Norwegen/F/DK 2015 · 109 min. · FSK: ab 12 Regie: Joachim Trier Drehbuch: Joachim Trier, Eskil Vogt Kamera: Jakob Ihre Darsteller: Jesse Eisenberg, Gabriel Byrne, Isabelle Huppert, David Strathairn, Amy Ryan u.a. |
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Lighter than bombs… |
Jonah ist selbst noch ein eher junger Mann. Gerade ist er Vater eines kleinen Jungen geworden. Ein Rollenwechsel: Bisher war Jonah der Sohn, jetzt muss er Verantwortung übernehmen und wird mit dieser nicht auf Anhieb fertig. Er fährt von Frau und Neugeborenem, weg, um ein paar Tage mit seinem Vater und seinem jüngeren Bruder zu verbringen.
Anlass ist eine Ausstellung mit Photographien der Mutter. Diese war eine weltbekannte Kriegsreporterin – vor ein paar Jahren starb
sie bei einem Autounfall. Dieses Ereignis hat bei allen drei Hinterbliebenen Narben hinterlassen – auch psychische. Warum, das erfährt das Publikum erst im Laufe der Zeit – aber früh ist erkennbar, dass mehr hinter dem Unfall steckt, und düstere Geheimnisse zum Vorschein kommen werden.
Eine wichtige Rolle spielt hierbei vor allem der heute 15-jährige Bruder Conrad. Nach Außen verschlossen flieht er in die künstlichen Paradiese virtueller Welten, und öffnet sich nur als Teilnehmer von Computerspielen wirklich für seine Gefühle.
In Rückblenden und verschachtelt erzählt der norwegische Regisseur Joachim Trier – keineswegs verwandt oder verschwägert mit dem dänischen Autorenfilmer Lars von Trier – die Geschichte seines dritten Spielfilms, des ersten, den er mit einem Ensemble aus internationalen Darstellern gedreht hat. Im Zentrum steht dabei die französische Schauspielerin Isabelle Huppert. Sie spielt die Mutter, eine Star-Reporterin, die zunehmend an ihrer Arbeit verzweifelt. Louder Than Bombs ist auch sonst nicht zuletzt ein Film seiner Darsteller: Jesse Eisenberg und Gabriel Byrne.
Einmal mehr ist dies also ein Film über die Familie, die nach Ansicht mancher schon zu einer Art Ersatzreligion des demokratischen Westens geworden ist. Doch diese Erwartungen überfordern die zerbrechliche Institution: Denn der tödliche Autounfall der Mutter hat das Verhältnis zwischen Vater Gene und seinen Kindern nachhaltig gestört. Vor allem aber haben Gene und Jonah die wahren, öffentlich bislang verschwiegenen Umstände vor dem jüngeren Sohn Conrad geheim gehalten. Nun
droht die Enthüllung der Tatsache, dass die Mutter sich tatsächlich umgebracht haben könnte.
Sie wurde mit ihren Erfahrungen als Kriegsreporterin und der moralischen Konflikte zwischen Darstellung und Ausschlachtung des Leidens zunehmend nicht mehr fertig.
Ein bisschen kann man diesen Vorwurf aber auch Joachim Triers Film selber machen. Denn auch er dokumentiert sensibel, was er auf anderer Ebene auch ausschlachtet. Wahrheitssuche ist nicht so einfach, wie sie scheint.
Louder Than Bombs ist auch ein Film über Männerwelten. Denn indem Trier die Dreiecks-Beziehung eines Vaters und seiner zwei Söhne in den Fokus rückt, handelt er in Wahrheit vor allem auch von der Leerstelle, der Frau und Mutter im Zentrum.
Tod bedeutet vor allem Trauerarbeit und Trauer geht in den Behauptungen der westlichen Kultur immer gern mit anfänglicher Unfähigkeit zur Kommunikation einher, die dann aber aufgeweicht und durchbrochen werden muss. Schweigen und Verdrängen darf – so glauben wir gern – keinesfalls eine Antwort sein, es dominiert der Rede- und Gefühlsbekenntniszwang mit Monologen wie diesem: »Du findest dich eines Morgens irgendwo auf der Welt wieder, du tust etwas, woran du glaubst und was du für wichtig hältst, doch dies ist wahnsinnig frustrierend, weil du es kaum erwarten kannst, wieder nach Hause zu kommen.«
Dies gilt auch für Louder Than Bombs. Die sensible Familienstudie, die durch Gespür für Atmosphären und einen sensiblen Blick auf ihre Figuren besticht, und ihren tieferen Wahrheiten, die auf mehreren Ebenen gleichzeitig verhandelt, trägt zunehmend auch Züge eines überladenen Melodrams. Und wird zum dialoglastigen Kammerspiel. Lauter als Bomben ist hier das Reden der Männer.