USA 1971 · 108 min. · FSK: ab 12 Regie: Dennis Hopper Drehbuch: Stewart Stern Kamera: Laszlo Kovacs Darsteller: Dennis Hopper, Roy Engel, Julie Adams, Stella Garcia, Samuel Fuller u.a. |
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Emanzipation vom eigenen Werk und gängigen Filmklischees |
„Jetzt hör schon auf mit dieser Filmscheiße.“ – Dennis Hopper als Kansas in The Last Movie
Es ist eines der großen vergessenen Filmprojekte und erinnert in seinem Scheitern und den Folgen für den Regisseur ein wenig an Michael Ciminos Heaven’s Gate (1980). Denn so wie Cimino seinen Deer Hunter (1978) hatte, so hatte Dennis Hopper mit einer Art von vormodernem Crowd Funding (sehr lesenswert zu diesem Thema das Interview mit Kameramann Laszlo Kovacs) Easy Rider (1969) realisiert. Beide Filme waren so erfolgreich, dass die produzierenden Studios den Regisseuren für ihre nächste Arbeit freie Hand ließen. Beide kosteten diese Freiheit in vollen Zügen aus und beide gingen auf ihre jeweils sehr eigenwillige Art an ihre Grenzen. Versuchte Cimino 1980 mit akribischer Detailwut den amerikanischen Traum in seinem historischen Kern anzugreifen, verbiss sich Hopper zehn Jahr zuvor in seinem Last Movie in die Träume der damaligen Gegenwart.
Doch anders als zwei Jahre zuvor in Easy Rider, wo Hopper die Grundfesten amerikanischer Identität mit geballter Emotionalität angeht, war 1971 The Last Movie für Hopper auch ein theoretisches Anliegen, das ihn schon vor Easy Rider beschäftigt hatte und erst durch dessen Erfolg realisiert werden konnte. Schon in den frühen 1960ern hatte Hopper mit Stewart Stern, der Rebel Without a Cause geschrieben hatte, eine erste Drehbuchfassung entworfen, jedoch kein Studio finden können, das eine derartige filmische Reflexion produziert. Aber mit seinem überraschenden Erfolg bei Kritik und Publikum und einer Million Dollar von Universal im Rücken machte sich Hopper mit einer spektakulären Crew (u.a. Peter Fonda, Kris Kristofferson, Dean Stockwell, Samuel Fuller und erneut Laszlo Kovacs hinter der Kamera) 1970 auf nach Peru, um dort unter dem Code-Namen »Chinchero« seinen zweiten Film zu realisieren. Wegen massiver Drogenexzesse gelang es Hopper jedoch nicht, den versprochenen Abgabetermin Ende 1970 einzuhalten, schaffte es aber immerhin, einen ersten Rohschnitt fertigzustellen, der relativ konventionellen Erzählmustern folgte.
Nach einem Treffen mit Alejandro Jodorowsky, der sich über den Film lustig machte und Hopper ermutigte, den Film experimenteller zu gestalten, zerstörte Hopper seine erste Fassung und schnitt bis zum Frühling 1971 jene Fassung zusammen, die wir heute kennen und die den Kritikerpreis von Venedig gewinnen sollte, aber bei Kritik und Publikum derartig floppte, dass Hopper sich für fast zehn Jahre als Regisseur zurückzog und erst 1980 mit Out of the Blue wieder in Erscheinung trat. Vergeblich versuchte Hopper bis zu seinem Tod, seinen eigenen Film zu rehabilitieren und wenigstens eine DVD-Fassung zu produzieren. Doch erst 2018, acht Jahre nach Hoppers Tod, entstand eine 4K-Restauration von Hoppers Film, die jedoch nicht nur als Blu-Ray erscheint, sondern nach einer opulenten Premiere im August 2018 in Sid Graumans Egyptian Theatre nun auch bei uns in Deutschland (in München im Monopol und Werkstattkino) wieder in die Kinos kommt.
Und tatsächlich ist es das lange Warten wert, dieses Stück Filmgeschichte nun endlich wieder sehen und nicht nur darüber lesen zu können. Umso mehr, als Hoppers Film auch ein Gedankenspiel über das ist, was Kino sein kann und was nicht. Seine Ideen webt Hopper erratisch in einen Film-im-Film-Plot ein. Doch auch hier wollte Hopper mehr als selbst in späteren Reflexionen üblich – ich denke da etwa an Wim Wenders' Der Stand der Dinge. Gibt es doch nicht nur einen Film im Film, sondern gleich noch einen zweiten, sehr unkonventionellen Film im Film. Denn nachdem eine klassische Hollywood-Westernproduktion in den Bergen Perus abgeschlossen ist, bleibt der für die Pferde-Stunts zuständige Kansas (Dennis Hopper) in Peru zurück, um mit einer Einheimischen zusammenzuleben, wird aber plötzlich mit einer verstörenden Realität konfrontiert: in Cargo-Cult-artigen Handlungen haben sich die im Umkreis des Western-Filmsets lebenden Peruaner das notwendige technische Instrumentarium mit symbolischen Gerätschaften aus Holz-Gerippen nachgebaut und drehen nun ihren eigenen Film, bei dem sich jedoch immer wieder die Grenzen zwischen der erzählten Geschichte und realem Geschehen auflösen, Stunt-Kämpfe etwa zu wirklichen Prügeleien ausarten.
Gleichzeitig erzählt Hopper vignettenartig die Geschichte der anwesenden Amerikaner, sowohl ihre Übergriffe auf das indigene Leben der Peruaner als auch die Übergrifflichkeiten untereinander, in denen Hopper die hippieske Befreiung vom sexuellen Normenkatalog überraschend selbstkritisch formuliert und sich damit von seinem Vorgänger Easy Rider emanzipiert. Diese Emanzipation führt Hopper auf einer filmpolitischen Ebene noch weiter aus und erinnert dabei an Bob Dylans Absage an seine Fans, sich weiter für ihr politisches Denken instrumentalisieren zu lassen, und macht in einer bizarren Suche nach einem Goldvorkommen in den peruanischen Anden klar, dass Filme vielleicht eine Freundschaft fördern können, aber als Lehrmittel für die wirkliche Realität im Grunde nichts taugen.
Dieser Ideenkosmos ist jedoch nicht immer einfach zu dechiffrieren – und zu ertragen. Denn seine Umsetzung von Jodorowskys Anregungen haben Hopper in The Last Movie nicht nur zu einer radikalen Schnitttechnik inspiriert, sondern eine asynchrone und intuitive Erzählweise wählen lassen, die immer wieder auch bizarr anmutet und manchmal einfach nur wie mutwilliges, und dann und wann auch selbstverliebtes Zertrümmern des eigenen Porzellans wirkt: statt eines ausgefeilten, innovativen Soundtracks wie noch in Easy Rider dekonstruiert Hopper in The Last Movie diesen fast völlig. Mal sieht man Kris Kristofferson ohne ersichtlichen Grund auf einer Wiese »Me and Bobby McGee« singen, dann zerstückelt die traditionelle Musik einer peruanischen Fiesta jeden Dialog.
Das ist allerdings nicht immer störend, sondern auch überraschend und großartig und gerade in der Wucht, wie hier gängige Filmklischees dekonstruiert werden, wegweisend und auch für uns als Betrachter aus der filmischen Zukunft anregend und aufregend. Dennoch wünscht man sich, wenigstens einen Blick auf jene Schnittfassung werfen zu können, die Hopper nach dem Treffen mit Jodorowsky zerstört hat.