USA 1998 · 121 min. · FSK: ab 6 Regie: Willard Carroll Drehbuch: Willard Carroll Kamera: Vilmos Zsigmond Darsteller: Gillian Anderson, Ellen Burstyn, Sean Connery, Anthony Edwards u.a. |
Man hats nicht leicht im Leben, schon gar nicht in L.A.. Joan (Angelina Jolie) zum Beispiel, eine junge Schauspielerin, die sich eines Tages schlagartig in den jungen Keenan (Ryan Philippe) verliebt. Doch was sie auch tut, wie penetrant sie ihn auch verfolgt, er weist ihre Avancen stur zurück. Erst am Ende des Filmsman ahnte es schon in den ersten Minuten ihres Zusammentreffens muss sich der Widerspenstige doch noch geschlagen geben, denn Joan, die Heilige hat die Macht der Liebe auf ihrer Seite, und der kann keine(r) widerstehen. So leicht ist’s auch in L.A.
Joan ist die jüngste der drei Schwestern, deren Alltag Willard Carrolls Leben und Lieben in L.A. (im Original: Playing by Heart) schildert, deren Eltern und Bekannte er vorstellt, und implizit auch behauptet, etwas Repräsentatives zu zeigen vom Leben zumindest der oberen Mittelklasse der USA.
Liebesbeziehungen, Sexprobleme, Krankheit und die kleinen Sehnsüchte »die jeder hat« bilden den Stoff aus dem hier die Gedanken sind. Wenig
mehr erfährt man von den Figuren als die Etikettierungen des Privaten: Single oder verheiratet, schwul oder hetero, depressiv oder Sportler. Dafür sind auch sonst alle Stereotypen der Scriptdoktoren und Charakterdesigner versammelt: die »frustrierte Singlefrau«, das »alternde Paar«, die »kriselnde Ehe«, das »junge Glück«. In bißchen was davon gibt es im Film wohl immer, doch hier macht gerade die geballte Ansammlung sichtbar, dass alles behauptet, und kaum etwas länger durchdacht
ist.
Mit Tschechow haben diese drei Schwestern aus L.A. überhaupt nichts zu tun, und mit Woody Allen oder Robert Altman hätte der Film nur gerne zu tun gehabt. Keiner will hier »nach Moskau«, oder wenigstens nach New York, die Utopie ist aufs Zwergenformat des amerikanischen Puritanismus geschrumpft. Seine Lieblings-Krankheiten (Krebs, Aids), Lieblingssünden (Lüge und Ehebruch, überhaupt Sex ohne Liebe), und family values werden in den Figuren durchgenudelt, bis jeder sein
Fett abbekommen hat.
Mit den Themen und Charakteren könnte man eine Soap-Opera für ein gutes halbes Jahr füllen, Carroll, der auch das Buch schrieb, und insofern doppelt verantwortlich ist, reißt dagegen alle nur kurz an, ohne eine seiner Ideen wirklich ernst zu nehmen und konzentriert zu inszenieren. Ganz vertraut er auf seine Darsteller, die tatsächlich das Beste an Leben und Lieben in L.A. sind: Gena Rowlands, Sean Connery, Madeleine Stowe, Gillian Anderson,
Dennis Quaid, Angelina Jolie, Nastassja Kinski. Die Runde muss man erst einmal zusammenstellen. Wenn man sie dann hat, sollte man mit ihr freilich auch etwas anzufangen wissen.
Am besten funktioniert der Film noch in den großen Szenen die Connery und Rowlands zusammen haben, oder in den wirklich witzigen Momenten, in denen die mittlere der drei Schwestern, Meredith (Gillian Anderson) verzweifelt-hilflos mit dem eigenen Begehren und ihren Beziehungsängsten jongliert. Hier stimmt auch
der Dialog, dessen Niveau sonst manchmal auf das geronnene Pathos eines Hera-Lind-Lehrbuchs für Partnerschaftsfragen absackt.
In erster Linie nämlich gibt es bei Carroll viel zu lernen. Mit den Figuren bekommen auch die Zuschauer eingepaukt, was Liebe wirklich heißt, dass es Sex ohne sie nicht geben darf, wenn man nicht ganz kalt und böse werden will, und wie man seine Eltern oder Kinder zu behandeln hat. Man lernt auch, was es heißt, zu weinen, dass man niemals die Unwahrheit sagen
sollte, und vor allem wie man gefälligst richtig stirbt – und ununterbrochen trieft die Gefühlssoße. Nicht zu zählen ist, wie oft in diesem Film »Ich liebe Dich« gesagt wird. Und dazu die vielen schlauen Sprüche: »Wer sich verliebt, lernt den andern kennen und sich selbst durch dessen Augen sehen« oder »Über Liebe zu reden ist wie über Architektur zu tanzen.«
Natürlich ist Carroll als Regisseur kein Trottel. Einzelne Szenen sind sehr gekonnt inszeniert, den Schauspielern gibt er viel Raum zur Entfaltung und dass sie ihn nutzen, beweist den Instinkt des alten Fernsehmannes. Die TV-Prägung beweist sich aber auch darin, wie sehr die Metropole Los Angeles als filmischer Raum verschenkt wird. Neunzig Prozent der Zeit vergeht in Interieurs, der Rest auf Straßen und undefinierbaren Malls, die aber auch – ohne zusätzliche Dimension
– einfach nur da sind. Leben und Lieben konnte genausogut in Minneapolis oder in Kansas City spielen, so austauschbar all american ist hier alles, so noch nicht mal behauptet »kalifornisch« oder L.A.-spezifisch.
Eine Weile noch sucht der Zuschauer nach einem inneren Zusammenhang, oder auch nach der Erkenntnis, dass es solche Zusammenhänge eben nicht gibt. Doch um die letzte Möglichkeit, die eigenen Klischees vielleicht durch einen kathartischen
Augenblick, einen düsteren Ausgang oder wenigstens durch den Verzicht auf ein glatt-billiges happy end zu relativieren bringt sich Caroll durch einen Schluß, der so vorhersehbar und uninteresssant ist, wie alles zuvor.