Deutschland 2023 · 127 min. · FSK: ab 12 Regie: Til Schweiger Drehbuch: Murmel Clausen, Michael David Pate, Peter Grandl, Miguel Angelo Pate, Reto Salimbeni Kamera: René Richter Darsteller: Til Schweiger, Tim Oliver Schultz, Tina Ruland, Nilam Farooq, Tamer Trasoglu u.a. |
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Ironiefreie Anordnung. Beim ersten Teil war man sich da nicht so sicher… | ||
(Foto: Constantin) |
Die Figuren bei Til Schweiger sind Schmerzensfrauen und Schmerzensmänner. Sie stoßen sich den Schädel an Kühlerhauben, werden von Türen umgeworfen, fliegen durch die Luft, hechten aus Autos oder müssen sich den Hintern mit Sandpapier wischen. Es war der Döner, er hat die Verdauung im ungünstigsten Moment angeregt! Solche albernen Slapstick-Einlagen folgen in Manta Manta – Zwoter Teil im Minutentakt und so sehr sie zum entnervten Augenrollen animieren, so prägend sind sie für das ästhetische Prinzip von Schweigers Sequel. Mit fortschreitender Dauer gleicht es immer mehr dem berühmten Autounfall, von dem man die Augen nicht abwenden kann.
Figuren taumeln da von einer Versehrung zur nächsten; die Welt scheint gegen sie zu arbeiten. Der »Wind of Change« weht ihnen um die Ohren – mit diesem Song unterlegt Schweiger die ersten Eindrücke seines Films, während er, Motorengeräusche imitierend, auf einem klapprigen Fahrrad die Landstraße entlangfährt. Die (gar nicht so) heile Welt des Originalfilms hat sich mit all ihren gesellschaftlichen Idealen und Normen verändert. Das Klima ist ungewisser, Generationengräben haben sich aufgetan.
Sich nicht mehr zurechtfinden, aus der Zeit fallen – das meint im Schweiger’schen Kosmos nun etwa die Begegnung mit einer Transfrau. Herr Winkler von der Führerscheinstelle ist plötzlich Frau Winkler. Da war doch was, darüber sprechen doch Menschen gerade, scheint man sich hinter der Kamera gedacht zu haben. Jetzt schlachtet man diese Begegnung für eine unangenehme Nicht-Pointe aus und löst sie später ebenso unbeholfen wieder auf.
In Schweigers humoristischem Inventar fallen solche peinlichen Szenen nicht weiter auf. Der Filmemacher hat in den vergangenen Jahren vorrangig konservative bis reaktionäre Dramen und Komödien gedreht, die sich an einem heißen Eisen nach dem anderen verbrannten. Doch man möchte ihn fast in Schutz nehmen: Manta Manta – Zwoter Teil fällt in dieser Hinsicht zumindest ein wenig harmloser, versöhnlicher aus. Ob es vielleicht an seinen sechs (!) Koautoren liegt?
Manta Manta 2 ist eine Rückbesinnung auf den Kultfaktor des 1991er Originals, damals noch unter der Regie von Wolfgang Büld entstanden. Dessen einstiger Hauptdarsteller eignet sich das Schlüsselwerk seiner Karriere nun gänzlich an. Schweigers Reanimation von Manta, Manta ist in ihrem altbackenen Witz zwar mitnichten zeitgemäß, aber äußerst zeitgeistig und aufschlussreich, wie sie mit ihrem nostalgischen Erinnern verfährt. Der Regisseur übersetzt dabei das grobschlächtige 90er-Zeitkolorit in seinen persönlichen Stil. Bedeutet: entsättigte Farben, dauerhaft sentimentales Gedudel auf der Tonspur, schwindelerregende Schnitte, Verbrechen an der Schauspielkunst, Menschen, die in Zeitlupe durchs Kornfeld tollen oder in Großaufnahme Grimassen schneiden, weil sie alles fühlen, was ein Mensch nur fühlen kann.
Manta Manta 2 ist die Summe dieser Zutaten, ein Best-of. Zum Schluss frisst sich Schweigers Antlitz in Schwarz-Weiß in die Leinwand. Es könnte auch der ikonische Höhepunkt und Abgang für jemanden sein, der künstlerisch eine Schneise des Schreckens in der deutschen Filmlandschaft hinterlassen hat. Seine Werke: konstant furchtbar, aber unterhaltsam und unverkennbar in ihrer Handschrift. Trotzdem sollte man damit nicht einfach einen belächelnden Schlussstrich unter Schweigers bisheriges Gesamtwerk im Allgemeinen und Manta Manta im Speziellen ziehen. Für ein rein ironisches Sehen lässt diese späte Fortsetzung zu tief blicken in ihrer kulturellen Positionierung.
