Italien 1997 · 122 min. · FSK: ab 6 Regie: Roberto Benigni Drehbuch: Vincenzo Cerami, Roberto Benigni Kamera: Tonino Delli Colli Darsteller: Roberto Benigni, Nicoletta Braschi, Giustino Durano, Horst Buchholz u.a. |
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Fahrrad-Liebe in gefährlichen Zeiten |
Vorneweg der Rat, sich Das Leben ist schön möglichst im italienischen Original anzusehen. Gewiß ist es lästig, Untertitel zu lesen, doch Roberto Benignis sprudelnde Komik ist durch die italienische Satzmelodie leichter erschließbar. Und nur wer im ersten Teil dieser bitteren Komödie lachen kann, wird auch den Rest ertragen können, denn hier kommt es auf den Kontrast an.
Im Italien der dreißiger Jahre – der Faschismus ist dabei sich breitzumachen – nimmt die Hans-Wurst-Geschichte seinen Lauf. Der quirlige Kellner Guido umbalzt eine junge Frau namens Dora. Sie ist zwar mit einem Faschisten liiert, doch Guido vermag sie derart oft zu verblüffen und zum Lachen zu bringen, daß sie bald ins Wanken gerät. Bei ihrer Verlobungsfeier gibt sie schließlich unter dem Tisch dem geliebten Kellner einen Kuß. Dieses Bild verdeutlicht schon das Thema des Filmes: Es geht um gestohlen Momente. Droben lärmt die Gesellschaft vor sich hin, doch eine Tischdecke genügt, um kurz ein ganz privates Idyll zu erschaffen. Der erste Teil des Filmes dauert eine knappe Stunde, ist ausgelassen, verspielt und zeugt von der hohen komödiantischen Meisterschaft des Regisseur und Hauptdarstellers Benigni, aber auch von seiner Selbstverliebtheit. Die Comedia dell' arte kann nicht eleganter gewesen sein, so beiläufig webt Begnini die verschiedenen Fäden in das Possenspiel ein, wobei viele Späße bereits in Abgrundähe stattfinden, wenn etwa Guido den Rassenkundevortrag in einer Schule parodiert.
Ein paar Jahre später sind Guido und seine Dora verheiratet und haben einen kleinen Sohn namens Giosuè. Guido hat als Jude unter dem faschistischen Regime zu leiden, versucht aber dem beharrlich fragenden Sohn die schrecklichen Wahrheiten vorzuenthalten, indem er sie wortgewandt uminterpretiert. Selbst als die gesamte Familie in ein KZ nach Deutschland gebracht wird, hält er Giosuè in dem Glauben, die ganze Reise sei ein überdimensionales Planspiel. Wer weint oder zu viele Fragen stellt, verliert Punkte. Hier plötzlich verbindet der Film das Possenspiel mit dem Holocaust, eine Gratwanderung die normalerweise keinem lebendem Regisseur zugetraut wird und in der Filmgeschichte nur bei Lubitschs Sein oder Nichtsein und Chaplins Der große Diktator als gelungen erachtet wird. Jene aber wußten bei ihrer Arbeit noch gar nicht um das tatsächliche Ausmaß der Verbrechen, umso beachtlicher wie Benigni die schwierige Aufgabe bewältigt.
Im KZ angekommen blödelt Guido tapfer weiter, es sind noch dieselben Frechheit siegt-Scherze wie anfangs, wenn er um Dora wirbt, nur der Kontext ist anders. So übersetzt Guido, der sich freiwillig als Dolmetscher meldet, die rüden Anweisungen eines deutschen Offiziers in absurde Spielregeln, und als Giosuè hört, daß aus den Häftlingen Seife und Knöpfe gemacht werden, übertüncht der Vater auch diese Ahnungen des Sohnes mit Witzen. Scheinbar lachend quasselt Guido da über die absurde Situation, wenn er sich mit Bernardo die Hände waschen oder mit Luigi das Hemd zuknöpfen würde. Doch erstmals muß der dauerfröhliche Vater schlucken bei dieser Flunkerei und der Film tuts mit ihm.
In Der große Diktator ist zwar die Hitlerparodie ebenfalls nicht wirklich zum Lachen, sondern nur bitterer Höhepunkt der Komödie, aber Chaplin wollte im Jahre 1940 wachrütteln, die Welt auf den Faschismus in Deutschland aufmerksam machen. Benigni, der sich weiter, eben bis ins KZ, vorgewagt hat, konzentriert sich ganz auf sein vertracktes Lügenmärchen, liefert keinerlei aufklärerischen Aspekte mit, sondern vertraut auf das Wissen seiner Zuschauer. So bleibt das Lager Theaterkulisse, und Leichen werden nur einmal als nebelverhangene Schemen gezeigt, was, gerade wenn man an das fetischistische Streben nach Authentizität in Spielbergs Schindlers Liste denkt, die diskretere Variante ist. Einmal Schlucken reicht, und wir wissen, was gemeint ist. Und selbst beim Tod der Hauptfigur spielt Benigni nur versonnen sein Hauptthema zu Ende und verzichtet auf plumpe Sentimentalitäten; eine Gelegenheit, die sich Chaplin nie hätte entgehen lassen.
Ein derzeit gern gegen Benigni (aber noch nie gegen Lubitsch) erhobener Einwand lautet, daß Das Leben ist schön ja nur eine Flucht zeige und nicht, wie es sich gehört, zum Widerstand aufrufe, mag berechtigt sein, denn im Grunde ist der Film völlig unpolitisch. Da kann man auch die Parallele ziehen zu Joseph Vilsmaiers Comedian Harmonists, der vom Faschismus hätte erzählen können, und doch nur mit der abgeschmackten Liedzeile Irgendwo auf der Welt gibts ein kleines bißchen Glück einlullte. Aber Benignis »Wir haben gewonnen«, der Triumph-Schrei des kleinen Jungen nach Ende des Spiels, resultiert aus weit spannenderen Gedankengängen als sie Vilsmaier je haben könnte. Guido hat sich trotz Gefangenschaft nicht dem Diktat der Faschisten unterworfen, sondern bis zuletzt für seinen Sohn das Gegenprogramm entworfen. Es ist der Triumph derer, die sich ab und zu unter der Tischdecke verstecken.