Krieg in Chinatown

China Girl

USA 1987 · 91 min. · FSK: ab 16
Regie: Abel Ferrara
Drehbuch:
Kamera: Bojan Bazelli
Darsteller: James Russo, Richard Panebianco, Sari Chang, David Caruso, Russell Wong u.a.
Filmszene »Krieg in Chinatown«
Halt mich fest
(Foto: e-bay)

Romeo und Julia in Manhattan

Abel Ferrara revisited: Krieg in Chinatown

Krieg in Chinatown beginnt damit, dass ein Laden­lokal in Little Italy von Chinesen über­nommen wird, die dort ein Restau­rant eröffnen. Kritisch werden sie von den italie­nischs­täm­migen Bewohnern des Viertels dabei beäugt, wie sie den alten Schriftzug von der Fens­ter­scheibe abkratzen und ein neues Schild aufhängen.

Die nächste Szene zeigt einen ethnisch gemischten Klub, in dem zu bläu­li­chem Licht hoch­en­er­ge­tisch getanzt wird. Der italie­ni­sche Pizzabä­cker Tony (Richard Pane­bi­anco) tanzt in weißem Unterhemd die schöne Chinesin Tye (Sari Chang) an. Die beiden tanzen wild mitein­ander. Doch plötzlich treten alle anderen zurück und Tyes Cousin Tsu Chin (Joey Chin) reißt Tye an sich. Dann jagt Tsu Chin Tony zusammen mit einigen Gang­mit­glie­dern durch enge dunkle Gassen und über hohe Zäune. Tony hastet über die neon-funkelnden Straßen von Chinatown und überquert die Canal Street. Dann schöpft er, in Little Italy ange­kommen, Atem. Doch seine Verfolger nehmen die Jagd wieder auf. Als die Chinesen ihn vor einem verschlos­senen Verschlag stellen, kommen Tony seine Freunde zu Hilfe. Es kommt zu einer wüsten Schlä­gerei mit Schlags­tö­cken, Ketten und Fäusten, die sich erst auflöst, als die Polizei auf der Bild­fläche erscheint.

In diesem action­ge­la­denen Auftakt von Krieg in Chinatown verdichtet sich vieles, was auch das spätere Geschehen auszeichnen wird. Der Film ist zu gleichen Teilen ein Liebes­drama, das auf den Spuren von »Romeo und Julia« wandert, wie ein Crime-Drama, in dem sich die Welten aus Martin Scorseses Mean Streets (1973) und Michael Ciminos Year of the Dragon (1985) mitein­ander vermengen. Gezeigt wird der Konflikt zwischen chine­si­schen und italie­ni­schen Gangs, die sich einen Macht­kampf liefern. Dabei wirkt die Eröffnung des chine­si­schen Restau­rants in Little Italy als auslö­sendes Moment. Tony und Tye geraten zwischen die verfein­deten Linien. Insbe­son­dere Tyes Bruder Yung (Russell Wong) versucht seiner Schwester klar­zu­ma­chen, dass sie als Chinesin der Tradition folgen sollte. Auch Tonys älterer Bruder Alby (James Russo) ist von der Liaison alles andere als begeis­tert.

Die Konflikt­li­nien verlaufen jedoch nicht nur zwischen den beiden Ethnien, sondern auch zwischen den verschie­denen Genera­tionen. Während die älteren Mafiosi auf beiden Seiten jeden Krieg vermeiden wollen, weil dieser schlecht für das Geschäft ist, liefern sich die Gangs von Tsu Chin und Mercury (David Caruso) erbit­terte Straßen­schlachten, bei denen es bald nicht nur mit Fäusten, sondern auch mit Schuss­waffen zur Sache geht. Die Gang von Tsu Chin sorgt zudem mit Schutz­geld­erpres­sungen auch innerhalb der chine­si­schen Gemeinde für Unfrieden. Und als in dem neu eröff­neten chine­si­schen Restau­rant eine Bombe hochgeht, sind es die Jungs von Mercury, die den Chinesen zu Hilfe eilen. Wie üblich bei Ferrara geht es somit auch in Krieg in Chinatown äußerst ambi­va­lent zu. Das Problem sind nicht die Ethnien, sondern bestimmte Charak­tere.

Insze­na­to­risch schließt Ferrara mit Krieg in Chinatown an die Neon-Ästhetik von Fear City (1984) an. Der Film ist jedoch weniger bunt, sondern noch stärker in Richtung auf ein düsteres nächt­li­ches Ambiente stili­siert. Dabei wirken die hoch­en­er­ge­ti­schen Tanz- und Kampf­szenen teilweise wie eine drecki­gere Version der Videoclip-Ästhetik von Regis­seuren wie Tony Scott (The Hunger, 1983), Alan Parker (Angel Heart, 1987) und Adrian Lyne (Jacob’s Ladder – In der Gewalt des Jenseits, 1990). Ferrara ist jedoch weit weniger glatt. Seine vor Ort gedrehten Sequenzen verzichten auf jeden Weich­zeichner und wirken mehr geerdet. Seine blau-schwarze Ästhetik verweist zudem bereits auf King of New York (1990). Aller­dings ist Krieg in Chinatown weit weniger ausge­reift als dieses spätere Meis­ter­werk.

Krieg in Chinatown ist roman­tisch. Mit großer Zärt­lich­keit kommen Tony und Tye in einer leeren Wohnung erstmalig zur Sache. Krieg in Chinatown ist auch brutal. Da wird schon einmal ein wuchtiges Messer so durch einen Rücken gejagt, dass es zum Bauch wieder heraus­kommt. Krieg in Chinatown hat ruhige Momente und ist zugleich zutiefst ener­gie­ge­laden. Krieg in Chinatown ist ein äußerst sehens­werter Film.