GB/USA 2017 · 116 min. · FSK: ab 12 Regie: Gilles Paquet-Brenner Drehbuch: Julian Fellowes, Tim Rose Price Kamera: Sebastian Winterø Darsteller: Max Irons, Stefanie Martini, Glenn Close, Honor Kneafsey, Christina Hendricks u.a. |
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Hier laufen krumme Dinger |
Nur wenige Autoren erfreuen sich so zahlreicher Verfilmungen ihrer Werke wie die englische Krimi-Königin Agatha Christie. Doch dabei ist nicht alles Gold, was glänzt. Sidney Lumets Adaption von Mord im Orient-Express von 1974 wirkte bereits zu seiner Entstehungszeit angestaubt, vermochte aufgrund des hervorragenden Schauspielensembles trotzdem zu überzeugen. Dahingegen scheiterte Kenneth Branaghs letztjährige Neuverfilmung von Mord im Orient Express auf ganzer Linie. Zwar sorgte ein üppiges Budget für ein entsprechend aufwendiges Dekor. Doch der Charme des Originals geht dem Remake komplett ab.
Deutlich interessanter ist die nun bei uns ins Kino kommende Verfilmung von Agatha Christies 39. Krimi »The Crooked House« von 1949. Das Buch zählte die Autorin innerhalb ihres umfangreichen Werks zu einem ihrer zwei persönlichen Favoriten. Umso überraschender mutet deshalb die Tatsache an, dass ausgerechnet dieser Lieblingsroman der Autorin erst jetzt in Form von Gilles Paquet-Brenners Das krumme Haus erstmalig verfilmt wurde. Dies erklärt sich jedoch aufgrund der Natur der Geschichte.
Bei dieser handelt es sich zwar um einen typischen Agatha-Christie-Stoff. Doch das überraschend garstige Finale war zur biederen Entstehungszeit des Romans völlig indiskutabel. Allerdings kommt die Verfilmung wiederum fast zu spät. Denn heute wirkt der Film sehr bieder. Aber im Gegensatz zu Kenneth Branaghs überflüssiger Neuverfilmung bietet Das krumme Haus dem Krimifreund immerhin solide Unterhaltung.
Die Handlung des Films spielt im England der späten 1950er Jahre. Der Privatdetektiv Charles Hayward (Max Irons) wird mit der Aufklärung eines wahrscheinlichen Mordfalls beauftragt. Alles deutet darauf hin, dass der vermögende griechische Familienpatriarch Aristide Leonides (Gino Picciano) nicht eines natürlichen Todes starb. Hayward will den Fall zunächst ablehnen. Denn die Auftraggeberin Sophia (Stefanie Martini) ist nicht nur die Enkelin des Verstorbenen, sondern daneben die ehemalige Verlobte des Privatdetektivs. Als Hayward sich schließlich doch zur Übernahme des Falls überreden lässt, trifft er in dem schlossartigen Anwesen »Three Gables« auf die Mitglieder dreier Generationen der Leonides-Familie, von denen jede einzelne Person ein Motiv für den Mord gehabt hätte.
»Three Gables« beinhaltet eine Vielzahl prunkvoller Räume und verwinkelter Gänge. Doch »krumm« sind nicht die Wände des altehrwürdigen Gemäuers, sondern die Charaktere der missgünstigen Bewohner. Der Originaltitel »The Crooked House« wäre deshalb eher mit »Das korrupte Haus« zu übersetzen gewesen. Zugleich entspricht diese fehlinterpretierte inhaltliche Verschiebung von den Personen hin zum Gebäude dem tatsächlichen Fokus von Paquet-Brenners Inszenierung.
Der Franzose beweist großes Geschick darin, die Räumlichkeiten zu Spiegeln der Charaktere der jeweiligen Bewohner zu erheben. Dies bezieht sich nicht nur auf die perfekt auf die einzelnen Personen zugeschnittene Einrichtung, sondern insbesondere auch auf die unterschiedlichen, die jeweilige Gefühlsatmosphäre spiegelnden und überhöhenden Lichtstimmungen. Leider geht dieses inszenatorische Feingefühl der Darstellung der verschiedenen »krummen« Figuren gänzlich ab. Diese wirken in ihrer Eindimensionalität und ihrer plakativen Übersteigertheit fast wie Karikaturen der von böser und zugleich feiner britischer Ironie geprägten typischen Agatha-Christie-Charaktere.
Aus diesem Grund schrammt Das krumme Haus insbesondere zu Beginn hart am Rande einer Farce entlang. Das erschwert dem Zuschauer deutlich den Einstieg in die Geschichte. Das Blatt beginnt sich erst zu wenden, als immer neue Ent- und Verwicklungen ein immer kräftigeres Anziehen der Spannungsschraube bewirken. Und am Schluss entschädigt die angenehm böse Auflösung für eine insgesamt sehr konventionelle und wenig inspirierte Verfilmung eines guten Agatha-Christie-Stoffs, aus dem jedoch noch wesentlich mehr herauszuholen gewesen wäre.