Frankreich 2023 · 75 min. Regie: Françoise Ferraton Drehbuch: Françoise Ferraton Kamera: Eric Marcheux Ton: François Waledisch |
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Einsam in der Landschaft, dazu Gedanken | ||
(Foto: Filmfest München · Françoise Ferraton) |
Eine ruhige Aufnahme mit Fischern auf einem indischen Fluss wecken zu Beginn die Hoffnung auf ein Werk des Direct Cinema. Stattdessen informiert der Untertitel, dass nun aus einem Tagebuch gelesen wird. Darin erzählt der indische Philosoph Jiddu Krishnamurti über eine Gruppe Fischer an einem Fluss. Diese Verklammerung von Zitaten des Off-Sprechers mit Naturaufnahmen macht den Großteil des Films aus.
Nach der einleitenden Passage geht der Film über in ein Biopic, ausgehend von Krishnamurtis Kindheit. Hier schleicht sich einen Propheten-Narrativ ein: Bereits als Kind soll er in den Tag geträumt haben, was von seiner Mutter als große Begabung erkannt wurde. Diese Betrachtung ist geradezu erfrischend im Vergleich zur leistungsorientierten Kindheit anderer Persönlichkeiten. Doch zugleich ist die Begebenheit irreal, was noch verstärkt wird, als der Junge von der esoterischen Theosophischen Bewegung in Bengalen aufgenommen wird. Die Leiterin soll in ihm eine besondere »Aura« gespürt haben.
Diese Phase des Films wirkt aufgrund der fehlenden Distanz auch verstörend. Die Regisseurin trägt das anfängliche Narrativ unbeeindruckt weiter: So werden eben Propheten geboren. Das weitere Leben wird bruchstückhaft in die Lehren eingestreut: Erziehung in England, Umzug in die USA, Tod des Bruders, Beginn der spirituellen Karriere und Tod. Für einen religiösen Führer bemerkenswert, will Krishnamurti keine Jünger um sich sammeln oder eine Institution gründen. Im Abspann wird dies durch die vielen Organisationen, die seinen Namen tragen, ungewollt ironisch konterkariert.
Regisseurin Françoise Ferraton bringt mit Krishnamurti nach einer bewegten Schauspielkarriere ihren ersten Langfilm ins Kino. Zuvor hatte sie nur einen Kurzfilm (1986) produziert. Bei der Weltpremiere äußerte sie, dass sie durch ein Buch über Krishnamurti zum Film inspiriert wurde. Als Autorenfilmerin hat sie natürlich auch Buch und Produktion übernommen.
Doch der Großteil des Films befasst sich nicht mit dem Leben, sondern der Lehre Krishnamurti. Pointiert liest der Sprecher auf Französisch aus den Memoiren des Philosophen. Dies wird für den Fortgang über mehrere Minuten ausgewalzt, ohne dass erkennbar wird, was der Zusammenhang ist. Den restlichen Film über sieht und hört man Krishnamurti, der seine buddhistische Lehre ausbreitet. Was ihn von anderen Schulen unterscheidet, bleibt unklar.
Die beschriebenen Naturaufnahmen mit nur wenigen Menschen sollen eine bildliche Allegorie zu den abstrakten philosophischen Konzepten sein. Allerdings ist die Verknüpfung zwischen den Frauen auf dem Feld und dem Mitgefühl gegenüber Mitmenschen schwach. Auch das buddhistische Freisein von Gedanken mit einem Klavierspieler passt nicht zusammen. Um die Assoziation beim Zuschauer zu erhöhen, wären Animationen viel besser geeignet. Ermöglichen sie doch bereits Geschehenes zu zeigen, ohne den Eindruck des Nachspielens zu erzeugen. Eine solche Verfremdung hätte dem Film gut getan, der trotz seiner hochfliegenden Inhalte doch allzu gewöhnlich bleibt.
Die kurzen Pausen in der Narration laden dazu ein, die Augen zu schließen und selbst über das Leben zu grübeln. Nur wird man vom Erzähler so sehr zugeschüttet, dass keine Möglichkeit zur Reflexion bleibt. Hier hätte man sich ähnlich mehr Stille gewünscht – was der Film im Untertitel versprochen hatte. Das wäre eine wahre Revolution.