USA 1998 · 130 min. · FSK: ab 12 Regie: Stephen Hopkins Drehbuch: Akiva Goldsman Kamera: Peter Levy Darsteller: Gary Oldman, William Hurt, Matt LeBlanc, Mimi Rogers u.a. |
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»Gute Nacht, John-Boy.« Was waren das noch für Zeiten, als die Waltons jeden Tag mit allseitigen Gutenacht-Grüßen beschließen konnten, in der Gewißheit, mal wieder alle Probleme dank der unbezwingbaren Kraft der amerikanischen Familie gemeistert zu haben.
Daß, wer die Welt retten will, zu allererst einmal die amerikanische Familie retten muß: diese Grundüberzeugung teilt auch Lost in Space. Aber der Film (in dem die Waltons als ironisches Zitat
auftauchen) ist auch schönstes Beispiel dafür, wie schwer sich ein solch bodenständiges Weltbild heute noch überzeugend verkaufen läßt.
Die Welt (und das heißt in diesem Film: Amerika) ist in apokalyptischer Bedrohung, und die einzige Chance, wenn schon nicht die Erde, so zumindest das Fortbestehen der Menschheit zu retten, ist, eine Familie intakt von Punkt A nach Punkt B zu befördern. Punkt B liegt, leider, weit draußen im Weltraum.
Doch die Schwierigkeiten beginnen schon viel früher: So ganz intakt ist die Familie von vornherein nicht. William Hurt und Mimi Rogers mögen noch überzeugen als brave
Elterngeneration, aber was da nachwächst, das verspricht keine Kontinuität: Die ältere Tochter (Heather Graham) könnte gerade noch so durchgehen, hätten wir sie nicht alle als Rollergirl aus Boogie Nights in Erinnerung, doch die jüngere Tochter (Lacey Chabert) wirkt wie eine $10 Crack-Hure vom New Yorker Busbahnhof, und das nervige Bubi (Jack Johnson) verbringt seine Zeit überwiegend
im virtuellen Raum.
Und da liegt das eigentliche Problem: Wie soll überhaupt noch das Bild einer stabilen Familie gezeichnet werden, wenn in unserer Welt schon individuelle Identitäten zunehmend als instabile Konstrukte erscheinen, lost in cyberspace?
Sicher, Filme wie Air Force One flüchten sich da einfach in totale Ignoranz und gebärden sich, als wären die ‘50er Jahre noch
längst nicht vorbei. Aber ein Science-Fiction Film wie Lost in Space (noch dazu einer, der als Kino-Remake einer TV-Serie der ‘60er Jahre ohnehin leicht in den Ruch der Antiquiertheit geraten könnte) kann sich nicht leisten, als Zukunft etwas zu verkaufen, was noch nicht einmal auf dem Stand heutiger Wirklichkeit ist.
Und so wird schon Papa Robinson eingeführt gemeinsam mit perfekter, doppelgängerartiger Hologramm-Abbildung; der technisch versierte Sohn konstruiert virtuelle Körper und lagert Teile seiner Identität in einen Roboter aus (dessen Körper wiederum beliebig erneuer- und austauschbar ist); der lebensgefährlich verletzte Leib der älteren Tochter wird nicht direkt operiert, sondern durch Manipulation (durch den Bösewicht, man bemerke!) an einer computergenerierten Projektion. – Die Liste der Beispiele wäre noch lange fortsetzbar. Keine Basis, wie man sieht, auf der sich überzeugend Personen als klar definierte Einheiten von individueller Seele und Körper präsentieren lassen. Erst recht keine Basis für eine geradlinige Darstellung von fünf solcher Personen als Familien-Einheit.
Auch der Film selbst hat Identitäts-Probleme: Vom Studio offensichtlich als Familienfilm geplant, versucht er, für jeden Geschmack von jung bis alt etwas Passendes parat zu haben – und gerät, weil die Geschmäcker längst allzu verschieden geworden sind, zunehmend zur kakophonischen Ansammlung disparater Elemente: William Hurt und Mimi Rogers für die an Seriösem interessierten Älteren; Weltraumkämpfe, Roboter und »scary monsters« für die männlichen Kinder und Teens; Lacey Chabert für die Beverly Hills 90201-Crowd (erstaunlicherweise der einzige Charakter, dem eine kommentierende Stimme zugestanden wird); ein computeranimiertes Viech, das aussieht wie die »Creatures« aus dem Videospiel, für die ganz Kleinen...
Lost in Space ist aber clever genug, seine einzige Chance zu nutzen, dem stets drohenden Debakel zu entkommen: Mit manischer Energie tritt der Film die rasende Flucht nach vorn an; immer haarscharf am Rand des Kollaps, und doch um Haaresbreite am Abgrund vorbei. Wie in letzter Zeit so viele reaktionäre Amerika-Fantasien im Kino, sucht auch Lost in Space sein Heil in der Hysterie – und findet es. Wo das Production Design ohnehin schon
dauernd den Verdacht nahelegt, die Filmemacher hätten der einen oder anderen bewußtseinsverändernden Substanz zugesprochen, wird auch der Film selbst zunehmend zum delirierenden Spektakel.
