Man of Steel

USA/CDN/GB 2013 · 143 min. · FSK: ab 12
Regie: Zack Snyder
Drehbuch:
Kamera: Amir Mokri
Darsteller: Henry Cavill, Amy Adams, Russell Crowe, Michael Shannon, Kevin Costner u.a.
Bilder vom Dorftrottel

Wie eine Wrestling-Show im Trash-Fernsehen nach Mitter­nacht

Endlos lang, unheim­lich laut: Der neueste »Superman«-Versuch

»Truth, justice and the American way«
Superman-Werbe­spruch

Comic-Buch-Verfil­mungen sind schon eine merk­wür­dige Sache. Wer aus dem Fanboy-Alter entwachsen ist, und nüchtern auf dieses Film-Genre blickt, der muss als erstes Mitleid haben mit den Machern: Was kann man schon erreichen mit einer Handlung, bei der der Held nicht sterben kann, und über über­mensch­liche Kräfte verfügt, die ihn selbst Außer­ir­di­schen gegenüber überlegen machen? Was tun mit einem Material, das in den aller­meisten Fällen einer Haupt­ziel­gruppe in all seinen Details und Verflech­tungen derart gut bekannt ist, dass schon von Anfang an keinerlei Über­ra­schung mehr möglich scheint? Dazu kommt: Superman ist eine kleine-Jungs-Phantasie. Den Mann mit dem Tiger im Tank kann man nur ernst nehmen, indem man ihn nicht ernst nimmt, sondern souverän mit ihm spielt, anstatt feigen Gehorsam gegenüber den Erwar­tungen der Fan-Gemeinde zu üben.

Auch Zack Snyder wählt in seiner endlos langen unheim­lich lauten »Superman«-Verfil­mung Man of Steel den nahe­lie­gendsten aller Auswege aus diesem Dilemma: Er zeigt den Super­helden als jungen Mann, erzählt davon, wie Superman überhaupt erst wurde wurde, was er ist, zeigt die Genese der Außer­ge­wöhn­lich­keit. Snyder geht dabei sogar noch einen Schritt weiter zurück: Das aller­erste Bild des Films zeigt seine Geburt und zumindest Fans der Comic-Vorlage wissen damit dass wir uns in einer fernen Galaxie, auf dem Planeten Krypton befinden. Haupt­ak­teur dieser Szenen ist Jor-El. Russel Crowe spielt Supermans Vater und in den nächsten Minuten wird klar, dass dieses Kind – wie es heißt »die erste natür­liche Geburt seit Jahr­hun­derten« – nicht weniger ist als ein geplanter Messias, geschaffen, um in einer Welt­un­ter­gang­si­tua­tion »Rasse« und »Volk« des verdammten Planeten das Überleben zu sichern.

Ein Über­le­bender. Ein Königs­sohn, der ähnlich wie einst Moses als Neuge­bo­rener bereits von bösen Wesen verfolgt, mit dem Tode bedroht, und von seinen Eltern in einer Über­le­bensbox in die Sicher­heit einer anderen Welt gebracht wurde. Dort wächst er dann heran, in der gleichen Gegend, zwischen den gleichen Feldern, wie Dorothy im The Wizard of Oz, bevor sie dann ins zauber­hafte Land aufbricht. Er ist zunächst ohne alles Wissen über seine wahre Herkunft, aber in einer unbe­wussten Ahnung, dass er irgendwie anders sei. Später dann, als er seine Geschichte kennt, tarnt er sich geschickt, lebt angepasst das Leben eines ideal­ty­pi­schen Durch­schnitts­bür­gers: Mit Brille, Kurz­haar­schnitt und Trench­coat. Nur gele­gent­lich muss er die Welt retten. Dann kämpft er gegen Hitler, gegen Außer­ir­di­sche und gegen andere Bedro­hungen der Mensch­heit. Er trägt einen hebräi­schen Namen: »Kal-El« für »Gott ist in allem«, sein Pseudonym ist Clark Kent, aber wir alle kennen ihn nur als »Superman«.

Zack Snyder, Regisseur des über­schätzten 300 und des unter Wert gelau­fenen Sucker Punch, insze­niert diese sehr ausführ­liche Expo­si­tion mit einer Gelas­sen­heit, die sein Film später bald verliert und nicht wieder­ge­winnt. Das gelungene Produk­tion Design erinnert an H.R. Gigers epochale Arbeit für Alien, spielt von fern auch an Matrix und Avatar an.

