USA 2013 · 122 min. · FSK: ab 16 Regie: Peter Berg Drehbuch: Peter Berg Kamera: Tobias Schliessler Darsteller: Mark Wahlberg, Taylor Kitsch, Emile Hirsch, Ben Foster, Eric Bana u.a. |
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Helden-Propaganda |
Es gibt ihn. Diesen kleinen Moment, der zwischen all dem hektischen Kriegstreiben in Lone Survivor ein – womöglich ungewollt – kritisches Ausrufezeichen setzt. Der schwer verwundete Protagonist Marcus Luttrell (Mark Wahlberg), ein Mitglied der US-Spezialeinheit Navy Seals, findet Zuflucht in einem afghanischen Dorf, das nicht mit den Taliban sympathisiert. Um eine Kugel aus seinem Bein entfernen zu können, bittet der Soldat einen kleinen Jungen, ihm ein Messer zu bringen. Da dieser der englischen Sprache nicht mächtig ist, schaut er Luttrell zunächst unschlüssig an. Erst nach weiterem Bitten verschwindet das Kind und kehrt mit einer Gans zurück, die es seinem Gegenüber freundlich entgegenstreckt. Ein Missverständnis, das Situationskomik produziert. Gleichzeitig aber auch westliche Selbstherrlichkeit offenbart. Immerhin ist Luttrell, ein in Afghanistan stationierter Soldat, nicht in der Lage, dem Jungen auch nur ansatzweise auf Augenhöhe zu begegnen. Ernsthafte Kommunikation scheint unbedeutend, wo Waffen doch so viel deutlicher sprechen können.
Die kurze Episode sticht vor allem deshalb hervor, weil sie das einzig spürbare Gegengewicht zum laut tönenden Patriotismus darstellt, den der Film ansonsten propagiert. So huldigen gleich zu Beginn dokumentarische Aufnahmen dem unnachgiebigen Navy-Seal-Training, das die Elitesoldaten zu willensstarken und loyalen Kämpfern macht. Die Kamera schmiegt sich mehrfach liebevoll an militärische Transportmittel. Und die Hauptfiguren umweht eine Aura unsterblichen Heldenmutes. Anderes durfte man angesichts der Vorlage zu Lone Survivor wohl nicht erwarten. Schließlich behandelt der gleichnamige Erlebnisbericht des realen Marcus Luttrell (gemeinsam verfasst mit Patrick Robinson und 2007 veröffentlicht) ein geradezu traumatisches Kapitel in der Geschichte der amerikanischen Terrorbekämpfung auf afghanischem Boden.
Im Juni 2005 erhält die sogenannte »Operation Red Wings« grünes Licht, die unter anderem die Verhaftung oder Tötung des gefürchteten Taliban-Anführers Ahmad Shah (Yousuf Azami) zum Ziel hat. Neben Luttrell werden die Navy Seals Michael Murphy (Taylor Kitsch), Matthew Axelson (Ben Foster) und Danny Dietz (Emile Hirsch) per Hubschrauber im Bergland der Provinz Kunar ausgesetzt, um den vermuteten Aufenthaltsort Shahs zu bestätigen und gründlich auszuspähen. Anfangs läuft alles nach Plan. Die vier Männer erreichen einen günstigen Aussichtspunkt und können sogar einen kurzen Blick auf ihr Zielobjekt erhaschen. Als jedoch eine Gruppe Ziegenhirten über die im Buschwerk versteckten Amerikaner stolpert, ist guter Rat teuer, denn nun steht die gesamte Mission auf dem Spiel. Nach einer hitzigen Diskussion dürfen die unbewaffneten Afghanen weiterziehen, während die Soldaten ihren Rückzug vorbereiten. Dieser entwickelt sich schließlich zu einem Himmelfahrtskommando, da der Funkkontakt zur Basis abbricht und die mittlerweile informierten Talibankräfte die Navy Seals unter Dauerbeschuss nehmen.
Die unfreiwillige Zusammenkunft mit den vorbeiziehenden Ziegenhirten markiert nicht nur den Punkt, der das Geschehen kippen lässt. Sie dient auch als Nachweis amerikanischer Integrität. Nicht umsonst zeigt Regisseur und Drehbuchautor Peter Berg, wie Marcus Luttrell, dem Geist der Genfer Konventionen folgend, leidenschaftlich darum kämpft, seine Gefährten von einer Tötung der Zivilisten abzubringen. Eine geradezu barmherzige Geste, die das doch arg ramponierte Image des US-Militärs in den letzten Jahren relativieren soll. Es gibt sie noch, will uns der Film hier sagen, die rechtschaffenen Amerikaner, die der zermürbende Krieg nicht zu Unmenschen gemacht hat.
All dies ist jedoch nur das Vorspiel für den eigentlichen Höhepunkt von Lone Survivor: den schier hoffnungslosen Überlebenskampf der vier Protagonisten. Rastlos heftet sich die Kamera an ihre Fersen, fängt schwerwiegende Verletzungen in Nahaufnahmen ein und schaut dahin, wo es wirklich wehtut. Kugeln fliegen unablässig durch die Luft, Angreifer brechen aus dem Nichts hervor. Und Zeitlupen stilisieren das schier unglaubliche Leiden der verzweifelten Soldaten. Unterstützt von einem eindringlichen Sound-Design, entsteht in den Gefechtssequenzen eine Direktheit und Intensität, wie sie in einem Kriegsfilm schon länger nicht mehr zu beobachten waren. »Mittendrin statt nur dabei«, scheint das Motto des Regisseurs gewesen zu sein, der den Zuschauer beinahe physisch an den dramatischen Auseinandersetzungen teilhaben lässt. Actionkino in Reinform sozusagen.
Obwohl Bergs Inszenierung handwerklich beeindruckend gerät, bleibt sie doch vor allem eins: ein zweischneidiges Schwert. Allzu deutlich ist das Bestreben erkennbar, Luttrell und seine Kameraden zu Märtyrer-Figuren zu erheben, die den amerikanischen Wertekanon bis zum letzten Atemzug verteidigen. Der Zusammenhalt der Männer ist ungebrochen. Jedenfalls so lange, wie sich der im Titel anklingende verheerende Ausgang der Mission hinauszögern lässt. Passend dazu werden die Einheimischen zunächst fast ausschließlich als gesichtslose Zielscheiben in Stellung gebracht, und ihr zahlreiches Ableben immer wieder aus Ego-Shooter-Perspektive gefilmt. Platz für Nuancen gibt es auf dem Schlachtfeld nicht. Erst gegen Ende weitet der Film seinen Blick und zeigt, dass auch Afghanen ehrbare Helfer sein können. Das alles freilich wenig tiefschürfend, denn im Vordergrund steht nach wie vor die Verneigung vor den amerikanischen Opfern. Diese Helden dürfen nicht vergessen werden, schreit uns der Abspann regelrecht entgegen, bei dem die realen Akteure in einer minutenlangen Foto-Show über die Leinwand flimmern. Es lebe das Pathos!