The Limits of Control

USA/J 2009 · 116 min. · FSK: ab 12
Regie: Jim Jarmusch
Drehbuch:
Kamera: Christopher Doyle
Darsteller: Isaach de Bankolé, Alex Descas, Jean-François Stévenin, Luis Tosar, Paz de la Huerta u.a.
Altmodisch und völlig ohne Kitsch

Charakterstudie eines Auftragskillers

Toter Mann: Jim Jarmush kehrt mit The Limits of Control triumphal auf die Leinwand zurück

Schwarz ist auch eine Farbe. Und Schwarz ist die zentrale Farbe in The Limits of Control, dem neuen Werk des New Yorker Regis­seurs Jim Jarmusch, der mit Filmen wie Mystery Train, Down By Law, Dead Man und Ghost Dog in den 80er und 90er Jahren zu einem der führenden Vertreter des US-ameri­ka­ni­schen Inde­pen­dent-Kinos wurde.

Schwarz, das ist auch die zentrale Farbe der von Jarmusch verehrten Filme der Schwarzen Serie, jenes film noir, der in den 40er Jahren in Amerika von europäi­schen Regie-Emigranten zur Perfek­tion geführten Melange aus expres­sio­nis­ti­schem Stil und exis­ten­tia­lis­ti­schem Zeit­ge­fühl.

Wer den film noir schätzt, der wird in Jarmuschs neuestem Werk jeden­falls ganz auf seine Kosten kommen: Coffee & Ciga­rettes, das »hard boiled«-Lebens­ge­fühl rauer Männer, deren Herz nur vom Whisky und vom Antlitz schöner Frauen zu erweichen ist, bestimmen den Grundton, und zeigen das Bild einer Welt, die von Coolness, von Eleganz, von Andeu­tungen und mitunter von dunklen Verschwö­rungen geprägt ist.

The Limits of Control ist im aller­besten Sinne ein altmo­di­scher Film. Völlig ohne Kitsch, den man heute glaubt, zu brauchen, um das Massen­pu­blikum zu gewinnen; völlig ohne jene bei Dreh­buch­se­mi­naren so schreck­lich beliebten »Psycho­lo­gi­sie­rungen«, liefert er die Charak­ter­studie eines Auftrags­kil­lers. Der franco-afri­ka­ni­sche Darsteller Isaach de Bankolé verkör­pert diesen schweig­samen Mann, der den ganzen Film über namenlos bleibt, und sich für einen – dem Zuschauer unklaren – Auftrag nach Spanien begibt. Dort trifft er allerlei rätsel­hafte Personen, wie sie nie im Leben, sondern nur in einem Jarmusch-Film vorkommen: Eine Blondine mit Cowboyhut, die über Orson Welles' Film The Lady from Shanghai parliert, einen nihi­lis­ti­schen Mexikaner, dessen Pickup die Inschrift »La vida no vale nada« – »Das Leben ist nichts wert« – verziert und eine Spanierin, die ein paar Tage nackt in seinem Zimmer verbringt. Doch dieser Mann ist Coolness pur. Was ihm auch passiert, er hält an seinen Prin­zi­pien fest: Kein Sex und kein Mobil­te­lefon während der Arbeit.

Jarmusch liebt, man weiß dies, die Kino­ge­schichte, wie nur wenige. Und er liebt Schau­spieler. Wenn man auf die Beset­zungs­liste seines neuen Films schaut, können selbst viele einge­ses­sene Meister der Szene nur erblassen: Tilda Swinton, John Hurt, Gael García Bernal und Bill Murray sind nur einige der Berühmt­heiten, die hier in mehr oder weniger großen Neben­rollen zu sehen sind.

Wenn die Haupt­figur – immer im korrekt sitzenden, leicht glän­zenden, modisch-grauen Anzug – durch Spanien fährt, ist dies keines­wegs zufällig. Denn Spanien ist bekannt­lich das Land des Don Quixote. Und solch ein Ritter von der traurigen Gestalt, der mit seinen über­kommen Ehrbe­griffen in unserer mate­ria­lis­ti­schen Konsum­ge­sell­schaft nicht weit kommt, ist auch dieser Kinoheld.

»Sometimes the reflec­tion is far more present, then the thing, they reflect.« – was eine Sache bewirkt ist manchmal wichtiger als die Sache selbst – solche kleinen Apho­rismen findet man bei Jarmusch zuhauf. Und diese sehn­süch­tige Nostalgie seines Helden gegenüber früheren Zeiten, das deckt sich unbedingt auch mit Jarmuschs eigener Position.

The Limits of Control ist eine Genre-Hommage wie vor zehn Jahren der Coen-Brüder-Film The Big Lebowski. Hier aller­dings führte Chris­to­pher Doyle die Kamera, der Austra­lier, der als das Auge des chine­si­schen Kinos, vor allem der Filme von Wong Kar-wai, berühmt wurde. Doyles flir­render Stil, seine schwe­bende Kamera, drücken diesem Film ihren Stempel auf, und ergeben einen verspielten, spie­le­risch erzäh­lenden, feder­leicht-drif­tenden Film: Ein abstrakter Thriller, voll von Anspie­lungen – etwa auf Jean-Pierre Melvilles Killer­movie Le samouraï, aber auch auf Hitchcock.

Das ist ein bisschen elitär – aber warum sollte ein Künstler sich immer mit seinem Publikum gemein machen? Es ist auch auf den ersten Blick schwer vers­tänd­lich – aber das ist Kunst eben manchmal. Und es ist mini­ma­lis­tisch. Aber wem das bisschen Neugier und Geduld fehlt, das hier nötig ist, für den gibt es Woche für Woche das Fast-Food-Kino des Main­stream.

Weil es – wie in den Stücken von Beckett, wie in den Roman von Kafka – in The Limits of Control um nichts mehr geht, außer um die Absur­dität des mensch­li­chen Daseins, vor allem des Intel­lek­tu­ellen, weil alle Anstren­gung, alles Bemühte Jarmuschs aus diesem Film verschwunden ist, und der Regisseur endlich dazu steht, dass ihn eigent­lich immer schon nur das Kino inter­es­siert hat, darum ist dies Jarmuschs ehrlichster Film geworden – und sein bester seit 20 Jahren.