USA 2019 · 135 min. · FSK: ab 0 Regie: Greta Gerwig Drehbuch: Greta Gerwig, Louisa May Alcott Kamera: Yorick Le Saux Darsteller: Saoirse Ronan, Emma Watson, Timothée Chalamet .Florence Pugh. Eliza Scanlen u.a. |
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Völlig aus der Zeit gefallen (Foto: Sony) |
Es waren einmal zwei Männer, die saßen am 27. Januar 2020 an der Bar des Münchner Kinos Monopol in der Schleißheimer Straße und redeten über den Film Little Women, der am 30. Januar in die deutschen Kinos kommen sollte. Die beiden Männer hießen Sedat Aslan und Axel Timo Purr und gehören zum artechock-Videokanal arteshots. Was Männer eben so reden: Dass der Roman „Little Women“ von Louisa May Alcott im Jahr 1868 erschienen war. Dass der Stoff schon mehrmals verfilmt worden ist. 1933 von George Cukor mit Katharine Hepburn in der Hauptrolle. 1949 von Mervyn LeRoy mit Elizabeth Taylor als Jo. Und 1994 von Gillian Armstrong mit Winona Ryder. Nachdem sich die 1983 geborene Greta Gerwig mit Lady Bird und ihrer Hauptdarstellerin Saoirse Ronan offensichtlich als würdig und fähig erwiesen hatte, wurde Gerwig die aktuelle Verfilmung des so gar nicht brisanten Stoffes angeboten. Purr merkte noch an, dass ihn Gerwigs Film an die US-amerikanische Familienserie »Die Waltons« aus den 1970ern erinnere und das ewige Geplappere an schlechte Woody Allen-Filme. Im Film ginge es nicht um das Ziel, sondern um den Weg. Gerwig versuche ja, diesen Ansatz sehr modern zu realisieren, indem sie – ganz anders als bei allen bisherigen Verfilmungen – die Geschichte nicht synchron, sondern asynchron erzähle.
Die Geschichte ist trotzdem übersichtlich: Vater ist im Krieg, also nicht zu Hause. Mutter ist zu Hause. Und das mit vier Töchtern. Als wäre das nicht genug, kümmert sie sich um alle, die gerade in der Nähe sind. Die Schwestern Jo, Meg, Betty und Amy haben sehr individuelle Interessen. Jo (Saoirse Ronan) möchte Schriftstellerin werden. Beim Versuch, eine ihrer Geschichten an einen New Yorker Verleger zu verkaufen, erklärt ihr dieser die Welt der zeitgenössischen Literatur. Er befürwortet, dass Frauen in Geschichten vorkommen. Doch sollten die Frauen am Ende verheiratet oder zumindest tot sein. Noch ist Jo empört.
Auch Greta Gerwig war mal wild. So zum Beispiel in Noah Baumbachs Frances Ha von 2012 (für den sie mit Baumbach auch das Drehbuch schrieb) und in Mike Mills' 20th Century Women von 2016. Im Jahr 2017 trat sie mit Lady Bird erstmals für Drehbuch und Regie in den Ring. Den fünf Oscar-Nominierungen folgte die Arbeit als Regisseurin und Drehbuchautorin für die aktuelle Version der Kleinen Frauen. Der Lohn sind diesmal sechs Oscar-Nominierungen. Es wirkt, als ob versucht wird, die Frauen im Nachhall von #metoo wieder zu befrieden und zu disziplinieren, indem sie für genehmes Tun belohnt werden. Der nicht so angenehme Film Bombshell – Das Ende des Schweigens zeigt hingegen, wie sich die großen Frauen beim Fernsehsender Fox endlich gegen den übergriffigen CEO wehren. Jay Roachs Film erhielt nur drei Oscar-Nominierungen, davon eine für »Bestes Make-up und Beste Frisuren«.
Gerwigs Film ist an sich gut gemacht. Aber er fällt völlig aus der Zeit. Warum eine x-te Verfilmung einer irrelevanten Geschichte? Mit einem frischen, kritischen Blickwinkel auf die massiven Anforderungen an die Mädchen im Prozess der Frauwerdung hätte der Einsatz lohnen können. Doch so bleiben die »kleinen Frauen« entzückend, gut frisiert und müssen beschützt werden.
Nach einem vielversprechenden Einstieg bleiben auch die kleinen Rebellionen von Jo eher süß, aber natürlich trotzdem hinreißend. Ein Mann nach dem anderen wird in die Leben der vier Schwestern treten. Die Männer sind verschieden groß, verschieden alt und unterschiedlich vermögend. (Der Kandidat mit dem jugendlichen Schmelz wird von Timothée Chalamet gespielt.) Es wird nun um die Frage gehen, ob sich besser aus Liebe oder lieber aus Besitzgier vermählt werden sollte. Und auch der Wirbelwind Jo wird nicht davonkommen. Denn worüber die Herren Aslan und Purr in ihrem arteshots-Beitrag nicht sprachen: Der Verleger von 1868 sollte Recht behalten. Am Ende des Films aus dem Jahr 2019 sind alle Schwestern verheiratet oder tot.