USA 1997 · 116 min. · FSK: ab 12 Regie: Philip Noyce Drehbuch: Leslie Charteris, Jonathan Hensleigh, Wesley Strick Kamera: Phil Meheux Darsteller: Val Kilmer, Elisabeth Shue, Rade Serbedzija, Valeri Nikolayev u.a. |
Gestern in Hongkong. Ein kleiner Junge rebelliert gegen die strengen Grundsätze eines katholischen Waisenhauses. Beim Fluchtversuch kommt seine Freundin unter dramatischen Umständen ums Leben. Später als Erwachsener wird er sich den Namen Simon Templar geben und in unzähligen Verkleidungen und Identitäten versuchen Erlösung von den Alpträumen seiner Kindheit zu finden.
Ein Film also über einen Mann auf Identitätssuche, über Schuld und Sühne?
Nein, nur ein James Bond-Film. Alles ist beim alten geblieben: Der Held ist ein smarter Brite, die Schurken sind sinistre Osteuropäer. Darüber muß man sich jetzt auch gar nicht aufregen, das war in den meisten besseren Bond-Filmen so und was zu Zeiten des kalten Krieges recht war ist jetzt erst recht billig. Leider ist The Saint aber kein besserer Bond-Film, eher ein sehr schlechter, was
heißt daß er ungefähr so aussieht wie Mission: Impossible.
Vorbild war wieder einmal, man gewöhnt sich ja langsam daran, eine TV-Serie aus den flotten Sechzigern, diesmal »Simon Templar«. Auf der Suche nach einem ähnlich begnadeten Anticharismatiker wie weiland Roger Moore stieß Regisseur Phillip Noyce schließlich auf Val Kilmer, der ja außerdem bei Kollegen und Regisseuren momentan als heißer Kandidat auf den Titel »Arschloch des Jahres« gehandelt wird. Das zu beschützende Wesen an seiner Seite spielt Elisabeth Shue, die leider den ganzen Film über häßliche Strickpullis tragen muß damit man erstens merkt daß sie nicht einfach irgendeine dahergelaufene blonde Schlampe ist sondern Atomphysikerin und damit sie zweitens unseren Helden auch ja an seine verstorbene Jugendliebe erinnert.
Überhaupt hat sich seit den Sechzigern so einiges verändert: Das wilde Schauplatz-Zapping muß jetzt nicht mehr im Studio nachgestellt werden (wenn z.B. die Tower-Bridge übergroß ins Bild rückt steht am unteren Bildrand »London« damit auch der notorische Stubenhocker gleich weiß wo man sich gerade befindet), die sinistren Osteuropäer werden inzwischen von echten sinistren Osteuropäern (Valery Nikolaev, Rade Serbedzija) dargestellt und um technisch auf dem neuesten Stand zu sein
haben die Firmen »Apple-Computer« und »Nokia« ihre neuesten Spielgeräte (deutlich sichtbar) zur Verfügung gestellt.
Alles ist also größer, besser und moderner geworden. Nur den alten Charme haben sie dabei getötet.
Katholiken glauben an Heilige, aber nicht an Reinkarnation. Hollywood-Produzenten glauben hingegen nur an Geld. Und daran, daß sich selbiges in Mengen scheffeln läßt, wenn man alten Fernsehserien zu einer Wiedergeburt als Big-Budget-Spektakel verhilft.
Weshalb wir uns als Zuschauer nun an The Saint erfreuen dürfen, der (basierend auf den Romanen von Leslie Charteris) bereits in den 60ern in Gestalt von Roger Moore auf britischen Bildschirmen sein Unwesen
trieb.
Die nahe Zukunft: In Rußland wird das Heizöl knapp, und ergo die Bevölkerung sauer. Wer in dieser Situation dafür sorgen könnte, daß es die Russen nicht länger friert, der hätte das Volk auf seiner Seite. Das weiß auch der machthungrige, kommunistische Demagoge Ivan Tretiak (Rade Serbedzija). Da kommt es ihm gerade gelegen, daß die amerikanische Wissenschaftlerin Dr. Emma Russell (Elisabeth Shue) soeben der staunenden Weltöffentlichkeit verkündet hat, daß es ihr gelungen
sei, ein funktionierendes Verfahren für die legendäre „Kalte Fusion“ zu entwickeln, mit dem alle Energieprobleme für immer zu lösen wären.
Tretiak beauftragt den geheimnisvollen Meisterdieb Simon Templar (Val Kilmer) damit, ihm die Formel zu verschaffen. Templar ist ein mit modernster Technik ausgestatteter Verwandlungskünstler, dessen einzige Loyalität dem Geld zu gelten scheint. Er ist ein Filmheld wie aus den guten, alten, politisch inkorrekten Tagen, dem die
Frauen reihenweise zu Füssen liegen – was er auch gehörig ausnützt.
