Löwenkäfig

Leonera

Argentinien/Brasilien/Südkorea 2008 · 113 min. · FSK: ab 12
Regie: Pablo Trapero
Drehbuch: , , ,
Kamera: Guillermo Nieto
Darsteller: Martina Gusman, Elli Medeiros, Rodrigo Santoro, Laura Garcia, Tomás Plotinsky u.a.
Gefangen im Frauenkäfig

Von Löwengruben und anderen Zwängen

Ein Löwen­käfig erfüllt die Funktion, ein gefähr­li­ches Tier unschäd­lich zu machen, es zu bändigen, es der Natur zu entreißen – verblüf­fend ähnliche Eigen­schaften, wie die einer Straf­voll­zugs­an­stalt. Hat sich nicht jeder schon mal schau­dernd vorge­stellt, sich plötzlich jenseits der Gitter­s­täbe wieder­zu­finden? Genau das wider­fährt Julia (Martina Gusmán), die mit ihrer Löwen­mähne und dem grazilen Gang tatsäch­lich etwas katzen­haftes an sich hat. Die Umstände für ihre Verhaf­tung sind jedoch schlei­er­haft. Zwei wie durch schwere Pranken nieder­ge­streckte Körper liegen verstreut in ihrem Zimmer, als sie eines Morgens schmerz­voll aufwacht. Von nun an muss Julia die Wildnis verlassen, und wird im Eilver­fahren in ein Gefängnis gesteckt. In Löwen­käfig lässt Pablo Trapero ein Phantasma wahr werden und sperrt unsere Blicke in die herme­tisch verrie­gelte Welt eines argen­ti­ni­schen Frau­en­ge­fäng­nisses ein.

Eine Szenerie, die sicher­lich nichts für zarte Gemüter ist. Doch an der Seite von Julia fühlt man sich wenigs­tens nicht allein. Allmäh­lich lernt man die unge­schrie­benen Gesetze und Verhal­tens­re­geln kennen. Der Alltag zwischen Subor­di­na­tion und Obszö­nität wird nach und nach erträg­li­cher, gewinnt an Konturen. Man kann von Glück reden, dass Julia schwanger ist und sich in einem Bereich befindet, in dem nur werdende und kürzlich gewordene Mütter, die auf die schiefe Bahn geraten sind, die Tage fristen. Hier stemmen sich Mutter­in­stinkte gegen die Verzweif­lung. Mit der Leibes­frucht wächst auch Julias Hoffnung. Außerdem lernt sie Marta (Laura García) kennen, die zu ihrer Busen­freundin wird und sie vor den derben, unentwegt fluchenden Matronen schützt. Ihren Beistand braucht sie, als Tomás auf die Welt kommt, um die nächsten Jahre zu Julias perso­ni­fi­zierter Hoffnung zu werden. »Löwe raus, Löwe rein«, rufen ihr Stamm­kun­dinnen des Gefäng­nisses zu, nun scheint sie über deren gehäs­siges Keifen und Geifern erhaben zu sein.

Auch als ihre Mutter (Elli Medeiros) aufkreuzt – für Julia eine persona non grata – begegnet sie ihr mit stoischer Uner­schüt­ter­lich­keit. Im Gefängnis ist kein Raum für Larmoyanz, nur der Ausblick auf das nächste Verfahren und das Warten auf die Freiheit für sie und Tomás ist zu ihrer qual­vollen Sühne geworden. Wehe dem, der versucht die beiden zu entzweien. Denselben Zorn würde man ernten, nähme man einer Löwin ihr Junges weg.

Löwen­käfig zeichnet den impo­santen Wandel einer Frau unter extremen Bedin­gungen, ihre Mutter­schaft in einer Höhle, die man nicht verlassen kann, und ihr Kräf­te­messen mit der Ausweg­lo­sig­keit, der Getrie­ben­heit, die sie an den Rand der Entmensch­li­chung treibt. Nur ihr starker Wille hält ihre und unsere Hoffnung aufrecht, ihren Gang geschmeidig starker Schritte auch jenseits der grauen Gemäuer zu sehen.