnten Mitstreiter Amon Düül und Embryo, die aber erst in einem weiteren Teil der Krautrock-Saga vorgestellt werden, fällt auf: Ein übertriebener Drogenkonsum allein rechtfertigt nicht, dass hier unterschiedliche Musikstile wie Elektronik, Weltmusik, Rockmusik und experimentelle Klangspiele unter ein Label gestellt werden. Was aber macht sie dann zu Krautrock?
Leider liefert der Film selbst auch keine Antworten. Die darin immer wieder behauptete Experimentierlust jenseits des Mainstreams könnte schließlich auch in Dokumentationen über Pink Floyd, King Crimson oder Frank Zappa gebetsmühlenartig herbeizitiert werden.
Entsprechend erfreut hier die Aneinanderreihung von Bandporträts vor allem die, denen egal ist, was Krautrock ist. Hauptsache, er klingt gut und kann zudem die deutsche Nachkriegsidentität kulturell aufwerten. Viele der Krautrocker fanden vor allem im Ausland große Anerkennung. Aber selbst dieses Phänomen scheint den Filmemachern keine Analyse wert. Stattdessen lassen sie alte Männer davon schwärmen, wie wild sie mal waren. Und wenn das Bildmaterial zu den erzählten Geschichten fehlt, lockern sie zum Beispiel den Bericht des Kraftwerk-Drummers mit dem eingeblendeten Foto einer Limonade auf, als die Rede davon ist, welches Getränk jemand bevorzugt trank. Oder es ist ein Hundert-D-Mark-Schein zu sehen, wenn von einer 300-D-Mark hohen Gage berichtet wird. Immerhin gibt es dann auch kurz den Fernseh-Auftritt zu sehen, für die der Kraftwerk-Drummer jene Gage erhielt. Wer den Kraftwerk-Auftritt in der TV-Sendung »Aspekte« indes ganz sehen mag, wird allerdings auf YouTube besser bedient. Denn auch wenn der Film Längen hat, für die wirklich spannenden Momente will man sie dann doch nicht verwenden. Etwa für noch mehr alte Konzertausschnitte, an welche man sich dann wenigstens nostalgisch erfreuen könnte. Allerdings gibt es derlei Dokumente wie gesagt ohnehin zur Genüge auf YouTube zu sehen.
Dass der Film dann aber noch nicht einmal der Frage nachgeht, warum Krautrock noch heute Musiker inspiriert, ist umso verwunderlicher, als darin sogar junge Bands vorkommen. Darunter auch das US-amerikanische Duo WUME, das immerhin noch die eingangs unterstellte Grundvoraussetzung des Deutsch-Seins für einen Krautrocker hinterfragt. Vielleicht sollte man aber erst die anderen Teile abwarten, um dann aus dem jahrelang zusammengetragenen Material nebst Interviews einen wirklich spannenden und aufklärenden Film über Krautrock zu schneiden.