GB/USA 2004 · 112 min. · FSK: ab 0 Regie: Gurinder Chadha Drehbuchvorlage: Jane Austen Drehbuch: Paul Mayeda Berges Kamera: Santosh Sivan Darsteller: Aishwarya Rai, Martin Henderson, Nadira Babbar, Anupam Kher u.a. |
||
Ist's Mr. Right or Mr. Wrong? Aishwarya Ra auf »Bräutigamsschau« |
Mit Kick It Like Beckham gelang der Regisseurin Gurinder Chadha ein sensationeller Erfolg. Aus einer indischen Familie stammend, in London aufgewachsen, kombinierte sie Elemente beider Kinokulturen – heraus kam eine der besten Komödien des Jahres.
Auch in ihrem neuen Film Liebe lieber indisch geht es wieder um die Begegnung von Indien und Europa. Bride & Prejudice (also »Braut & Vorurteil«) heißt dieser Film im britischen Original – eine witziges Wortspiel mit dem berühmtesten Roman von Janes Austen, »Stolz und Vorurteil«. Da wir das Leben in einer Klassengesellschaft – angeblich – einstweilen hinter uns gelassen haben, hat Chadha zielsicher danach gefragt, worin heutzutage wohl die größten äußeren Schwierigkeiten für eine gelingende Liebesbeziehung liegen könnten, womit die Menschen heute ähnliche Probleme haben, welcher Form von Liaison sie ähnlichen Widerwillen entgegenbringen wie zu Janes Austens Zeiten? Die Antwort heißt: »Rasse«. Oder, politisch korrekter aber auch verniedlichender ausgedrückt: »kulturelle Differenzen«. Denn worum es dabei ja dann doch meistens geht, ist die andere Hautfarbe, das fremde Aussehen, das Unterschieden, die sonst unsichtbar und damit relativ wären, einen ein für allemal sichtbaren Ausdruck gibt.
Klug und präzis hat Chadha die Motive von Austen Vorlage in die Gegenwart verlagert. Weder prallen zwei Welten aufeinander, denn »sie«, Lalita – gespielt von Aishwarya Rai, »dem« indischen Megastar, die dort so populär ist, dass sie für Coca Cola und Pepsi werben kann, gleichzeitig (!!) – kommt aus Indien, »er«, Darcy ist ein grober, taktloser Amerikaner. Erst allmählich verlieben sie sich. Zum Mulitikulti-Alltag gehört, dass es beide Seiten und keineswegs nur verständnislose Europäer sind, die sich dieser Liebe auf den dritten Blick widersetzen. Lalitas Mutter will ihre Tochter unbedingt an den Nächstbesten verkuppeln, Hauptsache allerdings, er ist reich und indisch. Dann tritt auch noch der seichte Beau Johnny Wickham auf den Plan, verdreht Lalita und ihrer Schwester den Kopf. Nach zahlreichen Missverständnissen und Streitigkeiten, folgt naturgemäß dann doch das Happy-End.
Insofern ist Liebe lieber indisch eine gelungene Romantic Comedy mit Bollywood-Einlagen. Vergleicht man diese mit wirklich indischen Filmen, die glücklicherweise immer öfter den Weg ins deutsche Kino finden – zuletzt Main Hoon Na und Veer – Zaara, die beide noch im Kino sind –, fehlt dem Film allerdings der letzte Pfiff, sind die Musical-Szenen diesmal eher kühl und routiniert, wie eine Pflichtübung, aber ohne Charakter und Spaß am Exzess. Man spürt, das Chadha hierin wenig Erfahrung hat. Schwerer wiegt, dass ihr ein wenig der Sinn für Nuancen abhanden kam. Wenn es in Bollywood um schöne, reiche Menschen geht, die ein materiell sorgloses Leben führen, dann ist das nie nur Wunschtraumkino für eine Gesellschaft mit immensen Klassendifferenzen, es ist auch immer ein wenig Satire über das Leben der Reichen.
Davon ist in Liebe lieber indisch nichts übrig. Die Figuren sind bei etwas genauerer Betrachtung nicht sonderlich sympathisch, zu verantwortungslos ist das Leben dieser neureichen Kapitalisten und ihre Lust daran. Damit entfernt sich der Film gerade vom Herz von Austens Story, die die Gesellschaft ihrer Zeit anklagen wollte und unter der schillernden Oberfläche Moral einforderte. Er entfernt sich auch vom Kern Bollywoods, wo soziales Engagement, die Einheit der Gesellschaft immer ein wichtiger Topos sind. Erst Anstand macht Reichtum erträglich – so lautet die Moral. Was davon übrig bleibt, ist freilich auch in diesem Film immer noch knallbunte Unterhaltung mit viel Emotion.