USA 2010 · 86 min. · FSK: ab 16 Regie: Daniel Stamm Drehbuch: Huck Botko, Andrew Gurland Kamera: Zoltan Honti Darsteller: Patrick Fabian, Ashley Bell, Louis Herthum, Iris Bahr, Caleb Jones u.a. |
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Von Dämonen verfolgt |
Es beginnt wie ein Film für Skeptiker, Ungläubige und Atheisten: Ein Kamerateam dreht einen Dokumentarfilm über das religiöse Showbusiness und begleitet einen christlich-fundamentalistischen Prediger bei seinem Arbeitsalltag. Dieser Reverend Cotton Marcus ist ein Südstaaten-Evangelikaler, wie er im Buche aller Kirchenfeinde steht: Eine unsympathische Mischung aus Scharlatan und Hassprediger, ein Menschenfischer und Manipulator. Wenn Gott tot ist, ist zwar alles erlaubt, aber trotzdem: Hol ihn der Teufel! Doch anscheinend hatte Reverend Marcus jüngst ein Damaskus-Erlebnis, und darum gibt es diesen Film: Er will öffentlich die Lüge seiner Profession enthüllen, will die Zaubertricks seiner öffentlichen Exorzismen bloßstellen. Dieser eine vor der Kamera soll der letzte sein.
Das ist Ausgangslage. Und eine Weile scheint dieser Film es vor allem auf eine distanzierte Bloßstellung all der absurden Kniffe anzulegen, deren sich die Exorzisten bedienen, um die Gegenwart des Teufels und dessen angebliche Austreibung ihrem geneigten Publikum zu demonstrieren. So kommen die Geistergeräusche in modernen Zeiten vom mp3-player und auch sonst bestätigt der Film die Erwartungen des modernen Durchschnittsmenschen: Alles Lug und Trug, in der Fake-Moderne kann man nichts mehr glauben.
Allmählich aber kippt die Atmosphäre: Plötzlich ist das Mädchen Nell ernsthaft angefixt vom Teufel. Und auch wenn man wirklich noch nichts von diesem Film gehört hat, wenn man nicht weiß, dass der Film in Amerika gefeiert und preisgekrönt wurde, sich nicht bewusst ist, das der Produzent Eli Roth einerseits als Kumpel von Quentin Tarantino berühmt ist, andererseits dafür, mit konsequent schlechten Geschmack, aber einigem Können und seinen eigenen Hostel-Filmen zum Vorreiter jener üblen Gore-Horror-Welle geworden zu sein, die in den letzten Jahren aus den USA herüberschwappte, und dem Horror-Kino die letzten Reste postmoderner Ironie ausgetrieben hat, dann beginnt man doch bald zu ahnen, dass es sich nicht um eine Dokumentation handelt, sondern um einen jener mal mehr, mal weniger im cinéma-vérité-Stil inszenierten Pseudo-Dokus wie The Blair Witch Project (1999), Cloverfield (2008) oder den zwei spanischen [Rec]-Filmen – Meilensteine des Genres, die diesen Film fraglos inspirierten.
Der deutsche Regisseur Daniel Stamm verzichtet dabei weitgehend auf das beliebte Kamerawackeln, schert sich auch nicht ernsthaft darum, die Illusion des Dokumentarischen lange aufrecht zu erhalten – als ginge es wie bei Blair Witch noch darum, auch nachträglich widerspruchsfrei zu erklären, wer diesen Film eigentlich gefunden hat, und woher die Filmmusik stammt. Das Dokumentarische ist nur eine Pose, sozusagen die Basis des absoluten Empirismus, durch den die rationalistischen Erwartungen der Zuschauer, die auch im Horrorfilm dominieren, peu a peu und insgesamt sehr geschickt erschüttert werden.
Eine Weile wandert die Konzentration des Films weg vom Exorzisten hin zu dem von Dämonen gepeinigten pubertierenden Teenager. Dabei dreht sich dann vieles auch um deren reichlich kaputte Familie, und speist damit wiederum die rationalistischen Erwartungen, dass es sich bei allem, was man sich hier zunächst nicht erklären kann, dann eben doch um einen psychischen Defekt handelt. Über lange Strecken bleibt dieses Verhältnis zwischen Skepsis und Glaube, zwischen vernünftigen und irrationalen Erklärungsangeboten klug und recht plausibel in der Schwebe. Und so ist der Film eine Phantasie, die verschiedenste Wünsche erfüllt, die die Angstlust des Horrorfans befriedigt ohne seinen Verstand zu beleidigen. Nebenbei funktioniert The Last Exorcism dann sogar als treffend-sarkastische, nie aufdringliche Kritik am Aufstieg der christlichen US-Fundamentalisten und Reflexion der allgemeinen amerikanischen Krise. Dann aber, gegen Ende, kippt alles, und der Film traut sich etwas, was entweder ein mutiger Einfall ist, oder ein Riesenschwachsinn. Wahrscheinlich beides. Wer sich aber am Beginn ganz wohlgefühlt hat, dem wird am Ende dieses kleinen feinen cleveren B-Movies etwas anders gehen.