Das geht ungefähr eine knappe halbe Stunde lang, und diese 30 Minuten denkt man, es geht gut, hält die Hoffnung, es könnte diesmal funk­tio­nieren mit »Superman«, dem ewigen Klas­sen­primus und Streber unter den Super­helden, der trotz Chris­to­pher Reeves unver­gess­li­chen Auftritten in vier Filmen zwischen 1978 und 1987 im Kino nie auch nur annähernd so erfolg­reich war, wie »Batman«, »Spider-Man« und andere.

Danach verliert der Film aber schnell seine klare Struktur. Zum einen jagt die Handlung etwas außer Atem mit Nola­nesken Unter­bre­chungen voran, als gälte es Pflicht­sta­tionen abzuhaken und durch ständige Actionein­lagen dem Zuschauer keine Ruhe zu lassen. Zugleich aber wird dieser Weg von A nach B nach C bis zum vorher­seh­baren großen Showdown mit dem bereits in der Einlei­tung etablierten General Zod und seiner Heavvy Metal Band fort­wäh­rend durch Rück­blicke unter­bro­chen. Sie zeigen Superman als Farmers­sohn Clark Kent, der in Kansas aufwächst, und immer wieder erstaun­liche über­mensch­liche Fähig­keiten unter Beweis stellt, die er erst allmäh­lich annimmt, und zu beherr­schen versteht. Aber voller Ernst, melan­cho­lisch, ohne Witz. Schon der Zwölf­jäh­rige guckt nur verhuscht nach den Mädchen und spielt nicht mit den anderen Jungs, sondern liest: Platos »Politeia«. Das sind so Hollywood-Einfälle. Wäre Zack Snyder lustig, hätte er ihm wenigs­tens Nietz­sches Fake-Best­seller »Der Wille zur Macht« zu lesen gegeben.
Doch Clark/Superman ist auch diesmal wieder der ewige Nerd und lang­wei­lige Gutmensch unter den Super­helden – ein Streber ohne Fehl und Tadel. Sie zeigen den Helden auch als Sohn in einer doppelt ödipalen Konfron­ta­tion mit seinen beiden Vätern: Dem sozialen Jonathan Kent und dem biolo­gi­schen Jor-El, der aus dem Jenseits per Computer-Animation zu ihm spricht und Anwei­sungen gibt. Kevin Costner spielt Jonathan, und es ist sein Crowes Auftritt, der den Zuschauer hier über manch' filmische Ödnis hinweg­tröstet.
Um das Handlungs-Bild komplett zu machen taucht dann auch Lois Lane auf, Jour­na­listin und, wie wir wissen, Clarks zukünf­tige Liebe. Amy Adams spielt sie über­zeu­gend als nase­weises All-American-Girl.

In diesem Fall wird aber von Anfang an die Figur verändert. Wir erinnern uns: In den Comics dominiert eine vertrackt fatale – fast möchte man sagen: tragische – Konstruk­tion. Clark Kent liebt Lois Lane, Lois Lane verachtet Kent und liebt Superman, aber Clark Kent als Superman kann diese Liebe nicht erwidern, weil er seine geheime Identität schützen muss. Als Superman rettet er Lois eins ums andere Mal das Leben, wofür sie ihn bewundert. Als Kent muss er sich sich hilflos gefallen lassen, dass Lois sich über ihn lustig macht. Bei Snyder aber weiß Lois von Anfang an um die Identität von Kent und Superman. Oder besser: Darum, dass Clark Kent gar nicht existiert.

Trotz dieses Verrats ist Lois Lane hier immerhin für den einzigen echten Witz in der humor­freien Superman-Zone gut: Als sie ihn mal in seiner Uniform sieht, guckt sie eher amüsiert, als beein­druckt: »What’s the S stand for?« – »It’s not an S. On my world it means hope.« – »Well, here, it’s... an S! How about Su...« Dann werden sie unter­bro­chen, aber gewis­ser­maßen ist sie seine Namens­ge­berin, und man kann die komplette Superman-Serie auch als Klein­mäd­chen­phan­tasie eines unver­hei­ra­teten, berufs­tä­tigen Blau­s­trumpfs deuten, so wie umgekehrt als Allmachts­traum des Spießbür­gers Clark Kent. »Denn Clark Kent« so der italie­ni­sche Semio­tiker Umberto Eco in seinem klugen Essay »Der Mythos von Superman« »perso­ni­fi­ziert hinrei­chend typisch den durch­schnitt­li­chen Leser, er ist diesem ähnlich und nährt dessen geheime Hoffnung, eines Tages die Fesseln der Mittel­mäßig­keit abstreifen zu können: von einem Bieder­mann zu einem Welt­be­weger zu werden.«

Der Spaß für Superman und den Zuschauer hält sich bei alldem jeden­falls in engen Grenzen. Die Dark Knight-Trilogie des Superman-Produ­zenten Chris­to­pher Nolan war bereits überaus humorlos, und Zack Snyder hat die Ironie schon bisher nicht erfunden, und seinem Film fehlt komplett jene Lässig­keit, die die Vorher­seh­bar­keit der Handlung und den feigen Gehorsam gegenüber den Erwar­tungen der Fan-Gemeinde noch erträg­lich machen könnte.

