Macbeth

GB/USA/F 2015 · 113 min. · FSK: ab 12
Regie: Justin Kurzel
Drehbuchvorlage: William Shakespeare
Drehbuch: , ,
Kamera: Adam Arkapaw
Darsteller: Michael Fassbender, Marion Cotillard, David Thewlis, Jack Reynor, Paddy Considine u.a.
Macbeth – ganz schön dicke

Heavy-Metal-Macbeth

»It is a tale told by an idiot, full of sound and fury signi­fying nothing.«
Macbeth, V.5

Nebel­schwaden über Schott­land, drei Hexen sprechen ihre Zauber­for­meln und schon steht die Welt unter anderen Gesetzen.

Auch das Kino steht seit jeher unter dem magischem Bann dieses Stückes. Häufiger als viele Shake­speare-Dramen hat man es verfilmt, obwohl »Macbeth« vermeint­lich weniger Spielraum für Regie­ein­fälle und Dreh­buch­phan­ta­sien bietet als die aller­meisten anderen Stücke des Theater-Genies William Shake­speare. »Macbeth«, deutsche Schul­lek­türe, im Gegensatz zu England, wo man »Richard III.« liest, drama­ti­siert Ereig­nisse, die sich um 1050, also kurz vor der norman­ni­schen Eroberung Englands, zuge­tragen haben. Macbeth lehnt sich gegen die Gesetze der feudalen Gesell­schaft auf, indem er die Lehen­streue bricht. Ein Königs­drama, das auch die univer­sale Tragödie der Gewalt darstellt, ein »Spiel der Throne« zwischen Magie und Wirk­lich­keit, das zugleich intimes Ehedrama um ein sich zur Herr­schaft mordendes Ehepaar ist, das einer­seits davon handelt, wie sich ein schwacher Gernegroß von einer intri­ganten Xanthippe um Kopf und Kragen mani­pu­lieren lässt, ande­rer­seits auch, wie ein Paar durch Gewalt immer inniger verbunden ist, das einen Blut­rausch vorführt und erst durch diesen eins wird.

Orson Welles hat es verfilmt, Roman Polanski tat es, als Portrait des Hippie-Zeit­geists, gebrochen durch die schreck­liche Erfahrung seiner persön­li­chen Fami­li­en­tra­gödie (dem Mord an seiner Frau Sharon Tate und seinem unge­bo­renen Kind durch die »Manson Family«), und viele mehr. Erst 2010 kam der letzte Kino-»Macbeth« auf die große Leinwand. All diese Verfil­mungen sind jeweils extremer Ausdruck des Zeit­geists, wie der univer­salen Stärke dieses Dramas. Jetzt hat der völlig unbe­kannte Austra­lier Justin Kurzel das Drama verfilmt – in promi­nenter Star­be­set­zung: Michael Fass­bender und Marion Cotillard spielen Titelheld und seine Frau, die intri­gante Liebende Lady Macbeth. Trotzdem will der Funke nicht über­springen.

Die »Macbeth-Formel«, wenn es so etwas gibt, das ist die Tragödie des Kriegs, eines Kriegs, der nicht aufhören kann, und sich in seinen eigenen Fall­stri­cken verfängt. Shake­speare erzählt von ernsten Dingen: Vom Einzelnen und dem Staat, von Legalität und indi­vi­du­eller Moral. Die Lite­ra­tur­wis­sen­schaft­lerin Elfi Bettinger hat darauf aufmerksam gemacht, dass Shake­speares Dramen in der Zeit des elisa­be­tha­ni­schen Theaters, also in einer Gesell­schaft im Umbruch erzählt werden, und dass sich zeit­gleich das moderne Indi­vi­duum überhaupt erst konsti­tu­iert: »Das große Verspre­chen von Hand­lungs­macht hatte seinen Preis: wie Klaus Reichert festhält, wird das autonome Indi­vi­duum zum Albtraum einer Gesell­schaft im Umbruch. Diese hat die Verbind­lich­keiten ihrer alten Ordnungen verloren und neue haben sich noch nicht heraus­ge­bildet. Mit dem Bruch von Normen und Gesetzen, dem Verbre­chen also, geht der gesell­schaft­liche Halt verloren. Das Böse erscheint nun als Effekt von Autonomie.«

Macbeth ist dieser Böse. Doch bei Kurzel wird er als solcher nicht ernst­ge­nommen. Statt­dessen Gemetzel, kurz, heftig, thea­ter­blut­trie­fend – Exzesse der Gewalt, sie alle.

Bei Shake­speare, das darf man nicht vergessen oder wegreden, gibt es richtiges und falsches Töten. Hier hingegen wiegt alles gleich schwer, ist gleich diffus. Was passiert? Warum? Unsichtbar.

Vom Regisseur Justin Kurzel hat man bisher noch nicht viel gehört, und wer sich Macbeth jetzt ansieht, der weiß nachher auch, warum. Kurzel war 2011 auf dem Fantasy Festival mit The Snowtown Murders vertreten, der bei der ameri­ka­ni­schen Kritik recht gut ankam. Als nächstes wird er den Game-Blog­buster »Assassin’s Creed« in ein Kino­ge­wand pressen. Seine Shake­speare-Verfil­mung diente ihm da offenbar in erster Linie zum Üben – kaum die richtige Voraus­set­zung, um in Konkur­renz mit den klas­si­schen »Macbeth«-Verfil­mungen zu treten.

