Deutschland 2001 · 93 min. · FSK: ab 16 Regie: Christian Zübert Drehbuch: Christian Zübert Kamera: Sonja Rom Darsteller: Lucas Gregorowicz, Moritz Bleibtreu, Marie Zielcke, Alexandra Schalaudek, Elmar Wepper u.a. |
||
Kifferparadies Deutschland |
Mehr als im Kino anderer Länder dominieren im neuesten deutschen Film die Moden. War es Mitte der 90er die Welle jener unsäglichen Beziehungskomödien, folgten dann die »Berlin-Filme« in denen wild und clipartig ein nächtlicher Großstadtdschungel mehr behauptet als inszeniert wurde. Danach, so um 1999, konnte man darauf wetten, dass zumindest in jedem zweiten Film eine Knarre vorkam und ein Koffer, der wahlweise mit Geld oder mit Koks gefüllt war – Utopie made in Germany; vom nach wie vor grassierenden Hang zu englischen Titeln einmal ganz abgesehen.
Christian Züberts Kinodebüt Lammbock ist nun der vorläufige Höhepunkt der allerneuesten deutschen Kinomode: des Kifferfilms. Wahrscheinlich war vor zwei Jahren Bang Boom Bang der Anfang, zusammen mit einigen Kurzfilmen von Filmhochschülern, danach sah man dann plötzlich an jeder Leinwandecke ein paar Typen ihre Joints drehen, über Qualitätsvarianten von Cannabis diskutieren, und mehr oder weniger breit und gutgelaunt durch den Film torkeln. Ob in eher geglückten Filmen wie Hans Christian Schmids Crazy, in kleinen Katastrophen wie Matthias Lehmanns Doppelpack, ob in Schule von Marco Schmidt oder jetzt in Simon Verhoevens unsäglichem 100 Pro der noch in die Kinos kommt – über 30 Jahre nach Woodstock wird Hasch plötzlich in Deutschland zur universalen Metapher für Lässigkeit und Coolness, für die sozial gerade noch kompatible Überschreitung, ganz im Unterschied zu den auch neuerdings auftauchenden Filmen über Techno-Drogen und Heroin.
Nicht nur in Lammbock sind diese kiffenden Helden dabei meistens männlich und der Jugend frisch oder noch gar nicht entwachsen – wie ihre Regisseure. Und hier liegt schon ein wesentlicher Unterschied etwa zu The Big Lebowski der Gebrüder Coen, als dessen Spätfolge man, wenn man sehr wohlwollend ist, diese ganze Kiffer-Welle ansehen kann: Da ging es nicht um heimliche Selbstportraits sondern bei allem Witz auch ganz ernsthaft um einen alternden Single aus der Hippiegeneration, um die geistige Lage des heutigen Amerika.
Das Ringen um Bedeutung ist auch in Lammbock unübersehbar. Lucas Gregorowicz und Moritz Bleibtreu spielen Stefan und Kai, die beiden Hauptfiguren, die zugleich als Generationsvertreter der Mitzwanziger und einer Art deutscher Slacker herhalten müssen. In Würzburg verbringen sie ihr Leben mit Partys, Saufen und vor allem dem Kiffen von selbstangebautem Haschisch. Da beide fast immer als Paar auftreten, muss man ihnen auch fortwährend beim Quasseln
zuhören, meist über irgendwelche Belanglosigkeiten, ab und zu bedeutungsschwer übers Erwachsenwerden, einmal auch darüber, unter welchen Umständen die FC Bayern-Fans Lust hätten, »den Schwanz von Mehmet Scholl zu lutschen.«
Finanziert wird das schöne Leben durch den Eigenanbau, den die beiden über den Pizzaservice »Lammbock« vertreiben, der die bestellten Dope-Brösel unter einer Salamischeibe befördert. Für zusätzliche Dramatik sorgt dabei ein Undercover-Polizist, der sich
mit Kai und Stefan im Glauben anfreundet, einem großen Drogenring auf der Spur zu sein.
Wovon Lammbock letztlich handelt, ist deswegen schwer zu sagen, weil hier alle möglichen Themen angeteased werden, ohne das man je das Gefühl hat, dem Regisseur gehe es um mehr als um das Portrait seiner beiden Helden – und das wäre mit einem 15minütigen Kurzfilm auch getan gewesen. So ruht alles auf den beiden Hauptdarstellern. Gegen Gregorowicz' soliden Auftritt ist dabei wenig einzuwenden, mehr schon gegen Moritz Bleibtreu. Einmal mehr sieht man ihn als Zitat seiner selbst, in der immergleichen Rolle des zu viel und zu schnell quasselnden Manni aus Lola rennt, dem etwas der Überblick fehlt, aber auf liebenswerte Weise. Kann er nichts anderes, oder will er nicht? Lang wird es jedenfalls nicht mehr dauern, und auch der letzte hat sich daran sattgesehen.
Macht Züberts Story darüber hinaus doch einmal Ernst, wird es richtig peinlich. Es gibt da nämlich noch Stefans Schwester Laura. Zwar zeigt die wieder großartige Marie Zielcke in ihren wenigen Szenen, dass sie weißgott Besseres verdient hat, retten kann sie hier aber nichts: Gleich am Anfang macht Laura einen Aids-Test, auch eine beliebte Bedeutungmetapher, wenn Autoren nichts mehr einfällt. Heimlich ist sie in Kai verliebt, und zweimal macht sie ihm eindeutige Angebote – doch
der will oder kann nicht mit ihr schlafen, warum erfährt man bis zum Ende nicht. Dafür kommt es nach einer wilden Party zum Inzest mit Stefan – aus Versehen, denn der hält völlig besoffen seine schlafende Schwester für seine Exfreundin. Das alles ist schon hanebüchen genug, und taugt derart wenig zum Komödienstoff, dass man den Kopf schüttelt, was wohl Regisseur und Produzenten (Sönke Wortmann und WDR) geritten hat.
Aber schlimmer noch: Nach dieser Nacht wird die Geschichte einfach
nicht weiter erzählt, sondern bleibt für alle Beteiligten absolut folgenlos – nur vielleicht nicht für Laura, die für 40 Minuten aus dem Film verschwindet, um in der allerletzten Szene mit einem Schwangerschaftstest (!) in der Hand durchs Zimmer zu laufen – da sie plötzlich irgendwie doch mit Kai liiert ist, hat der Zuschauer nach Filmende doch noch etwas zum Nachdenken. Und sei es nur über das Frauenbild deutscher Regisseure, oder darüber, ob das viele Kiffen vielleicht
nur dazu dient, auch noch die letzte Dummheit ihrer Stories zu rechtfertigen.