Deutschland 2014 · 99 min. · FSK: ab 0 Regie: Lia Jaspers, Sonja Kulkarni Drehbuch: Sonja Kulkarni, Lia Jaspers Kamera: Christoph Lemmen Schnitt: Nina Ergang |
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Überraschend, humorvoll, heiter-melancholisch |
Eine „nette Person“ wollte sie finden, mit der sie „ihr Leben teilen könnte“, ließ die betagtere Dame in der Zeitungsannonce verlautbaren. Die Suche endete jäh: kurz nachdem ihre höchstpersönlichen Zeilen im Manchester Weekly Journal erschien, wurde Helen Morrison unverzüglich in eine Nervenanstalt verbracht.
Das war 1727, das mit diesem Ereignis als Geburtsjahr der Kontaktanzeigen gilt, dem Startschuss jenes Unterfangens, das Schicksal über Dritte in die eigenen Hände zu nehmen. Fast 290 Jahre später ist aus dem Wahnsinn stetig steigende Nachfrage geworden – ein Markt, der mit Dating-Agenturen und Single-Kontaktbörsen in der geteilten und gelikten Welt nochmal gehörig Fahrt aufgenommen hat. Das ist das erste, woran man beim Thema „Partnervermittlung heute“ denkt. Und was im Dokumentarfilm Match Me! von Lia Jaspers komplett ignoriert wird.
Stattdessen porträtiert die Filmemacherin drei Menschen aus unterschiedlichen Nationen, die auf ihrer Partnersuche jeweils ganz unterschiedliche Wege in eine angenehm analoge Öffentlichkeit einschlagen: Sarah aus Österreich geht zum großen Treffen nach Italien, um dort von einer Gruppe „Wissender“ den einzig richtigen Partner vermittelt zu bekommen, Johanna aus Deutschland zieht es nach Irland, wo sie an einem Single-Treffen mit Pub-Ambiente teilnimmt, Sampsa versucht es bei einer unkonventionellen Dating-Event-Agentur zu Hause in Helsinki. Match Me! begleitet die drei sequenzen- und stationenweise vor und bei den Treffen sowie in der Zeit nach dem großen Ereignis, von dem man sich bestenfalls das große Glück und schlimmstenfalls eine wichtige Erfahrung erhofft.
Durch seine konsequente Selektivität hält Match Me! so einiges an Überraschungen für den Zuschauer bereit. Erfolgsquoten „im Minutentakt“ und „mit Niveau“ interessieren bei den grundverschiedenen Vermittlungsarten nicht, wohl aber ihre Methoden, die jeweils am lebenden Subjekt beobachtet werden können. So unterschiedlich die Vorstellungen von Liebe, so unterschiedlich sind die Angebote, sie möglicherweise zu finden – von der rigorosen Ausschließlichkeit bis zum verspielten „Alles kann, nichts muss“.
Hat Spike Jonze in seiner Science-Fiction-Komödie Her die Suche nach Liebe in digitaler Zukunft ernst genommen, so tut Jaspers dies in Match Me! im Hier und Jetzt. Deshalb maßt sich ihr Film weder ein Urteil an über die, die früher mal „Kuppler“ hießen und heute „Matchmaker“ sind, noch über seine suchenden Protagonisten. Diese sind überraschend- und wohltuenderweise keine selbstoptimierten Egomaschinen, denen die Geduld fürs Selbersuchen vor lauter Selbstsucht fehlt, sondern Menschen, denen man gerne in ihre emotionalen Landschaften folgt – Jaspers gebührt Anerkennung dafür, ihnen einen geschützten Raum dafür geschaffen zu haben.
Match Me! ist allerdings kein Seelen-Striptease-Drama. Der Humor des Films, dezent unterstrichen durch das heiter-melancholische Sounddesign von Gerhard Auer, liegt vor allem in seiner Fähigkeit, Suchende mit all ihren Widersprüchen und Erwartungen immer wieder zu entlarven, ohne sie bloßzustellen. Und mag für jeden Zuschauer sein persönlicher „Hab-ich-gleich-gewusst“-Moment reserviert sein: Gut möglich, dass er oder sie an anderer Stelle dann, im biografischen Abgleich, selbst des Wahnsinns überführt wird, den Miss Morrison einst in die Anstalt brachte.