Manta Manta – Zwoter Teil

Deutschland 2023 · 127 min. · FSK: ab 12
Regie: Til Schweiger
Drehbuch: , , , ,
Kamera: René Richter
Darsteller: Til Schweiger, Tim Oliver Schultz, Tina Ruland, Nilam Farooq, Tamer Trasoglu u.a.
Filmszene »Manta Manta - Zwoter Teil«
Ironiefreie Anordnung. Beim ersten Teil war man sich da nicht so sicher…
(Foto: Constantin)

Früher waren mehr PS

Der Ruhrpott-Kult kehrt nach über 30 Jahren als typische Til-Schweiger-Komödie zurück: Manta Manta – Zwoter Teil ist so etwas wie das Opus Magnum des Regisseurs

Die Figuren bei Til Schweiger sind Schmer­zens­frauen und Schmer­zens­männer. Sie stoßen sich den Schädel an Kühler­hauben, werden von Türen umge­worfen, fliegen durch die Luft, hechten aus Autos oder müssen sich den Hintern mit Sand­pa­pier wischen. Es war der Döner, er hat die Verdauung im ungüns­tigsten Moment angeregt! Solche albernen Slapstick-Einlagen folgen in Manta Manta – Zwoter Teil im Minu­ten­takt und so sehr sie zum entnervten Augen­rollen animieren, so prägend sind sie für das ästhe­ti­sche Prinzip von Schwei­gers Sequel. Mit fort­schrei­tender Dauer gleicht es immer mehr dem berühmten Auto­un­fall, von dem man die Augen nicht abwenden kann.

Figuren taumeln da von einer Verseh­rung zur nächsten; die Welt scheint gegen sie zu arbeiten. Der »Wind of Change« weht ihnen um die Ohren – mit diesem Song unterlegt Schweiger die ersten Eindrücke seines Films, während er, Moto­ren­geräu­sche imitie­rend, auf einem klapp­rigen Fahrrad die Land­straße entlang­fährt. Die (gar nicht so) heile Welt des Origi­nal­films hat sich mit all ihren gesell­schaft­li­chen Idealen und Normen verändert. Das Klima ist unge­wisser, Genera­tio­nen­gräben haben sich aufgetan.

Sich nicht mehr zurecht­finden, aus der Zeit fallen – das meint im Schweiger’schen Kosmos nun etwa die Begegnung mit einer Transfrau. Herr Winkler von der Führer­schein­stelle ist plötzlich Frau Winkler. Da war doch was, darüber sprechen doch Menschen gerade, scheint man sich hinter der Kamera gedacht zu haben. Jetzt schlachtet man diese Begegnung für eine unan­ge­nehme Nicht-Pointe aus und löst sie später ebenso unbe­holfen wieder auf.

In Schwei­gers humo­ris­ti­schem Inventar fallen solche pein­li­chen Szenen nicht weiter auf. Der Filme­ma­cher hat in den vergan­genen Jahren vorrangig konser­va­tive bis reak­ti­onäre Dramen und Komödien gedreht, die sich an einem heißen Eisen nach dem anderen verbrannten. Doch man möchte ihn fast in Schutz nehmen: Manta Manta – Zwoter Teil fällt in dieser Hinsicht zumindest ein wenig harmloser, versöhn­li­cher aus. Ob es viel­leicht an seinen sechs (!) Koautoren liegt?

Neues aus dem Schwei­ger­versum

Manta Manta 2 ist eine Rück­be­sin­nung auf den Kult­faktor des 1991er Originals, damals noch unter der Regie von Wolfgang Büld entstanden. Dessen einstiger Haupt­dar­steller eignet sich das Schlüs­sel­werk seiner Karriere nun gänzlich an. Schwei­gers Reani­ma­tion von Manta, Manta ist in ihrem altba­ckenen Witz zwar mitnichten zeitgemäß, aber äußerst zeit­geistig und aufschluss­reich, wie sie mit ihrem nost­al­gi­schen Erinnern verfährt. Der Regisseur übersetzt dabei das grob­schläch­tige 90er-Zeit­ko­lorit in seinen persön­li­chen Stil. Bedeutet: entsät­tigte Farben, dauerhaft senti­men­tales Gedudel auf der Tonspur, schwin­del­erre­gende Schnitte, Verbre­chen an der Schau­spiel­kunst, Menschen, die in Zeitlupe durchs Kornfeld tollen oder in Groß­auf­nahme Grimassen schneiden, weil sie alles fühlen, was ein Mensch nur fühlen kann.

Manta Manta 2 ist die Summe dieser Zutaten, ein Best-of. Zum Schluss frisst sich Schwei­gers Antlitz in Schwarz-Weiß in die Leinwand. Es könnte auch der ikonische Höhepunkt und Abgang für jemanden sein, der künst­le­risch eine Schneise des Schre­ckens in der deutschen Film­land­schaft hinter­lassen hat. Seine Werke: konstant furchtbar, aber unter­haltsam und unver­kennbar in ihrer Hand­schrift. Trotzdem sollte man damit nicht einfach einen belächelnden Schluss­strich unter Schwei­gers bishe­riges Gesamt­werk im Allge­meinen und Manta Manta im Spezi­ellen ziehen. Für ein rein ironi­sches Sehen lässt diese späte Fort­set­zung zu tief blicken in ihrer kultu­rellen Posi­tio­nie­rung.

