Belgien/L/F 2018 · 118 min. · FSK: ab 12 Regie: Thomas Vinterberg Drehbuch: Robert Rodat Kamera: Anthony Dod Mantle Darsteller: Matthias Schoenaerts, Léa Seydoux, Peter Simonischek, August Diehl, Colin Firth u.a. |
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Geschmack des Unauthentischen |
Eine Reise in den Tod. Jeder, der alt genug war, erinnert sich an die Tragödie des russischen Atom-U-Boots »Kursk« am 12. August 2000. Um Spannung in diesem Sinn geht es also nicht – wir wissen, dass die »Kursk« untergehen wird, und dass es im Gegensatz zu der weltberühmten Katastrophe der »Titanic« am Ende keinen einzigen Überlebenden geben wird. Die Frage, wer es wohl schaffen könnte, ist also auch nicht das Thema des Films.
Viel mehr interessiert den Dänen Thomas Vinterberg in seinem neuen Film das Tableau der Todgeweihten, ihrer Angehörigen und Umgebung, zu einem Gesellschaftsdrama zu erhöhen, in dem die kleinen Geschichten und die kleinen Figuren im Vorschein des kommenden Untergangs strahlen.
Dazu wurden Weltstars des europäischen Kinos verpflichtet: Léa Seydoux, Colin Firth, Peter Simonischek, August Diehl, Matthias Schoenaerts, Max von Sydow. Mit ihnen und mit Hilfe einer umfangreichen Rahmenhandlung bemüht sich Kursk forciert darum, U-Boot und Unglück zu verlassen, Unterhaltungskino zu sein, und lässt dafür Echtheit, historische Genauigkeit oder die traurige Chronik eines angekündigten Todes immer wo es nötig ist, auf der Strecke.
Die interessanteren Punkte des Films sind daher andere: Was treibt der Regisseur mit dem eigentlich antifilmischen Genre des »U-Boot-Films«? Und wie zum Teufel hat sich Thomas Vinterbergs Karriere von der Goldenen Palme für das »Das Fest« 1998 zu bestenfalls mittelmäßigem Hollywood-Kino entwickelt?
Seine Anfänge in der dänischen »Dogma 95«-Bewegung hat Vinterberg längst hinter sich gelassen. Sie brachten dem Regisseur zwar viel künstlerischen Ruhm ein, und eine Goldene Palme in Cannes für Das Fest 1998 – doch seitdem zieht es der Regisseur offenbar vor, mit mittelmäßigen Mainstream-Filmen viel Geld zu verdienen. Oder mit einem, auch aus Amerika mitfinanzierten typischen »Euro-Pudding« wie diesem. Die Hauptdarsteller kommen je einmal aus Belgien, Frankreich, Deutschland, Österreich, England, aber nur einer aus Schweden und kein Einziger aus Russland. Das muss auch unbedingt nicht sein, aber es gibt dem Film schon früh den Geschmack des Unauthentischen.
Dass der Komponist Alexandre Desplat sein routiniertes, immer etwas zu kitschiges, märchenhaft säuselndes Soundtrack-Geplätscher beisteuert, hilft dem Film auch nicht.
Grundlage von Kursk ist das Sachbuch »A Time to Die« (»Zeit zu sterben«) von Robert Moore. Wie Moore beschreibt auch Vinterberg, wie bei einer Übung eine Explosion das Schiff schwer beschädigt, und 95 Menschen sofort tötet, wie 23 Seeleute überlebten und sich in einen halbwegs sicheren Teil des Wracks flüchten, auf Rettung warten, während ihnen langsam die Luft ausgeht.
Um die Dramatik zu steigern, erzählt der Film das Geschehen aus drei Perspektiven – und kann doch das Korsett der Konvention nicht sprengen: Kapitänleutnant Mikhail Averin (Schoenaerts), der Held im Boot, kämpft ums Überleben – aber wir wissen, dass er trotz aller Heldentaten in ein paar Stunden im Hades schlummert.
Tanya, die Ehefrau an Land (Seydoux), erlebt die bekannten Stadien der Ungewissheit, des hartnäckigen Nachfragens bei sturen Behörden, dann die
Gewissheit, sie kämpft darum, dass die Regierung ihre steinerne Lähmung überwindet – aber wir wissen: Morgen wird sie Witwe sein.
Und der russische Admiral Gruzinsky (Peter Simonischek) kämpft dafür, nationalen Stolz und Angst vor Spionage zu überwinden, und die Hilfe des britischen NATO-Commodore David Russell (Colin Firth) anzunehmen – aber wir wissen: Nationalstolz und Ignoranz siegen über Humanität.
Gegen Ende wohnen wir dem voraussehbaren Ende des Überlebenskampfs der Besatzung bei – wer gern Filme über russische Katastrophen sieht, dem muss man daher dringend die HBO-Miniserie Chernobyl ans Herz legen: Jede Folge davon atmet mehr Tragödie, Schweiß, Heroismus und postsowjetische Nostalgie, als Kursk.