USA 2016 · 81 min. Regie: Mickey Lemle Drehbuch: Mickey Lemle Kamera: Buddy Squires Schnitt: Don Casper, Mickey Lemle |
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Der Mann ist gut drauf! |
Buddhistische Leiter gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen: Auf der einen Seite stehen Respektpersonen, wie der Japaner Daisaku Ikeda, seines Zeichens Autor und Vorsitzender des internationalen Arms der größten japanischen buddhistischen Laienbewegung Soka Gakkai. Als Friedensexperte international hoch angesehen, wirkt der öffentlich gewöhnlich mit Anzug und Krawatte auftretende Ikeda auf den ersten Blick eher wie ein typischer japanischer Geschäftsmann, als wie ein buddhistischer Leiter.
Den Gegenpol bilden betont westliche buddhistische Verantwortliche, wie der dänische Diamantweg-Pionier Ole Nydahl. In der Doku Hannah – Ein buddhistischer Weg zur Freiheit klingt an, dass er in seinen jungen Jahren auch bewusstseinserweiternde Drogen als einen möglichen Weg zur Erleuchtung betrachtete. Zwischenzeitlich hat Ole zwar längst den Drogen abgeschworen. Doch nach wie vor gilt der Motorradfahrer als die coole Sau unter den Lamas.
Aber wenn es eine Person gibt, auf die sich scheinbar alle einigen können, wenn es um einen hoch respektierten und überzeugenden Vertreter des Buddhismus geht, dann ist das ganz gewiss der 82-jährige Tibeter Tenzin Gyatso – besser bekannt als der 14. Dalai Lama. Das einstige politische – und nach wie vor geistliche – Oberhaupt der Tibeter kennt man ausschließlich in der traditionellen rot-orangefarbenen tibetischen Mönchstracht. Zusammen mit seinem rundlichen Gesicht und dem freundlichen Lächeln wirkt der Friedensnobelpreisträger fast wie eine zum Leben erwachte Buddhastatue.
Dieser Eindruck wird in Mickey Lemles Der letzte Dalai Lama? jedoch nur bedingt bestätigt. Und genau hierin liegt der erfreulichste Aspekt dieser Dokumentation über einen der meist respektierten Menschen auf diesem Planeten. Dass auch Lemle selbst zu den zahllosen Personen zählt, die vom 14. Dalai Lama fasziniert sind, zeigt sich schon daran, dass der jetzt hier in die Kinos kommende Film nach Compassion In Exile: The Life Of The 14th Dalai Lama von 1993 bereits die zweite Dokumentation ist, welche der Filmemacher über Tenzin Gyatso gedreht hat.
Doch was macht dieser globale buddhistische Popstar eigentlich, wenn er nicht gerade einen seiner vielen Auftritte in aller Welt hat? Verbringt er seine restliche Zeit meditierend im Lotos-Sitz? Tatsächlich hatte sich Tenzin Gyatso seine letzten Lebensjahre zu Zeiten von Lemles erster Doku einmal so vorgestellt. Doch auch mit fast 83 Jahren hat Gyatso keine Zeit, sich von der Welt zurückzuziehen und in Ruhe auf den Tod vorzubereiten.
Dabei sind die aktuellen Kontroversen um einen möglichen 15. Dalai Lama – bei denen sehr gerne auch die chinesischen Besatzer ein entscheidendes Wörtchen mitreden würden – nur die Spitze des Eisbergs der umfassenden Rolle, welche der 14. Dalai Lama in der Welt spielt. Im Film sehen wir beispielsweise, wie der Pfarrer der St. Patrick’s Cathedral in New York inmitten des größten neogotischen Gotteshauses der USA eine Fotoausstellung zum Dalai Lama ins Leben ruft. Den Dalai Lama bezeichnet er als einen vorbildlichen Menschen, der ihm auch seinen eigenen Glauben näher bringen würde.
Als Anhänger der alle Schulen des tibetischen Buddhismus übergreifenden Rime-Bewegung hält der 14. Dalai Lama sowieso nicht viel von Sektierertum. Gerade dies qualifiziert ihn als ein geistliches Oberhaupt aller Tibeter, obwohl er offiziell lediglich das aktuelle Oberhaupt der Gelug-Schule ist. Und in Hinblick auf die verschiedenen großen Weltreligionen meint er im Film nur: »Als erstes kommt in jeder Religion die Liebe zu allen Menschen. Erst dann folgt im nächsten Schritt der Glaube an einen Gott oder Buddha.« Wenn dies tatsächlich jeder Anhänger der großen Weltreligionen ähnlich sehen würde, wären wir dem Weltfrieden sicherlich schon ein gewaltiges Stückchen näher.
Tatsächlich sehen wir diesen tibetischen Weisen in Der letzte Dalai Lama? zwischen seinen Besuchen in aller Welt häufiger bei sich zuhause meditieren. Überhaupt ist Lemles Doku betont unaufgeregt. Dies passt zur immer wieder von Tenzin Gyatso wiederholten Kernaussage, dass innere Ruhe die allerwichtigste Voraussetzung für geistige und körperliche Gesundheit und für ein glückliches Leben sei. Da Lemle den bekannten Fakten über den 14. Dalai Lama jedoch nur wenig Neues hinzufügt, führt diese Ruhe, in welcher die Kraft liegt, gerade in der ersten Filmhälfte häufiger zu Langeweile.
Anstatt zum gefühlt 1000. Mal den Konflikt zwischen Tibet und China aufzuwälzen, wäre es deutlich interessanter gewesen, wenn Lemle das extrem spannende Thema des Bezugs zwischen der jahrtausendealten meditativen Praxis des Buddhismus und den aktuellen Erkenntnissen der modernen Neurowissenschaft näher beleuchtet hätte. Denn Tatsache ist, dass der 14. Dalai Lama bereits in den 1980er Jahren einen Dialog zwischen Buddhismus und Neurowissenschaft angestoßen hatte, der unter anderem zur Gründung des »Mind & Life Institute« in Hadley (Massachusetts) und der neuen Fachdisziplin der »kontemplativen Neurowissenschaft« geführt hat.
Doch anstatt näher auf die aktuelle wissenschaftliche Forschung einzugehen, die belegt, dass eine regelmäßige meditative Praxis zu messbaren positiven Veränderungen im Gehirn führt, zeigt der Filmemacher lieber, wie sich der Dalai Lama mit jungen Schülern entsprechend deren Aufnahmefähigkeit zu diesem Thema unterhält – und anschließend noch schnell ein PR-wirksames Gruppenfoto schießen lässt. An solchen Stellen zelebriert Lemle ungehemmt den Starkult, anstatt etwas inhaltlich Interessantes zu vermitteln.
Die intensivsten Szenen der gesamten Dokumentation sind die, in denen der Dalai Lama sich zu seiner persönlichen Sicht zu verschiedensten Themen äußert. Spätestens, wenn er dabei mal wieder in lautes Gegacker ausbricht, wird deutlich, dass man ihn gerade deshalb auf der ganzen Welt als einen spirituellen Anführer respektiert, weil er nicht wie ein typischer hoher Würdenträger auftritt.