USA 2006 · 123 min. · FSK: ab 0 Regie: Sofia Coppola Drehbuch: Sofia Coppola Kamera: Lance Acord Darsteller: Kirsten Dunst, Jason Schwartzman, Rip Torn, Judy Davis, Rose Byrne u.a. |
||
In reizender Pose: Kirsten Dunst als Marie Atoinette |
Eine junge Frau im Nachthemd auf dem Sofa. Beige-graues Pastell prägt den Raum, im Hintergrund stehen lauter rosafarbene Torten. Eine Dienerin pedikürt, plötzlich schaut Kirsten Dunst direkt, verführerisch und zugleich ironisch lächelnd in die Kamera – so als wolle sie sagen: »Das mit dem 'Dann sollen sie doch Kuchen essen'-Spruch wäre damit schon mal erledigt.« Kirsten Dunst ist Marie Antoinette in Sofia Coppolas drittem Film.
So schön und in so reizender Pose hatten wir die junge Königin noch nie gesehen. Das Bild ironisiert die Propagandaerfindung, nach der Marie Antoinette den hungernden Armen zum Genuß von Kuchen geraten haben soll.
Marie Antoinette ist, das gleich zu Anfang, das Gegenteil einer BBC-Doku, obwohl das Portrait von Ludwig XVI. als bemühter, aber spoileder Nerd vermutlich ziemlich treffend ist. Coppola zeigt ein Bild des 18. Jahrhunderts, das weder Kubrick noch Renoir wiederholt, zeigt keine Tragödie, noch bietet sie Systemanalyse. Es geht gar nicht um Geschichte! Und man darf hier wirklich den vielen deutschen Kritikern nicht (!!) vertrauen, die aus Cannes im Mai im Stil von Universitätsprofessoren und der Frauen-Union das Fehlen historischer Fußnoten anmahnten, eine politisch korrekte Darstellung einforderten, und über den Film auch sonst fast nur Schlechtes zu berichten hatten – ganz im Gegensatz zu den Franzosen übrigens, die noch den meisten Grund hätten, sich über das Fehlen der Guillotine und die einseitige Darstellung der Revolution zu beschweren.
»Das Volk«, das vor 1789 natürlich rechtlos war, und oft Hunger litt, kommt hier nicht vor. Warum? Weil es im Leben der Königin nicht vorkam, und weil der Film von dieser Königin handelt. Diese Betrachtungsweise ist übrigens keine Erfindung von Coppola. Es genügt, Stefan Zweigs Roman »Marie Antoinette« zu lesen, oder Antonia Frasers Biografie. Es soll ja auch heute noch Menschen geben, die sich mehr für ihre Schuhe interessieren als für die Armen in der Dritten Welt. Und so gibt es Kritiker, die sich nicht für die Filme interessieren, die sie sehen, sondern für jene, die sie gern gesehen hätten. Also: Negative Kritiken ignorieren, einfach trotzdem reingehen.
Es ist ein Film über Glamour, Celebrity und die Konsumgesellschaft, über junge Frauen zu allen Zeiten, über Einsamkeit. Er könnte auch »Lost in Versailles« heißen, die Ähnlichkeiten zu Coppolas letztem Film sind unübersehbar. Coppolas Popmärchen, genau das macht diesen Film groß, ist ein Plädoyer für die Freiheit des Filmemachens, das nicht akzeptieren will, wie »man von Marie Antoinette zu erzählen hat.« Beim Maskenball tanzt die Gesellschaft daher zu Techno, ein schneller Zusammenschnitt von Luxusgütern zeigt mitten in kostbaren historischen Stiefeln für Sekundenbruchteile ein hellblaues Paar Converse-»All-Star«-Turnschuhe. Das sagt alles über die Haltung der Regisseurin, die mit moderner Musik von modernen Gefühlen erzählen will, und wie in ihren früheren Filmen eher driftet, als einem Plot zu folgen. Marie Antoinette spart die berühmtesten historischen Events bewusst aus, und zeigt lieber, wie es sich anfühlt, erst Prinzessin und dann Königin zu sein, wie es ist, wenn man berühmt ist und immerzu im Rampenlicht steht. Sie zeigt aber ebenso, dass es auch Spaß macht, Königin von Frankreich zu sein, dass es schön sein kann, reich und im Luxus zu leben. Man muss hier keine biografischen Parallelen zur Regisseurin ziehen, um zu spüren, dass hier eine kennt, was sie zeigt.
Coppolas Königin, von Dunst nuanciert gespielt, ist ein Teenager voller Sehnsüchte und Unsicherheit, später ein einsamer, verletzlicher Mensch, der erst dem Hof, dann der Yellow Press und am Ende der Masse ausgesetzt ist, eine junge Frau, die in die Kälte kommt.
Modern daran ist, dass es Coppola gelingt, im Schicksal einer vielleicht nicht einmal besonders sympathischen oder interessanten Frau das Zeitlose zu entdecken, und nebenbei noch etwas vom »Celebrity Kult« unserer Tage zu erzählen. Ein Meisterwerk!