Vor 75 Jahren kam »Superman« zur Welt. Ende Juni 1938 erschien die erste Ausgabe der »Action Comics«, mit der Auftakt-Folge der Abenteuer eines Super­helden. Auf dem Cover des nunmehr legen­dären Heftchens, das seiner­zeit zum Preis von 10 Cent zu haben war, und 2012 Sammlern etwa eine Million US-Dollar wert war, steht er bereits in schlumpf­blauem Pyjama und schmeißt ein Auto durch die Luft.

»Ich stellte mir eine Figur wie Samson, Herkules oder wie einen der anderen starken Männer vor. Nur noch stärker« – so beschrieb Jerry Siegel seine Erfindung. Gemeinsam mit seinem gleich­alt­rigen Schul­freund, dem Zeichner Joseph Shuster schuf der 1914 geborene Siegel mit »Superman« eine der erfolg­reichsten Comic-Helden der Welt und den Archetyp aller Super­helden. Zwei spät­pu­ber­tie­rende Jungs aus ärmlichen jüdischen Einwan­de­rer­ver­hält­nissen in Cleveland/Ohio verän­derten mit ihrer Erfindung die Welt der Popkultur. Denn Superman schlug ein wie ein Meteorit aus Kryptonit – bereits das vierte Superman-Heft erreichte ein Jahr später eine Millio­nen­auf­lage. Im gleichen Jahr folgten Nach­ah­mungen: »Batman« von Bob Kane, Joe Simons »Captain America« – schon vor ein paar Jahren belegte eine große Ausstel­lung, die unter anderem in Paris, Amsterdam und in Berlin zu sehen war, dass es sich bei den wich­tigsten Comic-Super­helden Amerikas um Erfin­dungen jüdischer Autoren handelt.

Viel­leicht ist dies tatsäch­lich kein Zufall: Man muss kein Freu­dianer sein, um dies als kompen­sa­to­ri­sche Entlas­tungs­phan­ta­sien zu verstehen: Figuren, die ein Doppel­gän­ger­leben führen, die unter der Maske einer bürger­li­chen und eher »schwachen« Durch­schnitts­e­xis­tenz über Super­kräfte verfügen, mit denen sie alle Demü­ti­gungen des Alltags rächen, das Böse bekämpfen und die Welt ein bisschen besser machen. Die Macher lebten in ihren Helden Wunsch­träume aus. Und gerade Superman, der zwar weniger Psycho­logie und Abgründe, aber dafür größere Projek­ti­ons­flächen bietet, wurde in der Vergan­gen­heit oft in einem explizit jüdischen Sinn gedeutet: Als Moses-Gestalt, als David, der immer wieder den Kampf gegen einen über­le­genen Bösen aufnimmt, als Figur, die an die mythische Golem-Gestalt angelehnt ist, als eine »ulti­ma­tive jüdische Assi­mi­lie­rungs­phan­tasie« (so der Kari­ka­tu­rist Jules Feiffer) über einen Einwan­derer, der aus einer anderen Galaxie auf der Erde gestrandet ist, der sich als Außen­seiter fühlt und seine Anders­ar­tig­keit im Alltag verbirgt, sich anzu­passen versucht. Oder eben als eine Messias-Figur.

Seit den ersten Heften spiegelt dieser Charakter die Geschichte Amerikas und des Westens im vergan­genen Drei­vier­tel­jahr­hun­dert. Zu seiner Erfin­dungs­zeit trugen Supermans Abenteuer eine konkrete histo­ri­sche Signatur: Superman war ein Kind der späten Depres­si­ons­jahre und der Ära von Roose­velts »New Deal«. Das visuelle Vorbild, nach dem Joseph Shuster die Figur gezeichnet hat, war Hollywood-Star Douglas Fairbanks – nur eben ohne Schnurr­bart, so glatt­ra­siert – »kastriert?« würden Freu­dianer fragen –, wie es sich für den braven, modernen »All American Boy« gehörte. Mit Clark-Kent-Brille ähnelt Superman dann eher Harold Lloyd – dem »kleinen Ange­stellten« der Stummfilm-Ära, der vom Aufstieg träumt – ein geschickter Erzähltrick, weil sich hier alle Unter­pri­vi­le­gierten wieder­finden, und als Superman gleich ihre heim­li­chen Allmachts­phan­ta­sien ausleben können.

