Deutschland 2016 · 86 min. · FSK: ab 12 Regie: Aron Lehmann Drehbuch: Aron Lehmann, Carlos V. Irmscher Kamera: Cristian Pirjol Darsteller: Golo Euler, Rosalie Thomass, Thorsten Merten, Bernd Stegemann u.a. |
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Märchenhafte Elemente mit anarchistischem Humor |
»Die Revolution zielt auf neue Einrichtungen, die Empörung führt uns dahin.«
Karl Marx
Dem Bauern geht’s schlecht. Sowohl dem Bauern an sich, denn heute bekommen diejenigen Landwirte, die ihren letzten Acker noch nicht an die Agrarmultis verkauft haben, das meiste Geld dafür, dass sie nichts mehr oder zumindest weniger produzieren. Schlecht geht es aber auch ganz konkret dem Huber, einem Schweinebauern aus dem Schwäbischen – wortkarg, aber mit rebellischem Blick gespielt von Golo Euler, der bereits in Fado die Entdeckung des Jahres war. Der ist eine Art neuzeitlicher Agrar-Hiob. Zuerst wird er von seiner langjährigen Freundin Birgit (Rosalie Thomass) verlassen, ausgerechnet für einen dieser Großbetriebe, der in Ostdeutschland liegt. Auf seinem Hof lasten Schulden, und irgendwann geht das Geld aus, weil er gegen die Konkurrenz der Agrarfabriken nicht ankommen kann. Doch bevor alles beschlagnahmt und zwangsversteigert werden
muss, schlägt ein Meteorit ausgerechnet auf Hubers Hof ein, und brennt den Besitz in Schutt und Asche. Dann bringt sich auch noch sein bester Freund um, weil es dem als Metzger im Kampf mit den Massenschlachthöfen nicht anders geht.
Huber beschließt, all das hinter sich zu lassen. Mit seinem Moped und der einen titelgebenden letzten Sau seines Hofs, die den Einschlag aus dem Weltall überlebt hat, fährt der Bauer Huber nach Nordosten, zunächst vor allem um Birgit zurückzuerobern. Auf
der langen Fahrt trifft er aber auf allerlei landwirtschaftliche Leidensgenossen und aus dem frustrierten Hiob wird – ganz entgegen der Behauptung von Karl Marx, auf dem Land könnten keine Revolutionen stattfinden – ein Bauern-Kohlhaas, der einen Feldzug für Rache und Gerechtigkeit gegen die Landwirtschafts-Konzerne, ihre Profigier und gegen die Politik führt, die das alles zulässt. Motto: »So geht’s nicht weiter!«
Die wirtschaftlichen und moralischen Missstände unserer Landwirtschaft haben schon lange eine engagierte Kritik verdient. Nach diversen Dokumentarfilmen, die viel moralisierten, versucht es Regisseur Aron Lehmann nun mit den Mitteln des Spielfilms. Wie schon der mehr als doppeldeutige Titel Die letzte Sau klarmacht, ist dieser Film eine saftige Komödie, die märchenhafte Elemente mit anarchistischem Humor mischt.
Dazu gehören vergnügt überzeichndete Auftritte von Thorsten Merten, Heinz-Josef Braun, Herbert Knaup, Christoph Maria Herbst, Maxi Schafroth, Corinna Binzer, und ebenso, dass Lehmann Heimatfilm und Roadmovie-Genre ebenso auf die Schippe nimmt, wie die verschiedenen regionalen Eigenheiten von Schwaben über Franken, Sachsen und Thüringer. Vor allem aber geht es um Wut, und Huber ist ein Wutbauer. Damit trifft dieser Film realexistierende Verhältnisse und hat den Mut, sich nicht politisch-korrekt seinen Bürger mit kleinen Reförmchen zu trösten, oder ein Happy-End oder einen netten Kapitalisten zu erfinden, sondern auf groben Klotz einen ebenso großen Keil zu setzen: Sabotage, Anarcho-Aktionen, oder Fäkalien im Garten der reichen Ausbeuter lösen bestimmt auch keinen Klassenkonflikt, aber sie ärgern wenigstens und machen Spaß. Huber befreit gequälte Schweine aus einem Tiertransporter.
Nach der bezaubernden Kleist-Farce Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel, die 2012 diverse Preise abräumte, ist dieser Film zwar grobschlächtiger und manchmal ein wenig eitel, aber zugleich eine Wohltat in seinerFreiheit zum Tabubruch, in Widerstandspathos, Absurdität und Situationskomik.
Die Musik von »Ton, Steine, Scherben« hebt zusätzlich das revolutionäre Gemüt, und am Ende ist klar: Der Kampf geht weiter!