Deutschland 2014 · 81 min. · FSK: ab 12 Regie: Stefan Butzmühlen Drehbuch: Jan Künemund, Stefan Butzmühlen Kamera: Jonas Schmager Darsteller: Martin Sznur, Jules Sagot, Katharina Melchior, Niels Melchior, Lisa Melchior u.a. |
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Fragile Jugend |
»By all that’s wonderful, it is the sea, I believe, the sea itself—or is it youth alone? Who can tell? But you here—you all had something out of life: money, love—whatever one gets on shore—and, tell me, wasn’t that the best time, that time when we were young at sea; young and had nothing, on the sea that gives nothing, except hard knocks—and sometimes a chance to feel your strength—that only—what you all regret?« (Joseph Conrad, Youth)
Bereits in Sleepless Knights (2013) folgte Stefan Butzmühlen einem jungen, schwulen Paar, das sich durch die Hitze eines spanischen Sommers auf dem Land treiben lässt und mal assoziativ, dann wieder schweigend die eigene Beziehung vor dem Hintergrund der spanischen Wirtschaftskrise und eines immer wieder poetischen Alltags sich entfalten sieht.
Auch in Butzmühlens neuem Film Lichtes Meer steht eine junge, homosexuelle Paarbeziehung im Mittelpunkt. Und auch hier reibt sich die keimende Beziehung an einer ernüchternden Außenwelt – der modernen Containerschifffahrt – der allenfalls über die Poesie des Meeres und der tropischen Inselkulisse von Martinique so etwas wie Romantik abgerungen werden kann. Doch anders als in seinem Vorgängerfilm muss sich in Lichtes Meer einer der beiden Protagonisten sowohl beruflich als auch bezüglich seiner sexuellen Identität erst noch finden, steht die gleißende Jugend mit all ihren Hoffnungen und Sehnsüchten, aber auch ersten ernüchternden Kompromissen im Mittelpunkt der Geschichte.
Butzmühlen erzählt seine Geschichte über ruhige, lange Einstellungen, alltagspoetische Reflexionen und wohl dosierte Leerstellen in einem Rhythmus, der an die Filme der Berliner Schule, im Besonderen an Angela Schanelec erinnert. Über tagebuchartige, die Handlung illustrierende Monologe und dann auch eingesprochene Tagebuchdialoge, die gleichberechtigt neben Echtzeitdialogen stehen, findet Butzmühlen jedoch schnell zu einer eigenen Bildsprache. Noch einmal mehr emanzipiert er sich durch seine ungewöhnliche Musikauswahl. Shantys stehen neben Opernarien und brechen den ruhigen Fluss der Erzählung immer wieder angenehm auf und weisen damit auch auf die Unberechenbarkeit und Fragilität sexueller und beruflicher Identitäten hin.
Obwohl Butzmühlen eine faszinierende Gegenüberstellung von privater und beruflicher Welt gelingt, die gerade über die Bilder moderner Seefahrt und jugendlicher Lebenssuche immer wieder auch an Joseph Conrads »Jugend« denken lässt, darf Lichtes Meer keinesfalls mit einer so komplexen Serie wie Amazons TRANSPARENT verglichen werden, in der ebenfalls die Suche nach sexueller und damit Lebensidentität im Zentrum steht. Durchbricht TRANSPARENT jedoch auf fast allen Ebenen – filmisch wie erzählerisch – immer wieder gängige Konventionen und überrascht auch noch im kleinsten Subtext, wirkt Butzmühlens Ansatz bei aller Poesie nicht nur in der Darstellung homoerotischer Szenen seltsam nostalgisch, altbacken und vorhersehbar.