Er begegnete auf dem Land und als Reporter in der Großstadt »Metro­polis« viel Alltagsnot, war sozial engagiert und hat kümmert sich zunächst einmal um Waisen­kinder, einen Boxer, dessen Kampf verschoben wurde und um verprü­gelte Ehefrauen. Zugleich ist er selbst wie seine Leser dem harten Konkur­renz­kampf des Kapi­ta­lismus ausge­setzt, und kämpft als Ange­stellter des »Daily Planet« um die besten Aufträge – keines­wegs immer erfolg­reich. Auch war er keines­wegs so omni­po­tent, wie später. Zwar besaßen bereits die ersten Comics fast alle Ingre­di­en­zien der späteren Erfolgs­figur – blaues Kostüm mit einem S auf der Brust; außer­ir­di­sche Herkunft; über­mensch­liche Stärke; Unver­wund­bar­keit – aber er konnte noch nicht fliegen, sondern nur sehr weit hüpfen. Auch hatte er noch keinen Rönt­gen­blick und war durch Dynamit verwundbar. Umgekehrt gab es auch noch kein Kryptonit – bekannt­lich Supermans Achil­les­ferse. Das war – eine Art Strah­len­waffe – erst eine Erfindung des Atom­zeit­al­ters, seit Mitte der 40er. Denn nicht mit Comics, sondern erst später als landes­weite Radioshow, gesponsort von Corn-Flakes-Papst »Kelloggs« wurde Superman in den wenigen Jahren vor dem Durch­bruch des Fern­se­hens so richtig populär.
Im Jahrzehnt zuvor hatte er es vor allem mit Faschisten zu tun gehabt – eine glück­liche Zeit, weil der Feind feststand und jeden­falls von Außen kam. Superman verprü­gelte Goebbels und Hitler mit einem »ganz und gar un-arischen Faust­schlag in deinem Gesicht«, hob einen inner­ame­ri­ka­ni­schen Spio­na­ge­ring der Nazis aus, und stärkte nicht nur die Moral der US-Army, als er zuhause für den Kauf von Kriegs­an­leihen warb. »Superman ist Jude!«, soll in Deutsch­land Reichs­pro­pa­gan­da­mi­nister Goebbels ausge­rufen haben, unge­ach­tret der Tatsache, das Clark Kent Weih­nachten feiert. Und kurz nach ihrem ersten Erscheinen wurden die Abenteuer im deutschen Zeit­schrif­ten­markt verboten – was noch bis in die 70er-Jahre in der Comic-Skepsis der linken Pädagogik bürger­li­cher deutscher Eltern­häuser – der Kinder und Enkel der Goebbels-Gene­ra­tion – nach­wirkte.
Bereits lange vor Kriegs­ein­tritt der USA hatte eine Sonder­aus­gabe des Magazin Look im Februar 1940 keck gefragt: »What if Superman ended the war?«

Gerade in den frühen Comics agiert Superman handfest und mitleidlos, mehr dem Klischee von Friedrich Nietz­sches »Über­mensch« entspre­chend, nach dem ihn angeblich seine beiden Schöpfer designed haben. Dessen Trivi­al­ver­sion. Das erste deutsche Superman-Abenteuer erschien 1950. Ende der 50er begann dann Supermans langsamer Abstieg. Die Zensur bügelte alles Wider­sprüch­liche glatt, strich Sex und Gewalt zusammen, und der sowieso schon biedere Held bekam Konkur­renz durch wilde Under­ground-Comics. Der ambi­va­lente Batman und Jüngling Spiderman über­flü­gelten Superman. So geht es diesem Helden nicht anders als seiner Wahl­heimat. Zwischen der melan­cho­li­schen Härte des Millionärs Batman und der jugend­li­chen Heiter­keit eines Spiderman wirkt Superman plötzlich bieder und konser­vativ. Während Batman ein Mensch ist, einsam, isoliert mit Gefühlen, ist Superman ein gott­glei­cher Alien aus einer anderen Galaxie, der geschaffen wurde um die infan­tilen Sehn­süchte junger Männer zu befrie­digen – wie die Ideologie namens »Amerika«. Doch das Verspre­chen des American Way of Life ist brüchig geworden, der Traum von Jerry Siegel und Joseph Shuster ein Opfer des Erfolgs wie der Desil­lu­sio­nie­rungen des Ameri­ka­ni­schen Jahr­hun­derts.

