USA 2001 · 97 min. · FSK: ab 12 Regie: Tony Goldwyn Drehbuch: Elizabeth Chandler Kamera: Anthony B. Richmond Darsteller: Ashley Judd, Greg Kinnear, Hugh Jackman, Marisa Tomei, Ellen Barkin u.a. |
Gott ist tot, der Beichtstuhl hat ausgedient. So viel weiß der moderne Mensch. Mal ausgenommen Nortons Glauben ist alles! macht das Kino auch einen immer größeren Bogen um Kirchen, Pfarrer und Beichtstühle. Zelluloid scheint eher geeignet den Vollzug, die Details der Sünden in immer neuen Variationen zu verfolgen, als der Reue und Vergebung eben jener Verfehlungen einen Platz einzuräumen (es sei denn es kommt zum letzten Gefecht zwischen Gott, dem Teufel und einer beliebigen Hollywood-Prominenz. Schwarzenegger zum Beispiel...). In The Mask of Zorro wurde es nur zu offensichtlich: wer als Kameramann den Beichtstuhl betritt kann nicht Fahren, kann kaum Schwenken, der Raum ist einfach zu klein, man muss sich also für Auflösungen entscheiden, die irgendwann zu Beginn des Jahrhunderts vielleicht noch für Aufsehen gesorgt haben. Und jetzt, nach dem allmählichen Verschwinden des Christentums scheint der öffentliche Platz des Geständnisses par exellence der Fernsehbildschirm zu sein. Man hat das in Notting Hill gesehen, in Bamboozled, man sieht es jeden Nachmittag auf mindestens fünf Kanälen. Seelsorge überall, Buße und Sühne, multimedial in jedem Wohnzimmer. Die großen Offenbarungen, die Momente, in denen Menschen so ganz bei sich zu sein scheinen und endlich mit der WAHRHEIT herausrücken. Je mehr Augen zuschauen, desto größer die Vergebung, desto sicherer der Platz im Paradies derjenigen, die auch mal für 15 Minuten berühmt waren. Und wo sonst sollte Jane Goodale, die Heldin des Männerzirkus, zu sich selbst kommen?
Jedoch ist das Geständnis ja immer der Schluss des Films, die Erlösung und Auflösung und bis es dazu kommt, muss Jane noch einige andere Hindernisse aus dem Weg räumen, die emotionalen Spannungen aufbauen, die dann gelöst werden können. Sie ist Gäste-Scout für eine Talkshow, das heißt, sie soll Frischfleisch zum Plaudern ranschaffen. Schicke Wohnung, schickes Leben, neuer Freund, ein Märchenprinz. Alles wunderbar. Bis der Traummann einen Rückzieher macht. Eigentlich wollten die Zwei auf einem weißen Schimmel in die neue gemeinsame Wohnung reiten, aber am Ende sitzt Jane ganz alleine ihrem Gaul. Von allen Männern enttäuscht muss sie zu allem Überfluss auch noch bei ihrem Kollegen Eddie einziehen, einem notorischen Weiberhelden, der dennoch irgendwie sympathisch ist, weil er in seiner Offenheit immer wieder seine Verletzlichkeit offenbart und dem verständnisvoll-verklemmten und dennoch egomanen Prinzen Ray gegenübergestellt ist. Man ahnt es schon, Jane und Eddie werden zusammenfinden, am Ende, wenn per Kabel alles gesagt wird und in der jetzigen Konstellation bietet der Plot genügend Potenzial für 90 amüsante Minuten.
Es ist alles hübsch und effektiv in Szene gesetzt, New York in der Gegenwart, Beziehungsverwirrungen und Irrungen wie in »Friends«, der Sitcom der 90´er, von der man sich auch ästhetisch so einiges abgeguckt hat. Kapiteleinteilungen wie in »Frasier«, schon hier drängt das Fernsehen in das Kino Goldwyns. Aber ein Film ist länger als die Folge einer Serie und so kann Männerzirkus ein bisschen genauer hinsehen, den Auf und Abs, die in ständiger Wiederholung die Fernsehhelden umkreisen, auf den Grund gehen. Theoriebildung. Ein Sprung, ein Umschnitt auf einen Bauern, der uns erklärt, dass ein Bulle eine Kuh niemals zweimal besteigen wird. So ein Tier ackert sich durch den Stall und muss schließlich gegen den Bullen vom Ende der Strasse eingetauscht werden, damit die Dinge ihren Lauf nehmen können, die Kühe schwanger bleiben, die Milch fließt. Da arbeitet sich Jane ab an abstrakten Konzepten, überträgt das Animalische auf das Maskuline und will so ihre eigene Einsamkeit, den Umstand, dass sie verlassen worden ist, im Zuge »postfeministischer« Konstrukte und dem allgemeinen Feindbild »Mann« zum Verschwinden bringen. Sie phantasiert sich in ein alter ego und schreibt von nun an Kolumnen gegen die feindliche Welt des anderen Geschlechts, die scheinbar nur eine halbe Generation aus den Niederungen der Tierwelt herausgewachsen ist. Daneben das Melodram mit Eddie, die Beiden kommen sich näher, distanzieren sich usw. Die aktuelle Geliebte Eddies kommt aus dem Schlafzimmer, gerade als Jane ihm, nur mit Slip und T-Shirt bewaffnet, die Cheerleader-Aufführung der erfolgreichen und vergangen Highschooljahre vorführen darf. Da gibt es einen kurzen Moment der Nähe, Jane darf die Riten der amerikanischen Highschool-Mädchen aufführen, ganz Frau sein. Und wird zunächst doch wieder auf die alten Erklärungsmuster zurückgeworfen.
Die Auflösung der Konflikte erfolgt dann eher nach den Regeln des Genres als nach der inneren Logik der Geschichte. Die Nebenhandlungen hängen ein Stück weit in der Luft und ihr Auftauchen am Ende scheint ein bisschen konstruiert. Aber das ist ja der Vorteil der Fernsehbeichte: Alle Charaktere finden sich ein, versammeln sich vor der jeweiligen Mattscheibe und alle sind somit präsent, ohne denselben Raum einnehmen zu müssen. Sozusagen Montage auf einer höheren Ebene. Jane findet in ihrem Monolog mit der Livekamera das »Wahre«, das »Echte« und warum sie es ausgerechnet hier findet, Auge in Auge mit dem Monster Fernsehen, das normalerweise alles ins Reich der Manipulation drängt, bleibt wohl vorerst ein Geheimnis. Fernsehen, Kino, Wunschmaschine.