Deutschland 1999 · 95 min. · FSK: ab 16 Regie: Rainer Kaufmann Drehbuch: Martin Rauhaus, Jeff Vintar Kamera: Klaus Eichhammer Darsteller: Nicolette Krebitz, Marc Hosemann, Sunnyi Melles, Katja Riemann, Axel Milberg u.a. |
Gut gedacht (?), schlecht gemacht (!) – Dabei hat Rainer Kaufmann wirklich versucht, etwas anderes zu machen.
Girl meets boy. Sie (Nicolette Krebitz) ist eine Undercover-Polizistin, er (Marc Hosemann) ein soeben entlassener Gangster. Er soll wieder ein Verbrechen begehen, sie soll ihn schnappen. Betrug, Liebe, Liebesverrat – das sind schöne klassische Themen. Sie immer wieder neu mit Leben zu füllen ist Aufgabe des Kinos.
Entscheidend für den Rang eines Filmkünstlers ist aber nicht so sehr, was einer erzählen will, sondern wie er es tut. Fast mit jedem seiner Filme (Einer meiner ältesten Freunde (1994), Stadtgespräch (1995), Greenhorn (1996), Die Apothekerin (1997)) hat
Rainer Kaufmann etwas Neues versucht, manchmal gelang ihm das auch (zumindest im Rahmen der allgemeinen deutschen Film-Malaise), doch immer lieferte der Münchner Regisseur zumindest guten Durchschnitt.
Auch mit Long Hello & Short Goodbye versucht er etwas ganz anderes zu machen, aber diesmal mißliegt dies so gründlich, wie lange nichts mehr im deutschen Kino. So mißlingen kann freilich nur, wo einer nicht auf Nummer Sicher geht, sondern etwas ausprobiert. Und
man muß konstatieren, daß Kaufmann – gewiß einer der intelligenteren seiner Zunft – sich der Schwächen vieler anderer deutscher Filme nur allzu bewußt ist. Darum wollte er, wie es scheint, einmal etwas Fetziges, Wildes, Comichaftes drehen, »was die jungen Leute so mögen« halt.
Durch die Hintertür entpuppt er sich damit nicht nur als Opa, der irgendeiner vermeintlich aktuellen Ästhetik hinterherschlurft. Er beweist auch, was nicht erst bewiesen werden mußte: Daß es noch
gar nicht über die Qualität eines Films oder seines Regisseurs aussagt, wenn er 'mal alles anders macht, als bisher. Im Gegenteil läßt dieser Film erkennen, daß offenbar selbst relativ gute deutsche Regisseure handwerklich derart meilenweit von allen US-Mindeststandards entfernt sind, daß man sie alle noch einmal auf die dortigen Filmhochschulen schicken möchte. Sobald die Geschichte nicht trägt – in diesem Fall gibt es gar keine (und selbst Nicolette Krebitz erklärt im
persönlichen Gespräch, daß sie bis zum letzten Drehtag nicht verstanden hat, worum es geht) – irren sie hilflos im leeren Filmraum.
In Long Hello & Short Goodbye vertraut Kaufmann ganz den Bildern, die er zeigt, und dem Spiel seiner – zum Teil hervorragenden – Schauspieler (am besten: Nicolette Krebitz und Sunnyi Melles, solide in seinem üblichen Komödienknallchargenklischee: Axel Milberg). Aber wenig paßt zusammen, und seine sogenannte »Story« hat Kaufmann darüber so vergessen, daß sie in der Mitte des Films ganz verschwindet.
So bleibt eine lose, absichtlich verwirrende Aneinanderreihung von Bildern. Hätten sie für sich genommen Substanz, würde man das alles zwar ungemein prätentiös, aber vielleicht doch auch irgendwie noch apart und interessant finden. Aber fast jede Einstellung trägt in ihren pastelligen Farben (von denen heute jedes bessere Jugendmagazin wimmelt) ein dickes Ausrufezeichen vor sich her: Achtung, ich bin schön! Und sieht dabei so ausgelutscht aus, wie aus einer Werbung für Instant-Kaffee.
Das alles ist ärgerlich genug. Absolut unakzeptabel wird es, wenn für der Film von Regisseur und Verleih als »Film Noir« verkauft wird. Dieses Genre bezeichnet neben allem Formalen auch immer die psychologisch stimmige Schilderung einsamer Menschen, die Inszenierung existentieller Melancholie. Nichts ist die laute Leere von Long Hello & Short Goodbye weniger, als das.