Mitte der 80er wurde die Serie in Deutsch­land einge­stellt. In den USA verord­nete der DC-Verlag dem Helden 1986 einen Relaunch: Von nun an musste er Gefühle zeigen, Lois Lane heiraten. 1992 kam dann »The Death of Superman« – Fünf-Millionen-Auflage sicherten seine Wieder­auf­er­ste­hung. Er war Jesus geworden.

Schon vorher hatte sich Superman aus der Geschichte gelöst, und war zum Mythos geworden: Archai­sches Heldentum. 1964 beschrieb Umberto Eco Superman nicht als Epos, sondern als Mythos: Die Rückkehr des Archai­schen in der Moderne. Seine Doppel-Identität, so Eco »begüns­tigt und befördert die Mythen­bil­dung.« Doch so Eco, wegen seiner Unbe­sieg­bar­keit befinde er sich »in der bedenk­li­chen narra­tiven Situation, ein Held ohne Gegner und damit ohne Entwick­lungs­mög­lich­keiten zu sein.«

Das merkt man der neuen Verfil­mung an. Die zweite Hälfte ist gänzlich ohne Span­nungs­bogen, nur einfach lang und ganz episo­disch und besteht aus nur grob anein­an­der­ge­ta­ckeren Einzel­mo­menten, die endlos in die Länge gestreckt und mit einem unheim­lich lauten und knalligen Sound-Design aufge­peppt worden sind.

Die Kamera verschenkt vor lauter Enge und Dunkel­heit des Materials weit­ge­hend die Ästhetik des plötz­li­chen Anflugs und des entschei­denden Augen­blicks, die diesen Held immer ausmachte, das Design orien­tiert sich wie bei Nolan immer und auch in Snyders 300 an Leni Riefen­stahls Heroismen: Extreme Nahauf­nahmen von Gesich­tern, leicht von unten und gegen den Himmel. Dazu nackte oder quasinackte, in Latex-Pellen gequetschte über­trieben große Muskeln, die Superman wie eine dunkel­blaue Leber­wurst aussehen lassen, und die ganze übrige krypto-faschis­ti­sche Ikono­gra­phie, die man aus den Dark Knight-Filmen kennt.

Im letzten Viertel mündet der Film in Zers­tö­rungs­or­gien, wie man sie nach 9/11 im US-Kino nicht gesehen und vor allem nicht für möglich gehalten hat – zuerst treffen sie die Klein­stadt »Small­ville« in Kansas, dann das New York-ähnliche »Metro­polis«. Sie ermüden vor allem durch die blöde Redundanz, mit der hier immer wieder ein paar Häuser und Innen­räume durch­stoßen werden und immer wieder Fäuste und Körper anein­an­der­kra­chen. Das alles ähnelt mehr einer Wrestling-Show im Trash-Fernsehen nach Mitter­nacht, und so verfes­tigt sich der Eindruck, dass Snyder es nach dem Sucker Punch-Flop wohl nötig hatte, seine Hollywood-Karriere dadurch wieder zu festigen, dass er »seinen« Super­hel­den­film mit möglich vielen Anleihen an den Erfolgs­film 300 insze­niert.

Auch Man of Steel bleibt jenseits seiner frag­wür­digen poli­ti­schen Botschaften nur dadurch in Erin­ne­rung, wie über­deut­lich der Regisseur hier seine Faszi­na­tion für muskulöse Männer­körper auslebt, die er gern aktiv in Gebrauch oder in passiver Begat­tungs­hal­tung in Erwartung der nächsten Prügelei zeigt – möglichst auch mal unbe­kleidet, und jeden­falls stählern hart und perfekt geformt; wie der größte Rest des Films feti­schis­tisch und unfrei­willig komisch.

Es gilt das Wort des Darstel­lers Martin Wuttke: »Superman ist immer auch der Dorf­trottel«

»Klassiker der Comic-Literatur – Folge 1: Superman«; hrsg. von der Frank­furter Allge­meine Zeitung, 5. September 2005 [anti­qua­risch erhält­lich]

Larry Tye: »Superman. The High-Flying History Of America’s Most Enduring Hero«. Random House, 409 S., 27 Dollar