Großbritannien 1999 · 108 min. · FSK: ab 12 Regie: David Kane Drehbuch: David Kane Kamera: Robert Alazraki Darsteller: Kathy Burke, Jennifer Ehle, Ian Hart, Douglas Henshall u.a. |
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Es hätte alles so gut sein können. Tatoo-Künstler Danny (David Henshall) und Designerin Hannah (Catherine McCormack) wollen heiraten, Deckel drauf und Schluß. Doch schon beim Hochzeitsessen platzt die Illusion vom friedlich-trauten Familienglück: Danny erfährt von einem Seitensprung Hannahs, und verlässt seine Braut. Ein Beziehungschaos beginnt; die Zuschauer treiben mit Hannah durch Glasgow und lernen dabei Cameron, Mary, Liam und Sophie kennen, auch Danny taucht wieder auf – allesamt moderate Großstadt-Hedonisten, die eigentlich nicht wissen, was genau sie mit ihrem Leben anfangen sollen, aber trotzdem irgendwie ganz glücklich sind. Jeder hat einmal etwas mit jedem, viel Bier wird getrunken, und fast vier Jahre gehen ins Land – drei Männer, drei Frauen und ein Problem.
Dieses Problem ist nicht unbedingt das Bedürfnis nach einer Auszeit im sich ständig drehenden Beziehungsreigen. Vielmehr ist die Komödie Lover oder Loser des Briten David Kane die ziemlich gelungene Momentaufnahme einer seelischen Grundstimmung, von der große Teile der jüngeren Generation des Westens zur Zeit geprägt sind.
Vor knapp zehn Jahren entdeckten Kino und Literatur die Slacker, ungewaschene Herumhänger und illegitime Nachfahren der Hippies von 1968ff. Der Schriftsteller Douglas Coupland setzte ihnen ein Denkmal, ernannte sie zur Generation X und behauptete damit zugleich, dass es sich eigentlich um ein Massenphänomen handele. Hinter den Slackern ließ sich die Orientierungslosigkeit einer ganzen Generation entdecken, das Drama der gelangweilten Kinder des Westens, denen es zu gut ging, um zu protestieren und zu schlecht, um noch an Utopien zu glauben. Also hing man herum hörte Nirvana, ging statt auf Friedensmärsche auf Love-Parades und kompensierte das existentielle Vakuum mit gutem Leben.
Doch auch die Generation X wird älter. Angekommen im Reich der Thirtysomethings, suchen viele trotz aller Angst vorm Erwachsenwerden ihr Heil in verspäteter Nachahmung ihrer Eltern, von deren Karriereethos sie sich doch längst verabschiedet haben.
An seinen Protagonisten, sämtlich Freiberufler oder Arbeitslose, überdurchschnittlich gebildet, die ihr spärliches Einkomen durch Mac-Jobs aufbessern, zeigt Lover oder Loser, wie diese Imitation
fehlschlägt. Denn die Werte haben sich verlagert. Die alten family values können dauerhaft nicht mehr überzeugen, aber auch Neues zeigt sich nicht am moralischen Horizont. Vor allem findet keiner der sechs aus des Verstrickungen seines »Gesamtkunstwerk Ich« (Ulrich Beck) heraus. Und keiner leidet darunter, denn es lebt sich ja nicht schlecht als Single mit Teilzeitbeziehungen. Es wirkt, als möchte David Kane mit viel Pop-Musik, guten Schauspielern und witzigen Dialogen jene »Tugend
der Orientierungslosigkeit« illustrieren, mit der man vor Jahren aus der Not der Generation X ein Leitbild fürs 21.Jahrhundert basteln wollte.
Sozialkritik fließt zwar ein, doch nicht andeutungsweise so massiv wie in Steven Frears Komödien der Thatcher-Jahre oder in Ken Loachs cinemá engagée. So ist die Grund-Haltung von Lover oder Loser mehr als nur das Spiegelbild des New Labour-England, der Befund passt ebenso für die Bundesrepublik nach Kohl: Ohne Feindbilder, genervt von der Anforderungen einer auch unter Schröder um ästhetische Ansprüche nicht einmal bemühten Politik, flüchtet sich die Erlebnisgesellschaft ins Private, ohne allerdings von hier noch wie in den 80ern das Heil zu erwarten. Kein Zufall, dass Lover oder Loser den angestrengt überkandidelten deutschen Beziehungskomödien der letzten Jahre so ähnelt wie noch kein britischer Film zuvor.
Immerhin zeigt uns Kane auch etwas von der Muffigkeit und etwas verkrampften Unrast dieses Lebens, von der hektischen Euphorie, mit der sich die Figuren in jedes neue Abenteuer stürzen – als ob sie nicht wüßten, dass auch dessen Halbwertszeit kurz ist. Die still-süße Schwermut, in der alle sechs gefangen bleiben, macht die Grenzen des Privaten erkennbar. Aber Bewertungen und was die Welt im Innersten zusammenhält, interessieren den Regisseur herzlich wenig. Lieber gönnt er sich und uns ein wenig Ratlosigkeit und hält sich im Übrigen an seinen Landsmann Oscar Wilde: »Das eigentliche Mysterium der Welt ist das Sichtbare, nicht das Unsichtbare.«