Indien/F/USA 2021 · 112 min. · FSK: ab 12 Regie: Pan Nalin Drehbuch: Pan Nalin Kamera: Swapnil S. Sonawane Darsteller: Bhavin Rabari, Richa Meena, Dipen Raval, Bhavesh Shrimali, Rahul Koliu u.a. |
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Verzaubert durch den Zauber des Kinos | ||
(Foto: NEUE VISIONEN) |
»Movies were invented to con people.« – Filmvorführer Fazal in das Licht, aus dem die Träume sind
Wer sich noch an Giuseppe Tornatores Cinema Paradiso erinnert, dürfte bei Pan Nalins Das Licht, aus dem die Träume sind ein paar Déjà-vus erleben. Denn wie der Italiener Tornatore erzählt auch der Inder Pan Nalin ein wenig seine eigene Liebesgeschichte mit dem Kino und seine Nähe zu einem Filmvorführer und wie er zu dem wurde, was er heute ist: nicht mehr einer, der nur Filme sieht, sondern auch einer, der sie macht. Und einer, der das Kino sich hat wandeln sehen, seine Niedergänge und Wiederauferstehungen in seiner eigenen Kindheit erlebt hat und nun wieder an diese Orte zurückkehrt, um davon zu erzählen.
Nalins Alter Ego ist der 9-jährige Samay (Bhavin Rabari), der in einem Dorf in Saurashtra in Gujarat durch einen Kinobesuch dem Kino verfällt und den rigiden Drohungen seines Vaters (Dipen Raval), sich davon zu lösen, mit allen nur erdenklichen Mitteln widersteht. So wie später Nalin selbst, wird auch Samay ein Auteur, einer, der sich zwar nicht das Filmemachen selbst beibringt, sondern sich sein eigenes Kino baut, auch mit Hilfe des Filmvorführers Fazal (Bhavesh Shrimali) in der nächstgrößeren Stadt, der ihn gegen die delikaten Lunchboxen von Samays Mutter (Richa Meena) nicht nur in die Technik des Films einweist, sondern ihn auch mit »Rohmaterial« versorgt.
Über diesen Plot erzählt Nalin jedoch nicht nur das Coming-of-Age eines filmbegeisterten Kindes, das sich über Bildung emanzipieren lernt, sondern er erzählt so wie einst Wim Wenders in seinem traurigen Abgesang auf das alte Kino in Deutschland, Im Lauf der Zeit, von der ewigen Bedrohung des Kinos durch das Kino selbst. Doch sind es dieses Mal nicht der Tonfilm oder wie bei Wenders die aussterbenden Kinos der kleinen Städte, sondern ist es dieses Mal die Digitalisierung des Mediums, das ein weiteres Abschiednehmen bedeutet. Nalin zeigt in beeindruckender, transformativer Poesie nicht nur wie aus alten Filmrollen bunte Armreifen werden, der Film also tatsächlich die Realität überholt und endlich einmal nicht »betrügt«, sondern filmt gerade diese Geschichte auch in Farben, die die alte analoge Filmästhetik beschwört, indem er alte italienische Technicolor- und russische Lomo-Linsen auf seine moderne Arriflex gesetzt hat.
Dadurch versinkt auch diese gar nicht so lange zurückliegende Vergangenheit in eine filmwandlerische Zwischenwelt, die zum einen wie der italienische Neorealismus eines Vittorio De Sica die Armut auf dem (indischen) Land seziert, dann aber das Kunststück vollbringt, den Ort von Samays kleinem »Kino« zur verbotenen Zone in Tarkovskis Stalker werden und den neuen Digitalprojektor im alten Kino landen zu lassen wie einst Kubrick seinen Monolithen in 2001 – Odyssee im Weltraum hat landen lassen. Aber im nächsten Moment ist Nalin dann wieder ganz in Indien und filmt die Zubereitung von Samays Lunchbox so leidenschaftlich und zärtlich wie Ritesh Batra das vor knapp zehn Jahren bereits in seinem Debüt Lunchbox getan hat.
Man könnte befürchten, dass das Das Licht, aus dem die Träume sind durch die vielen Referenzen defragmentiert wird, aber das Gegenteil ist der Fall, denn Nalin verwebt seine Erzählebenen und Anspielungen so leicht und spielerisch miteinander, dass man am Ende nur staunen kann; staunen, so wie Nalins kleiner Held Samay und seine Freunde, als sie das Wunder und den Zauber des Kinos begreifen.
Und wir dürfen ein weiteres Mal über das indische Kino staunen, das in den letzten Jahren ja immer wieder mit großartigen Filmen wie Milestone, The Disciple oder Die Schneiderin der Träume bewiesen hat, dass es weit mehr als nur Bollywood sein kann.