Deutschland 2013 · 101 min. · FSK: ab 12 Regie: Thorsten Klein Drehbuch: Thorsten Klein, Lena Vurma Kamera: Xiaosu Han, Andreas Thalhammer Darsteller: François Goeske, Jytte-Merle Böhrnsen, Josefine Preuß, Pit Bukowski, Anatole Taubman u.a. |
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3D und Surround – trotzdem sinkt die Spannung |
Verfechter eines vielgestaltigen deutschen Genrekinos dürften Lost Place mit einiger Vorfreude entgegensehen. Unternimmt damit doch einmal mehr ein junger Regisseur den Versuch, Mystery und Grusel in der deutschen Filmlandschaft salonfähig zu machen. Eben jene dunklen Gefilde, die hierzulande ein kümmerliches Dasein fristen, obwohl ein Blick in die Vergangenheit durchaus prägnante Traditionslinien erkennen lässt – man denke nur an den filmischen Expressionismus der Weimarer Republik. Ein Erbe, das heute bedauerlicherweise keine Rolle mehr zu spielen scheint.
Dieser Entwicklung wollen Debütregisseur Thorsten Klein und seine Mitstreiter selbstbewusst entgegentreten. Das lässt allein die formale Gestaltung ihres Mystery-Thrillers Lost Place vermuten, der nicht nur in 3D gedreht wurde, sondern auch, als erste deutsche Produktion überhaupt, von Dolby Atmos, einer neuartigen Surround-Sound-Technik, Gebrauch macht. Für ein Erstlingswerk ist dieser Aufwand allemal beachtenswert. Und doch sollte er nicht darüber hinwegtäuschen, dass zu einem intensiven Filmerlebnis nicht zuletzt eine spannend erzählte Geschichte gehört. Eine solche hat Lost Place leider nur vordergründig zu bieten.
In einem Internetforum für Geocacher lernt Daniel (François Goeske) die aufgeweckte Elli (Jytte-Merle Böhrnsen) kennen und verabredet sich mit ihr im Pfälzer Wald, wo sie gemeinsam auf GPS-gestützte Schnitzeljagd gehen wollen. Im Schlepptau hat der junge Mann seinen überdrehten Kumpel Thomas (Pit Bukowski), der ebenso wenig Interesse für die moderne Schatzsuche aufbringen kann wie Ellis Freundin Jessica (Josefine Preuß). Nichtsdestotrotz brechen die vier Teenager auf, um den versteckten Geocache zu finden. Nachdem sie in eine Militärzone eingedrungen sind, stoßen sie auf einen offenbar verwaisten Wohnwagenplatz. Die mittlerweile ausgelassene Stimmung schlägt jäh in Panik um, als sich am Himmel seltsame Phänomene abzeichnen und wie aus dem Nichts ein Mann im Strahlenanzug (Anatole Taubman) erscheint.
Junge Menschen auf dem Weg ins Hinterland, eine leblose Hand im Unterholz, das Eindringen in militärisches Sperrgebiet und der verlassen scheinende Campingplatz: Beim Einstieg in das Geschehen gehen Thorsten Klein und Co-Autorin Lena Vurma auf Nummer sicher und verlassen sich ganz auf die Wirkung etablierter Genre-Konventionen. Tatsächlich können sie auf diese Weise eine recht passable, von unheilvollen Vorahnungen durchzogene Grundstimmung erzeugen. Wie im Mystery- und Horrorfilm üblich geht die Figurenzeichnung nicht über typisierende Zuschreibungen hinaus. Daniel ist der moralisch integre Zauderer, der sich im weiteren Verlauf zum zupackenden Helden wandeln muss. Thomas ist ein Dampfplauderer, der kein Risiko scheut, die Nerven des Zuschauers jedoch zunehmend mit seinem betont lässigen Auftreten strapaziert. Elli wiederum wird als hübscher und aufgeschlossener Love Interest für Daniel eingeführt, während ihre Freundin Jessica die gelangweilte, unsympathische Göre verkörpert.
Ein ernsthaftes Bemühen um Eigenständigkeit kommt schließlich in der eigentlichen Gefahr zum Ausdruck, der sich die Protagonisten gegenüber sehen. Anstatt ausgetretene Hinterwäldler-Pfade zu beschreiten, richten die Autoren ihr gesamtes Interesse auf ominöse Strahlenphänomene. Unsichtbare Antagonisten, von denen schon eine Texttafel vor Einsetzen der Handlung zu berichten weiß. Das Drehbuch hebt vor allem auf den verschwörungstheoretischen Hintergrund des real existierenden US-Forschungsprogramms HAARP ab, wenn es betont, dass die Radiowellen, mit denen das amerikanische Militär angeblich im Pfälzer Wald experimentierte, das Wetter und das menschliche Gehirn beeinflussen können.
Seltsamerweise legen Klein und Vurma schon etwa zur Mitte des Films ihre Karten allzu offen auf den Tisch. Der Fremde im Strahlenanzug fungiert als eine hektische, aber allwissende Instanz, die die wichtigsten Erklärungen zu den elektromagnetischen Wellen bereits an dieser Stelle vor dem Zuschauer ausbreitet. Damit sinkt der Mystery-Gehalt unweigerlich ab, und es ist vorhersehbar, was folgen muss: Den Jugendlichen bleibt nichts anderes übrig, als die Quelle der gefährlichen Strahlen aufzuspüren und sie unschädlich zu machen. Das plötzliche Verschwinden einer Figur erhöht den Handlungsdruck, ist letztlich aber nur ein verzweifelter Versuch, Spannung zu erzeugen. Ohne sonderlich wirkungsvolle Schockmomente – auch 3D-Effekt und Sounddesign können wenig ausrichten – schleppt sich die Handlung voran, um schließlich in einen bisweilen unfreiwillig komischen Showdown zu münden. Erst mit den letzten, äußerst pessimistischen Einstellungen gelingt es dem Debütregisseur, die unheilvolle Atmosphäre des Anfangs zu reproduzieren. Reichlich spät, wenn man bedenkt, dass Mystery-Thriller eigentlich ein durchgängiges Gefühl des Unbehagens verbreiten sollen.