Krishnamurti

Krishnamurti, la révolution du silence

Frankreich 2023 · 75 min.
Regie: Françoise Ferraton
Drehbuch:
Kamera: Eric Marcheux
Ton: François Waledisch
Filmszene »Krishnamurti«
Einsam in der Landschaft, dazu Gedanken
(Foto: Filmfest München · Françoise Ferraton)
41. Filmfest München 2024

Langeweile der Stille

Die französische Regisseurin Françoise Ferraton erweckt in Krishnamurti den titelgebenden Guru zum Leben. In langen Einstellungen ziehen seine vorgelesenen Lehren vor schönen Landschaften vorbei

Eine ruhige Aufnahme mit Fischern auf einem indischen Fluss wecken zu Beginn die Hoffnung auf ein Werk des Direct Cinema. Statt­dessen infor­miert der Unter­titel, dass nun aus einem Tagebuch gelesen wird. Darin erzählt der indische Philosoph Jiddu Krish­na­murti über eine Gruppe Fischer an einem Fluss. Diese Verklam­me­rung von Zitaten des Off-Sprechers mit Natur­auf­nahmen macht den Großteil des Films aus.

Nach der einlei­tenden Passage geht der Film über in ein Biopic, ausgehend von Krish­na­murtis Kindheit. Hier schleicht sich einen Propheten-Narrativ ein: Bereits als Kind soll er in den Tag geträumt haben, was von seiner Mutter als große Begabung erkannt wurde. Diese Betrach­tung ist geradezu erfri­schend im Vergleich zur leis­tungs­ori­en­tierten Kindheit anderer Persön­lich­keiten. Doch zugleich ist die Bege­ben­heit irreal, was noch verstärkt wird, als der Junge von der esote­ri­schen Theo­so­phi­schen Bewegung in Bengalen aufge­nommen wird. Die Leiterin soll in ihm eine besondere »Aura« gespürt haben.

Diese Phase des Films wirkt aufgrund der fehlenden Distanz auch vers­tö­rend. Die Regis­seurin trägt das anfäng­liche Narrativ unbe­ein­druckt weiter: So werden eben Propheten geboren. Das weitere Leben wird bruch­s­tück­haft in die Lehren einge­streut: Erziehung in England, Umzug in die USA, Tod des Bruders, Beginn der spiri­tu­ellen Karriere und Tod. Für einen reli­giösen Führer bemer­kens­wert, will Krish­na­murti keine Jünger um sich sammeln oder eine Insti­tu­tion gründen. Im Abspann wird dies durch die vielen Orga­ni­sa­tionen, die seinen Namen tragen, ungewollt ironisch konter­ka­riert.

Regis­seurin Françoise Ferraton bringt mit Krish­na­murti nach einer bewegten Schau­spiel­kar­riere ihren ersten Langfilm ins Kino. Zuvor hatte sie nur einen Kurzfilm (1986) produ­ziert. Bei der Welt­pre­miere äußerte sie, dass sie durch ein Buch über Krish­na­murti zum Film inspi­riert wurde. Als Autoren­fil­merin hat sie natürlich auch Buch und Produk­tion über­nommen.

Doch der Großteil des Films befasst sich nicht mit dem Leben, sondern der Lehre Krish­na­murti. Pointiert liest der Sprecher auf Fran­zö­sisch aus den Memoiren des Philo­so­phen. Dies wird für den Fortgang über mehrere Minuten ausge­walzt, ohne dass erkennbar wird, was der Zusam­men­hang ist. Den rest­li­chen Film über sieht und hört man Krish­na­murti, der seine buddhis­ti­sche Lehre ausbreitet. Was ihn von anderen Schulen unter­scheidet, bleibt unklar.

Die beschrie­benen Natur­auf­nahmen mit nur wenigen Menschen sollen eine bildliche Allegorie zu den abstrakten philo­so­phi­schen Konzepten sein. Aller­dings ist die Verknüp­fung zwischen den Frauen auf dem Feld und dem Mitgefühl gegenüber Mitmen­schen schwach. Auch das buddhis­ti­sche Freisein von Gedanken mit einem Klavier­spieler passt nicht zusammen. Um die Asso­zia­tion beim Zuschauer zu erhöhen, wären Anima­tionen viel besser geeignet. Ermög­li­chen sie doch bereits Gesche­henes zu zeigen, ohne den Eindruck des Nach­spie­lens zu erzeugen. Eine solche Verfrem­dung hätte dem Film gut getan, der trotz seiner hoch­flie­genden Inhalte doch allzu gewöhn­lich bleibt.

Die kurzen Pausen in der Narration laden dazu ein, die Augen zu schließen und selbst über das Leben zu grübeln. Nur wird man vom Erzähler so sehr zuge­schüttet, dass keine Möglich­keit zur Reflexion bleibt. Hier hätte man sich ähnlich mehr Stille gewünscht – was der Film im Unter­titel verspro­chen hatte. Das wäre eine wahre Revo­lu­tion.