Frankreich/B/GB 2011 · 92 min. · FSK: ab 0 Regie: Julie Gavras Drehbuch: Julie Gavras, Olivier Dazat Kamera: Nathalie Durand Darsteller: William Hurt, Isabella Rossellini, Doreen Mantle, Kate Ashfield, Aidan McArdle u.a. |
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Von allem nur ein bisschen |
Late Bloomers ist langweilig. Das ist erstaunlich. Denn: Alle lieben Isabella Rossellini. Und alle lieben William Hurt. Der Film von Julie Gavras (auch für das Drehbuch verantwortlich) ist auch ganz auf seine beiden Stars zugeschnitten und zeigt sie gern in Großaufnahmen. Er bemüht sich realistisch (Frauen bekommen Falten, Männer eine Glatze), ein bisschen weise (Wir werden alle nicht jünger) und locker-witzig (Filmzitat: „Altwerden ist nichts für
Weicheier.“) zu sein. Er bestückt die Handlung mit den allseits beliebten besten Freunden (Simon Callow, Joanna Lumley), der exzentrischen Mutter und den genervt-besorgten Kindern. Was also geht schief?
Während ihr Stararchitekt-Ehemann Adam (William Hurt) gerade eine Auszeichnung für sein Lebenswerk bekommt, entdeckt Mary (Isabella Rossellini) bei sich Gedächtnislücken, die sie beunruhigen und zu hektischer Betriebsamkeit verleiten. Offensiv und übermotiviert geht
sie das Thema Altwerden an, kauft ein Telefon mit Großtasten, eine Halterung für die Badewanne und geht zum Aqua-Aerobic. Zum Problem wird, dass Adam für sich keinen Grund sieht, sein Leben zu ändern, sondern im Gegenteil noch einmal aufs Gaspedal tritt und mit jungen Kollegen in Überstunden ein Wettbewerbsprojekt in Angriff nimmt. Als Marys Versuche, ihren Mann gewaltsam auf ihre Linie zu bringen, scheitern, gehen beide auf Distanz, sie entfremden sich, suchen andernorts Bestätigung
(Fitnessstudioinhaber, junge Architektin, Lederjacke).
Was zunächst eher vergnüglich und ironisch erzählt wird, wird zunehmend ernst und entwickelt sich zum Trennungsdrama. Leider kann sich der Film nicht entscheiden, welchen Ton er anschlagen will und so ist er von allem ein bisschen, aber eben nur ein bisschen. William Hurt führt seinen bekannten überrascht-fragenden Blick mit verrenktem Hals vor, Isabella Rossellini zeigt Halsfalten und auch mal Temperament: Das ist zu
wenig. Beide berühren nicht, bleiben einem seltsam egal. Denn das eigentliche Drama, nämlich das Auseinanderdriften einer Ehe, in der ein Partner zufrieden und beruflich ausgefüllt und der andere plötzlich ohne Sinn und Beschäftigung ist und um seine Attraktivität bangt, wird nur leicht gestreift. Die Verzweiflung Marys wird nicht erzählt und nur andeutungsweise gezeigt. Es ist auch nicht ganz nachvollziehbar, warum sich die beiden so auseinander entwickeln, denn am Anfang wird
die Ehe durchaus lebendig dargestellt, mit Intimität, Sex und gemeinsamem Humor. Irgendwann herrscht aber nur noch das große Schweigen. Für die Annäherung der beiden muss dann – deus ex machina – ein kaputter Fahrstuhl her. Auch zum Kino-Mode-Thema Alter liefert der Film keinen überzeugenden Beitrag, weil zu viel Klischee und zu wenig Leben gezeigt wird. Statt erhellender Dialoge gibt es zahlreiche eher belanglose Szenen mit den Kindern von Adam und Mary, die ihre Eltern
wieder zusammenbringen wollen, mit den Freunden, die im Film kaum Raum für eine eigene Kontur bekommen. Einzig die Mutter Marys (Doreen Mantle) gewinnt in ihren Szenen Profil und lebt ein selbstbewusstes und markantes Leben im Alter vor. Mit ihren fidelen Freunden besucht sie u. a. Gerichtsanhörungen, wobei dann Wetten auf den Ausgang der Verhandlung abgeschlossen werden.
Natürlich ist der Film nicht wirklich langweilig. Manche werden ihn sogar charmant finden, was wohl auch die
Absicht von Julie Gavras, der Tochter des großen Constantin Costa-Gavras, war. Er ist gediegen gefilmt, die Musik ist stilvoll, es gibt ein paar lustige Dinge (zum Beispiel wenn Adam in einem Altenheim für ein Bewohner gehalten wird) und natürlich ist es schön, zwei alte Stars wiederzusehen, die zur eigenen Kinobiographie gehören und die alte Filme aufblitzen lassen, in denen beide mal mehr gewagt haben (Blue Velvet, Der Kuß der Spinnenfrau).