Ma Folie

Österreich/F 2015 · 99 min. · FSK: ab 16
Regie: Andrina Mracnikar
Drehbuch:
Kamera: Gerald Kerkletz
Darsteller: Alice Dwyer, Sabin Tambrea, Gerti Drassl, Oliver Rosskopf, Rayana Sidieva u.a.
Ganz nah bei der ausufernden Tollheit

Nicht ganz der Wahnsinn

Folie = Wahnsinn, Narren­streich, Narretei, Narrheit, Tollerei, Tollheit, Verrückt­heit, Wahnwitz – Quelle: leo.org

In ihrem Spiel­film­debüt erzählt Andrina Mracnikar als Autorin und Regis­seurin die Geschichte einer fatalen Liebes­be­zie­hung. Hierbei vermag ihre Regie­ar­beit voll­kommen zu über­zeugen, während das Skript noch Verbes­se­rungs­be­darf erkennen lässt.

Es beginnt damit, dass die Öster­rei­cherin Hanna (Alice Dwyer) in einem Pariser Bistro den deutsch-rumä­ni­schen Yann (Sabin Tambrea) kennen­lernt. Bei beiden ist es Liebe auf den ersten Blick. Und kaum, dass Hanna zurück in Wien ist, bekommt sie auch schon Besuch von Yann. Aber nicht nur das: Yann eröffnet seiner Flamme, dass er für diesen Besuch extra seinen Job gekündigt habe und nun wild entschlossen sei, sein gesamtes weiteres Leben mit Hanna zu teilen. Hanna hat ihrer­seits kurz entschlossen für Yann ihren Freund Goran (Oliver Rosskopf) verlassen. Doch bald schlägt die leiden­schaft­liche Liebe aufgrund von Yanns krank­hafter Eifer­sucht in einen von Paranoia getrie­benen Albtraum um ...

Andrina Mracnikar reichen zwei Minuten aus, um in Ma Folie die den gesamten weiteren Film bestim­mende Ausgangs­lage zu etablieren: In dieser Zeit trifft Hanna per Zufall in Paris auf Yann. Die beiden tauschen einzelne Blicke aus. Schließ­lich läuft Yann der hübschen Öster­rei­cherin hinterher und offenbart sich ihr. Hanna fliegt zurück nach Wien.

All dies geschieht wie gesagt in lediglich zwei Minuten. Diese kurze Zeit ist von der jungen Filme­ma­cherin auf sehr gelungene Weise atmo­s­phä­risch ange­rei­chert. Zudem sitzt jeder einzelne Schnitt. Es geht: zack, zack – und der Zuschauer weiß über alles Bescheid! Beein­dru­ckend bereits hier: Alice Dwyers feines Minen­spiel als Hanna. Aber auch bereits hier reichlich diffus: Sabin Tambrea in der Rolle von Yann. Zudem mögen diese zwei Minuten zwar rein technisch auf perfekte Weise konstru­iert sein. Aber genauso wirken sie auch: konstru­iert! – Und stark konstru­iert wirkt leider auch der gesamte Film.

So sehr Hanna für den Zuschauer zur Iden­ti­fi­ka­ti­ons­figur taugt, so sche­men­haft bleibt Yann. Dies hat zur Folge, dass auch die gesamte Leiden­schaft zwischen den beiden mehr behauptet ist, als erfahrbar gemacht wird. Und als ob die Filme­ma­cherin Andrina Mracnikar in dieses fade Gefühls­ge­flecht mit Gewalt ganz große Emotionen hinein­zu­pressen gedenkt, schickt Yann Hanna irgend­wann Handy­vi­deos, die kleine blutige Kurzfilme in ihrem eigenen Recht sind und die auf geradezu expe­ri­men­telle Weise altes Film­ma­te­rial mit selbst geschos­senen Aufnahmen vermengen. Da darf beispiels­weise auch die berüch­tigte Augen­auf­schlitz­szene aus Luis Buñuels und Salvador Dalís expe­ri­men­tellen Kurzfilm Ein anda­lu­si­scher Hund (1929) nicht fehlen.

Das Ganze ist für ein Amateur­video jedoch eigent­lich schon viel zu sophi­s­ti­cated. Aber ist Yann überhaupt ein Amateur? Wir wissen es nicht. Wir wissen überhaupt nichts über ihn. Yann bleibt bis zum Ende ein Gespenst und da ist es nur zu konse­quent, wenn er sich irgend­wann tatsäch­lich in ein solches verwan­delt. Doch tut er dies wirklich? Wir wissen es nicht! – Es ist uns zu diesem Zeitpunkt aller­dings auch schon ein wenig egal. Zu sehr nimmt die Konstru­iert­heit der ganzen Geschichte spätes­tens dann wahrhaft bedroh­liche Dimen­sionen an, als Andrina Mracnikar die konstru­ierte Beziehung zwischen Yann und Hanna auch noch anhand von Hanna und Goran spiegelt. Denn der hat ... Oder hat er nicht? Und dann ist da auch noch die gemein­same Freundin Marie (Gertie Drassel). Hat sie oder hat sie nicht? Wer weiß, wer weiß ...

Beein­dru­ckend in ihrer Rolle als Hanna ist jeden­falls Alice Dwyer. – Hatte ich das schon gesagt? Die Realitäten verschieben sich hier immer mehr. – Auch wenn um sie herum erst Yann und bald darauf auch das Drehbuch außer Rand und Band geraten, so bleiben wir doch immer ganz dicht bei ihr und verfolgen gemeinsam mit Hanna die zunehmend ausufernde Tollheit, als welche sich auch Ma Folie selbst zusehends entpuppt. – Überhaupt Alice Dwyer: Die war ja auch schon sehr ansehn­lich als Fille fatale in Andreas Kleinerts unter­schätztem Mystery-Thriller Frei­schwimmer (2007), der am Ende ja ebenfalls extrem engleitet – aller­dings gekonnt ...