Klas­sen­kampf im Ruhr­ge­biet

Hollywood und das deutsche Unter­hal­tungs­kino reichen sich hier die Hand. Manta Manta – Zwoter Teil verortet sich in einer Tradition jüngerer Lega­cy­quels wie Creed, Ghost­bus­ters: Legacy oder Top Gun: Maverick. Filme, die alte Erfolge mit ihren jewei­ligen Kult­fi­guren aufwärmen und zugleich von einem Genera­tio­nen­wechsel handeln, um sich für die Zukunft zu wappnen. Til Schweiger alias Bertie erscheint dabei als Vertreter einer Frei­geister-Welt, welche ins Prekariat abge­drängt wurde. Man kämpft mit Geld­sorgen, scheint kaum noch Teil der Gesell­schaft zu sein. Berties frühere Geliebte Uschi (Tina Ruland) und Mutter seiner Kinder (Luna Schweiger und Tim Oliver Schultz) hat derweil den gesell­schaft­li­chen Aufstieg geschafft. Sie ist Unter­neh­merin, besitzt ihren eigenen Friseur­salon, hat reich gehei­ratet.

Moritz Bleibtreu als ihr neuer Mann verkör­pert diese unge­heu­er­liche Sphäre des Kapitals – bei seinen Auftritten werden die Bilder bleich, grau, eisig kalt. Während die nach­kom­mende Genera­tion ebenso mit Geld, Status­sym­bolen und Über­bie­tungs­logik beschäf­tigt ist, schreitet Schweiger nun als cooler Außen­seiter in Leder­jacke, Sonnen­brille und mit Zahn­sto­cher zwischen den Zähnen zur Rettung des Klas­sen­be­wusst­seins. Sein Sohn soll für seine fami­liären Wurzeln, mensch­liche Werte, die einfachen Dinge im Leben begeis­tert werden.

Manta Manta 2 überträgt damit den klas­sen­kämp­fe­ri­schen Subtext des Originals in die Gegenwart, scheut jedoch eine größere syste­mi­sche Kritik oder Milieu­studie. Sie reicht gerade noch zur stumpf bebil­derten Schlä­gerei zwischen Hand­wer­kern alter Schule und den Rich Kids von Heute. Von der ange­ris­senen Frage einer Umver­tei­lung und finan­zi­ellen Hilfe­stel­lung hangelt man sich zuvor­derst zur Erhebung des abge­hängten Helden im Glanz seiner eigenen Verant­wor­tung. Manta Manta – Zwoter Teil zeigt sich beflissen darin, das Kämp­fe­ri­sche seines Prot­ago­nisten auszu­stellen, einen symbo­li­schen Erfolg beim Auto­rennen als Zerschla­gung der bestehenden Verhält­nisse zu mani­fes­tieren.

Ein Manta vereint die Genera­tionen

Der Film zeigt damit aller­dings keine funda­men­tale Rebellion oder das neue Selbst­ver­ständnis einer sozialen Klasse. Statt­dessen beweih­räu­chert sich eine ältere Genera­tionen und poliert das eigene ange­knackste Ego. Jaja, die Jugend könnte sie mit links in die Tasche stecken. Der kunter­bunte Opel Manta mag zwar neu lackiert und über­pin­selt sein, doch darunter schlum­mert noch der unge­bro­chene Kern von früher. Mein Auto, meine Freiheit – Schwei­gers Figur holt vor einer Schul­klasse zu einer solchen Rede aus.

Man zollt dem Vergan­genen als iden­ti­täts­stif­tendes Moment Respekt und will es vor den Umstürzen der Gegenwart und der Verach­tung irgend­wel­cher Eliten schützen. Damals, da gab es noch echte Freund­schaft, da konnte man sich noch einrichten in seiner Welt aus Muskels­hirts, Öl und Metall. Motoren brummen wohlig aus der Ferne der Erin­ne­rung. Die Haudegen von einst haben es noch drauf, will dieser Film noch einmal stolz demons­trieren.

Von den Scorpions zu Nino de Angelo

Schwei­gers gefüh­liges Nost­al­gie­fest zieht sich damit in sich selbst und seine verstaubten Kalauer zurück. Der Versuch eines neuen prole­ta­ri­schen Kinos versandet in zahnloser Spießig­keit. Ein Triumph und Ausbruch aus der eigenen prekären Lage geht dort lediglich in eins mit der verkitschten Sehnsucht nach der intakten, wieder­ver­einten Kern­fa­milie. Auch das kennt man zur Genüge aus früheren Schweiger-Filmen und Manta Manta 2 bildet keine Ausnahme.

Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Mix aus Roadtrip, Genera­tio­nen­drama und Alther­ren­komödie längst in den abson­der­lichsten Szenen­folgen verfahren. Gekrönt von einem verstö­renden Bilder­reigen im Abspann, der konfuse Fragmente an heraus­ge­schnit­tenem Material montiert. Dazu singt Nino de Angelo »Jenseits von Eden« – Es fühlt sich an, als würden einem Aliens kryp­ti­sche Signale ins Hirn senden.