Vom »großen Mecha­nismus der Welt­ge­schichte«, den der Shake­speare-Forscher Jan Kott in diesem Drama entdeckte, ist hier nichts übrig. Wie ein Western, sagt Kurzel, sei »Macbeth«, das ist natürlich Unsinn, aber genau so hat er »Macbeth« auch insze­niert. Kein guter Western, solle man viel­leicht noch dazu sagen. Die Darsteller haben schwarze Kriegs­be­ma­lungs­schminke im Gesicht, wie deutsche Staats­thea­ter­schau­spieler, wenn sie wild und irgendwie barba­risch wirken möchten.

Der Himmel und das Bild sind meistens wolken­ver­hangen, düster und barba­risch. Kurzel setzt auf Anti-Glamour. Er setzt auf pseu­do­his­to­ri­sche Kostüme, und weil man sich das Mittel­alter primitiv, dreckig und sehr, sehr unzi­vi­li­siert vorstellt, läuft das auf einen kaum verhoh­lenen Kult des Barba­ri­schen und Primi­tiven hinaus. Alles ist braun und schmutzig, der Dreck hängt zwischen den Bärten der Männer und sitzt unter ihren Fingernä­geln. So war es halt im alten Schott­land, soll uns das wohl sagen. Dreckig darf es darum natürlich schon sein, denken wir nur an Polanskis Verfil­mung.

Das Problem dieser Verfil­mung ist, dass uns die Figuren und ihre Probleme dagegen unendlich fern bleiben. Dass sie uns nie nahe gerückt werden. Es ist, als würde ein ständiger Nebel­schleier zwischen uns und dem Lein­wand­ge­schehen liegen. Kurzel fehlt eine eigene Idee, seinem Film fehlt alle Poesie. Er erfüllt statt­dessen alle Klischees von einem Videokid, das es in die Welt der Erwach­senen verschlagen hat.

Fass­bender, der Schmer­zens­dandy des zeit­genös­si­schen Films, ist in der Titel­rolle ein Mann auf verlo­renem Posten. Ein Über­for­derter, von Anfang an ein Getrie­bener, dessen Herr­schaft auf Blut gegründet ist. Nicht Theater- und Shake­speare­schau­spieler-Manie­rismen. Aber heraus­ge­stellte Groß­schau­spie­l­er­kunst – und wie! Die ist ein Problem. Was die alles können!! Hoch­löb­lich durch­ge­stylte Dekla­ma­ti­ons­kunst. Muss man gesehen haben!!! Nicht minder Marion Cotillard als volu­minöse, breit­schult­rige Lady Macbeth, wirkt eher wie die strenge Erzie­herin als wie die Gewalt-Gefährtin des Mannes. Auch sonst ganz schön dicke.

Stil, und zwar prolliger Heavy-Metal-Geschmack, ist alles, fetziges, aber auch sehr tech­nik­las­tiges Bild­de­sign. Mal Zeitlupe, mal Hoch­ge­schwin­dig­keit, mal mit Horror­fil­m­ele­menten, dann leicht japanisch ange­haucht, und man hat den Eindruck, hier würde einer die Prophe­zei­ungen der drei Hexen am Anfang des Stücks ein bisschen zu wörtlich nehmen.

Aber es gibt keinen Rhythmus, keine erkenn­bare Bild­dra­ma­turgie. Ein bisschen Wahnsinn und ein bisschen Machtgier, ein bisschen Mordlust und ein bisschen perverse Weib­lich­keit. Aber selbst das wird hier allen­falls ange­deutet, keines­wegs schlüssig heraus­ge­ar­beitet und indi­vi­duell inter­pre­tiert. Es bleibt ange­schminkte Bedeutung. So ist das Ergebnis lang­weilig, stel­len­weise schwer aushaltbar, öde und präten­tiös.
»Erlebte Gräuel / Sind schwächer als das Graun der Einbil­dung« – eine der besten Zeilen des Stücks. Nichts davon auf der Leinwand. Shake­speare sagt, und bitte hört hin, ihr Träumer, ihr Roman­tiker: Phantasie ist eigent­lich der Feind des Menschen. Phantasie ist die Ursache allen Unglücks und Blut­ver­gießens. Träumer richten Unglück an, die Realisten verbinden die Wunden.

Einen inter­es­santen Gedanken aber gibt es, und ein paar gute Bilder. Der Gedanke: das Kind. Es ist bei Shake­speare ein Nichts, eine Andeutung, kaum eine Zeile wert. Bei Kurzel am Anfang. Beerdigt. Die Tatsache, dass Macbeth und seine Lady keinen Erben haben werden, ist der Beginn des Blut­rauschs. Dann eben Gewalt. Das ist Psycho­logie, also kaum Shake­speare, aber es ist immerhin etwas. Ansonsten bleiben allein die Hexen. Ihnen gehören die wenigen berüh­renden, richtig gelun­genen Szenen dieses Films.