So denkt er sich nicht viel dabei, daß der Weg zur Formel (buchstäblich) über das Dekolleté von Dr. Russell führt. In kürzester Zeit hat er sie planmäßig becirct – doch unerwarteter Weise (außer für das Publikum, versteht sich) entwickelt auch er Gefühle für Emma, die ihm einen gehörigen Strich durch seine professionelle Rechnung machen.
Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: The Saint ist kein Actionfilm (auch wenn der Trailer das suggeriert), sondern eine Love-Story. Ab und zu wird ein wenig gerannt, in die Luft geballert und von Dach zu Dach gehüpft, doch die meiste Zeit widmet sich der Film der Romanze zwischen Templar und Dr. Russell.
Die ersten zwanzig Minuten des Films sind äußerst vielversprechend. Der Teaser, in dem gezeigt wird, wie Simon Templar als Kind in einem Waisenhaus
zu seinem Namen und seinem Beruf kommt, ist witzig, flott und voller grandioser Bilder. Und auch die Eröffnungssequenz, die Templar bei einem seiner spektakulären Einbrüche begleitet, weiß noch voll zu überzeugen. Die agile und stilvolle Kamerarbeit von Phil Meheux, der flüssige Schnitt (Terry Rawlings) und die Musik von Graeme Revell finden hier zusammen zu einem atemlosen Rhythmus, der keine Sekunde Langeweile aufkommen läßt.
Doch leider ändert sich das recht schnell. Sobald der
Film beginnt, mit solch Faktoren wie Plot und Charakteren zu operieren, verläßt ihn spürbar sein anfängliches Geschick, und er gerät ins Stolpern. Das Gefühl, das sich mehr und mehr ausbreitet, ist das der Redundanz. The Saint scheint sich bald nur noch im Kreis zu drehen und zum vierten- und fünftenmal zu wiederholen, was bereits beim dritten Mal anfing, auf die Nerven zu gehen. Irgendwann hat es halt auch die hinterste Reihe kapiert, daß Simon Templar auf der
Suche nach seiner Identität ist, daß er Angst vor der Liebe hat, und daß die »Wärme«, von der im Zusammenhang mit der Kalten Fusion ständig die Rede ist, die zentrale Metapher des Films darstellt.
Was The Saint trotz allem funktionieren läßt, sind zweifelsohne seine beiden Hauptdarsteller. Daß Val Kilmer ein begnadeter Komödiant ist, hat er ja schon mit seiner Brando-Parodie in The Island of Dr. Moreau bewiesen. Diesmal darf er seinem Affen ungehemmt Zucker geben, und der enorme Spaß, den er offensichtlich dabei hatte, in zahlreiche Verkleidungen zu
schlüpfen und die unterschiedlichsten Dialekte und Akzente zu imitieren, überträgt sich spürbar auch auf das Publikum.
Die Filmemacher waren jedoch anscheinend recht besorgt, daß eine brillante Wissenschaftlerin als Partnerin für den Helden zu erwachsen und intelligent wirken könnte, weshalb Elisabeth Shue meist agieren muß, als sei sie soeben einer »Hanni und Nanni«-Verfilmung entsprungen. Aber selbst das tut sie mit Verve und Charme, und die Chemie zwischen ihr und Kilmer
funktioniert mindestens so gut wie die Kalte Fusion im Film. Und wenn ihr Gesicht, vom Licht liebkost, die Leinwand füllt (was es glücklicherweise sehr oft tut), vergißt man(n) ohnehin, daß es an The Saint etwas auszusetzen geben könnte. (Seid beruhigt, oh weibliche artechock-Leser – Val Kilmer scheint auf die Zuschauerinnen ähnliche Wirkung auszuüben, so daß also jede/r auf ihre/seine Kosten kommt.)
Leider verspielt der Film im Laufe seiner zunehmend zähen zwei Stunden fast alle Trümpfe, die er zu Beginn hatte. All die interessanten Ansätze führt er zu platten, konventionellen Lösungen. Daß die Liebesgeschichte zwischen Templar und Dr. Russell als kalkulierte, zynische Verführung aus niederen Motiven begann, ist am Ende schlicht vergessen. Und gegen die bedrohliche Instabilität der Identität seines Helden hat The Saint ein simples Rezept: am Schluß
bekommt er das Saint-Logo als Anstecknadel verpaßt; dazu gibts auf dem Soundtrack die Techno-Version des alten Saint-Themas, und alles ist bereit für die Fortsetzung.
Und das ist vielleicht das Enttäuschendste an dem Film: er ist überdeutlich als erster in einer Reihe von Saint-Filmen gedacht – und erweckt dabei das ungute Gefühl, die Macher wären in Gedanken schon so sehr beim Sequel gewesen, daß sie
darüber vergessen haben, ein Werk abzuliefern, das dafür zunächst einmal echten Bedarf weckt.