Und allerspätestens, wenn er auf der Zielgeraden – nach einem Ende, das sich der Stabilisierung in letzter Sekunde verweigert – einläuft in Kyle Coopers psychedelisch-postmodernen Nachspann, in dem die Bilder des Films stroboskophaft rekonfiguriert werden, zu
hektischen Techno-Varianten des klassischen »Lost in Space«-Themas von John Williams – allerspätestens dann wird klar: Lost in Space ist ein Film, dessen Potential wohl nur auf Drogen (wir empfehlen selbstverständlich ausschließlich legale) voll zur Entfaltung kommen kann. See it with a beer... or ten.
Im Jahre 2058 ist die Erde ein hochtechnologisierter Planet, dessen Umweltressourcen sich dem Ende zuneigen. Die Familie Robinson unter Leitung von Vater John (William Hurt) soll mit einem Raumschiff zum Planeten Alpha Prime fliegen und dort ein Hypergate zu installieren, um eine dringend nötige Kolonialisierung voranzutreiben. Doch eine terroristische Vereinigung schickt den Saboteur Smith (Gary Oldman) mit an Bord der Jupiter 2. Smith wird jedoch selbst hintergangen und nach einer mißlungenen Sabotageaktion landet das Schiff in einer unbekannten Galaxie. Dort muß die Crew, nachdem sie von Aliens auf dem zerstörten Schiff Proteus, das direkt aus Event Horizon stammen könnte, attackiert wurde, auf einem Eisplaneten notlanden.
The Ghost And The Darkness-Regisseur Stephen Hopkins bedient sich der 60er-Jahre Fernsehserie »Verloren im All« und setzt die Familie Robinson einer artifizielle Special-Effects-Schlacht aus. Dabei verwendet er als Ausgangspunkt eine düstere Blade Runner-Welt, die aus ihrer verzweifelten Lage gerettet werden soll.
Daß gerade eine ganze Familie in dem stark an den
»Millenium Falcon« erinnernden Raumschiff auf Reise geschickt wird, macht nicht unbedingt Sinn oder dient der Story. Diese hält sich über gut zwei Drittel der Laufzeit eher im Hintergrund, in der das poppige, futuristisch-dynamische Design mit verschiedenen Gimmicks und die stark computerisierten Weltraumactionszenen für beste Unterhaltung – ohne Tiefgang – sorgen. Besonders unterhaltsam ist ein chamäleonartger Weltraumaffe, der einem Spielzeugladen
entsprungen sein könnte und als Maskottchen der Crew herhält.
Zwar ist die Rollenverteilung mit ihrer schwarz-weiß-Zeichnung schwach, sie fällt dennoch vorerst nicht ins Gewicht. Gary Oldman, der Standardbösewicht aus The Fifth Element oder Air Force One ist als schlagwortgebender Buhmann (»Lesson in survival: Never trust anyone. Especially me.«), der hin und wieder eins auf die Mütze bekommt, nur zu bemitleiden. Bis zur Notlandung auf dem Planeten toleriert man sämtliche Schwächen von Lost in Space, fast gewöhnt man sich an die viel zu sterilen, typisch unscharfen Effekte – angeblich 750 Stück –, unterlegt von einem lieblosen Heldenepos-Bombastscore. Doch ab da bricht der Fluß ab, einige Zeit tritt man auf der Stelle und muß vollkommen sinnlose wie dumme Dialoge und peinliche Aktionen über sich ergehen lassen. Zu allem Überfluß geht die arg gebeutelte Logik nun völlig flöten, da auf einmal durch eine Parallelverschiebung der Zeit, die Handlung um 60 Jahre versetzt, zeitgleich nebeneinander läuft. Der Rest wirkt völlig zerfahren und scheint ein komplett anderer Film zu sein. Absolut nicht mehr nachvollziehbar steuert Lost in Space auf ein konfuses Ende zu und erschreckt schließlich noch mit einem Industrial/Pop-Track im Abspann. (Vom Rave-Act Apollo 440, die mit »Ain´t Talking Bout Dub« für eine der witzigsten Cover-Versionen der 90er verantwortlich waren)
Obwohl der Film anfangs deutlich mehr Spaß als selbstverliebte Effekte-Orgien à la The Fifth Element macht, steht er dennoch mit seiner poppig harmlosen Inszenierung ganz in dieser Tradition. Wie man für lockeren Spaß sorgt, macht der aus einem Guß bestehende erste Teil vor, das letzte Dittel sollte man sich dafür schenken.