Hollywood und das deutsche Unterhaltungskino reichen sich hier die Hand. Manta Manta – Zwoter Teil verortet sich in einer Tradition jüngerer Legacyquels wie Creed, Ghostbusters: Legacy oder Top Gun: Maverick. Filme, die alte Erfolge mit ihren jeweiligen Kultfiguren aufwärmen und zugleich von einem Generationenwechsel handeln, um sich für die Zukunft zu wappnen. Til Schweiger alias Bertie erscheint dabei als Vertreter einer Freigeister-Welt, welche ins Prekariat abgedrängt wurde. Man kämpft mit Geldsorgen, scheint kaum noch Teil der Gesellschaft zu sein. Berties frühere Geliebte Uschi (Tina Ruland) und Mutter seiner Kinder (Luna Schweiger und Tim Oliver Schultz) hat derweil den gesellschaftlichen Aufstieg geschafft. Sie ist Unternehmerin, besitzt ihren eigenen Friseursalon, hat reich geheiratet.
Moritz Bleibtreu als ihr neuer Mann verkörpert diese ungeheuerliche Sphäre des Kapitals – bei seinen Auftritten werden die Bilder bleich, grau, eisig kalt. Während die nachkommende Generation ebenso mit Geld, Statussymbolen und Überbietungslogik beschäftigt ist, schreitet Schweiger nun als cooler Außenseiter in Lederjacke, Sonnenbrille und mit Zahnstocher zwischen den Zähnen zur Rettung des Klassenbewusstseins. Sein Sohn soll für seine familiären Wurzeln, menschliche Werte, die einfachen Dinge im Leben begeistert werden.
Manta Manta 2 überträgt damit den klassenkämpferischen Subtext des Originals in die Gegenwart, scheut jedoch eine größere systemische Kritik oder Milieustudie. Sie reicht gerade noch zur stumpf bebilderten Schlägerei zwischen Handwerkern alter Schule und den Rich Kids von Heute. Von der angerissenen Frage einer Umverteilung und finanziellen Hilfestellung hangelt man sich zuvorderst zur Erhebung des abgehängten Helden im Glanz seiner eigenen Verantwortung. Manta Manta – Zwoter Teil zeigt sich beflissen darin, das Kämpferische seines Protagonisten auszustellen, einen symbolischen Erfolg beim Autorennen als Zerschlagung der bestehenden Verhältnisse zu manifestieren.
Der Film zeigt damit allerdings keine fundamentale Rebellion oder das neue Selbstverständnis einer sozialen Klasse. Stattdessen beweihräuchert sich eine ältere Generationen und poliert das eigene angeknackste Ego. Jaja, die Jugend könnte sie mit links in die Tasche stecken. Der kunterbunte Opel Manta mag zwar neu lackiert und überpinselt sein, doch darunter schlummert noch der ungebrochene Kern von früher. Mein Auto, meine Freiheit – Schweigers Figur holt vor einer Schulklasse zu einer solchen Rede aus.
Man zollt dem Vergangenen als identitätsstiftendes Moment Respekt und will es vor den Umstürzen der Gegenwart und der Verachtung irgendwelcher Eliten schützen. Damals, da gab es noch echte Freundschaft, da konnte man sich noch einrichten in seiner Welt aus Muskelshirts, Öl und Metall. Motoren brummen wohlig aus der Ferne der Erinnerung. Die Haudegen von einst haben es noch drauf, will dieser Film noch einmal stolz demonstrieren.
Schweigers gefühliges Nostalgiefest zieht sich damit in sich selbst und seine verstaubten Kalauer zurück. Der Versuch eines neuen proletarischen Kinos versandet in zahnloser Spießigkeit. Ein Triumph und Ausbruch aus der eigenen prekären Lage geht dort lediglich in eins mit der verkitschten Sehnsucht nach der intakten, wiedervereinten Kernfamilie. Auch das kennt man zur Genüge aus früheren Schweiger-Filmen und Manta Manta 2 bildet keine Ausnahme.
Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Mix aus Roadtrip, Generationendrama und Altherrenkomödie längst in den absonderlichsten Szenenfolgen verfahren. Gekrönt von einem verstörenden Bilderreigen im Abspann, der konfuse Fragmente an herausgeschnittenem Material montiert. Dazu singt Nino de Angelo »Jenseits von Eden« – Es fühlt sich an, als würden einem Aliens kryptische Signale ins Hirn senden.