USA/GB 2004 · 122 min. · FSK: ab 12 Regie: Stephen Hopkins Drehbuch: Christopher Markus, Stephen McFeely Kamera: Peter Levy Darsteller: Geoffrey Rush, Charlize Theron, Emily Watson, John Lithgow u.a. |
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Küsschen oder würgen? |
Es ist erst wenige Wochen her, da lobte ich an dieser Stelle den gelungenen Versuch Kevin Spaceys, dem Genre des Bio-Pics mit seinem Film Beyond The Sea eine freiere, ehrlichere aber auch artifiziellere Richtung zu geben.
Eine unverkennbare geistige Verwandtschaft zu diesem Film weist nun The Life And Death Of Peter Sellers von Stephen Hopkins auf.
Denn auch hier geht es nicht um eine akribische Rekonstruktion (auch wenn die »Äußerlichkeiten« wie die Darsteller oder die nachgestellten Filmszenen oft eine verblüffende Ähnlichkeit erreichen), sondern um die vielschichtige Annäherung an den Menschen und Künstler Peter Sellers. Die größte Schwierigkeit bei der Suche nach dessen wahrem Charakter ist dabei das Fehlen eines solchen, denn Sellers war (behauptet zumindest der Film) ein Mann ohne eigene Eigenschaften, der nur durch und in seinen Rollen lebte.
Dabei beginnt alles ganz harmonisch. Sellers ist Teil einer beliebten Radio-Komikertruppe, das Einkommen ist zwar nicht üppig dafür stetig, seine Frau ist ein herzensguter Mensch, sein kleines Kind erfüllt ihn mit Freude, seine Eltern geben ihm Rückhalt.
Angetrieben von seiner dominanten Mutter verfolgt Sellers aber bald den Wechsel vom Radio zu Fernsehen und Film, was aufgrund seiner erstaunlichen Wandlungsfähigkeit äußerst erfolgreich verläuft. Bald schon wohnt er mit seiner
Familie in einem großen Haus, ein Bentley steht vor der Tür und sein aufsteigender Ruhm scheint durch nichts mehr zu bremsen zu sein.
Mit zunehmendem Erfolg tritt aber auch eine dunkle Seite von Peter Sellers hervor, die in den bescheidenen, einfachen Zeiten keinen Weg fand, sich auszudrücken. Es folgen zahlreiche Affären und Ehen, ein künstlerisches Auf und Ab, ein selbstzerstörerischer Lebenswandel und emotionelle Abgründe, die man dem beliebten Komiker eigentlich nicht zutrauen würde, die aber bereits in vielen seiner Rollen erkennbar durchschienen. Der Film endet – wie der Titel schon sagt – mit dem Tod von Peter Sellers im Jahre 1980.
Stephen Hopkins erzählt diese Geschichte so wechselhaft wie das Leben und die Rollen von Peter Sellers selbst. Das hat seine guten Seiten, das birgt aber leider auch einige weniger gute Aspekte.
Auf der Aktiv-Seite des Films stehen die schauspielerischen Leistungen, die von augenfällig großartig (Geoffrey Rush als Sellers und in zahlreichen seiner Rollen) über charmante Nachahmungen (John Lithgow als Blake Edwards, Stanley Tucci als Stanley Kubrick) bis hin zu diskreter Brillanz (Emily Watson als Sellers erster Frau) reichen.
Fast müßig ist es, bei einem Film wie diesem auf die perfekte Ausstattung hinzuweisen, wobei hier in der Nachinszenierung legendärer
Filmszenen eine zusätzliche Herausforderung (die natürlich bravourös gemeistert wurde) bestand.
Drehbuch und Regie zeigen ihre volle Könnerschaft vor allem in zwischenmenschlichen Szenen, die eine sehenswerte emotionelle Intensität erreichen und dabei von der Komödie über das Drama bis hin zum Liebesfilme jede Tonlage abdecken.
Zumindest teilweise gelingt es, auch den zerrissenen Charakter von Peter Sellers in Bilder zu fassen, wobei man sich als Zuschauer einmal mehr die Frage nach der historischen Authentizität besser nicht stellen sollte.
Bedauerlich dagegen ist, dass der Regisseur manchmal seinem eigenen Erzähltalent nicht traut und deshalb massive Erklärungsgeschütze aufgefahren werden, damit auch der Letzte versteht, wieso, weshalb, warum.
Erschwerend kommt dabei hinzu, dass Hopkins für diese Erklärungen seine sonst so klare Erzählung durchbricht, indem er auf vermeintlich geistreich um die Ecke gedachte Spielereien verfällt.
Im ersten Moment mag es ja naheliegend erscheinen, dass der Verwandlungskünstler Sellers in kleinen Sequenzen auch seine Eltern und andere Personen aus seinem Leben darstellt, um sein Verhältnis zu ihnen zu beschreiben. Tatsächlich aber würde das nur funktionieren, wenn der echte Sellers
einen Film über sein Leben gestallten würde. So aber spielt Geoffrey Rush Peter Sellers, der wiederum z.B. seine Mutter spielt. Das ist eindeutig zuviel der Schauspielkunst. Und als ob das nicht schon offensichtlich genug wäre, werden dabei auch noch bedeutungsschwere Monologe herumgeschoben, so dass man fast vergisst, welch wunderbar geistreichen und witzigen Dialoge sonst noch in diesem Film vorkommen.
Das alles ändert aber nichts am positiven Gesamteindruck von The Life And Death Of Peter Sellers. Der Film hat einige ausgesprochene Qualität (siehe oben), unterhält auf hohem Niveau und gerade Filmfreunde werden an den unzähligen Anspielungen und Zitaten ihre Freude haben.
Was manche Schwäche des Films betrifft, so lässt sich rechtfertigend sagen, dass Stephen Hopkins zumindest versucht hat, nicht die üblichen Pfade zu beschreiten und er sich dabei
vielleicht ein wenig verrannt hat.
Über den Menschen Peter Sellers erfährt man hier zwar viel Interessantes, aber wenig Endgültiges. Doch wenn die Theorie des Films stimmt und Sellers nur in und durch seine Rollen gelebt hat, dann lernt man diesen außergewöhnlichen Schauspieler ohnehin am besten dadurch kennen, dass man seine Filme wieder einmal anschaut.
Filmmuseum, bitte übernehmen Sie.