DK/S/I/F/D 2012 · 116 min. · FSK: ab 0 Regie: Susanne Bier Drehbuch: Anders Thomas Jensen Kamera: Morten Søborg Darsteller: Pierce Brosnan, Trine Dyrholm, Molly Blixt Egelind, Sebastian Jessen, Paprika Steen u.a. |
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Wolkengleiche Absurdität der Liebe |
1
An jenem Tag im blauen Mond September
Still unter einem jungen Pflaumenbaum
Da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe
In meinem Arm wie einen holden Traum.
Und über uns im schönen Sommerhimmel
War eine Wolke, die ich lange sah
Sie war sehr weiß und ungeheuer oben
Und als ich aufsah, war sie nimmer da.
Eine leichte, romantische Liebeskomödie, im reichlich ausgetretenen italienischen Mittelmeerraum angesiedelt, nicht unter Pflaumen- aber Zitronenbäumen und dennoch aus Dänemark? Geht das, muss das sein? War da nicht erst kürzlich Phyllida Lloyds wunderbarer Mamma Mia mit einem ganz ähnlichen Szenario und einem identischen Hauptdarsteller, nämlich Pierce Brosnan? Um den schwer zu kategorisierenden Love is all you need noch ein wenig schwieriger zu verorten ist er auch noch von Susanne Bier, die im letzten Jahr für ihr großartiges, aber auch verstörendes Exerzitium in Sachen Gewalt – In einer besseren Welt – den Oscar für den besten ausländischen Film erhalten hat. Viel leichter und romantischer ging es auch in ihren Filmen davor kaum jemals zu, weder in dem Brüder- und Afghanistankriegpsychogram Brothers noch der Drogenbestandsaufnahme Things We Lost in the Fire. Allein ihre frühe, wundervolle Dogma-Arbeit Open Hearts deutet darauf hin, dass Susanne Bier – wenn auch bittersüße – komödiantische Elemente nicht unbedingt fremd sind.
2
Seit jenem Tag sind viele, viele Monde
Geschwommen still hinunter und vorbei
Die Pflaumenbäume sind wohl abgehauen
Und fragst du mich, was mit der Liebe sei?
So sag ich dir: Ich kann mich nicht erinnern.
Und doch, gewiß, ich weiß schon, was du meinst
Doch ihr Gesicht, das weiß ich wirklich nimmer
Ich weiß nur mehr: Ich küsste es dereinst.
Dass Bier aber dem eher selten mit Überraschungen aufwartenden Genre »romantische Komödie« ihre unverwechselbare Handschrift einprägen kann – ohne dabei die Leichtigkeit und Romantik dieses Genres zu verraten – ist die eigentliche Überraschung, die Love is all you need bereithält. Denn Bier bricht mit fast allen Konventionen der »romantischen Komödie«: Frauen führen, Männer haben Erektions- und Geschlechtsorientierungsprobleme, Hochzeitsplanungen werden radikal über den Haufen geworfen und echte, unwiderufliche Trennungen passieren im Tempo realen Lebens. Und anders als bei Mamma Mia befinden wir uns nicht in Griechenland, sondern in Italien, wird weniger gesungen als gesprochen vor allem aber haben die Protagonisten ein Leben vor und nach der Hochzeit. Diese fragilen Lebenslinien, die Susanne Bier spielerisch und dennoch einfühlsam und immer wieder überraschend miteinander verkettet und verknüpft, besitzen alle notwendigen Sollbruchstellen des Lebens, zum einen wie schon erwähnt wohltuend realistisch, zum anderen ironisch gebrochen angelegt, wie etwa die Lebensskizze der durch ihre Chemotherapie kahlen Friseurin Ida (Trine Dyrholm), deren Ehe in dem Moment in eine Krise gerät, als die Tochter sich aufmacht eine Ehe zu schließen. Dass sie im Moment der Krise ausgerechnet auf Philip (Pierce Brosnan) trifft, der zynisch und weltabgewandt seiner bei einem Unfall gestorbenen Frau nachtrauert und den erst die Liebe zu einer weiteren Todeskandidatin von der Last der Trauer befreit, ist nur eine weitere von vielen fein gewobenen Lektionen in Sachen Liebe & Leben, die Love is all you need so sehenswert machen. Und immer natürlich auch daran erinnern, dass Leben wie Liebe endlich sind und nichts weiter als brüchige Erinnerungen darstellen, die an einem noch viel brüchigeren Leben nur allzu schnell ganz zerbrechen können und eine scheinbar beiläufige Erinnerung an die Liebe oft das einzige ist, was bleibt.
3
Und auch den Kuss, ich hätt' ihn längst vergessen
Wenn nicht die Wolke da gewesen wär
Die weiß ich noch und werd ich immer wissen
Sie war sehr weiß und kam von oben her.
Die Pflaumenbäume blühn vielleicht noch immer
Und jene Frau hat jetzt vielleicht das siebte Kind
Doch jene Wolke blühte nur Minuten
Und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind.
(Bertolt Brecht: Erinnerungen an Maria A.)
Doch selbst im klassischen Bereich des Genres gelingt es Bier zu punkten, auch wegen der hervorragenden schauspielerischen Leistungen des Ensembles, allen voran Trine Dyrholm: das klassische Umkreisen der Liebenden – ohne sich selbstredend gleich zu finden – wird von Dyrholms überraschenden Gesten und einem mimischen Spiel begleitet, dass jede Szene – sei es »der« Kaffee im Restaurant, »die« Begegnung am Meer, »das« Zusammentreffen im Garten zu einer emotionalen Achterbahnfahrt werden lässt. Dass Pierce Brosan dem nichts außer seinem bekannten, limitierten Standardrepertoire entgegenzusetzen hat, tut der Sache keinen Abbruch, im Gegenteil – erst im Spiegel von Brosnans emotionaler Beschränktheit kann sich die Absurdität der Liebe wolkengleich, in ihrer ganzen hanebüchenen Pracht entfalten.