I/D/Chile/USA 2024 · 124 min. · FSK: ab 6 Regie: Pablo Larraín Drehbuch: Steven Knight Kamera: Edward Lachman Darsteller: Angelina Jolie, Pierfrancesco Favino, Alba Rohrwacher, Vincent Macaigne, Kodi Smit-McPhee u.a. |
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Opulenz, in vielerlei Hinsicht | ||
(Foto: STUDIOCANAL GmbH / Pablo Larraín) |
Pablo Larraín hat sich in die großen Frauen der jüngeren Weltgeschichte verliebt. In regelmäßigen Abständen verfilmt er seit 2016 das Leben einer zum Symbol gewordenen historischen Gestalt, immer mit einem anders gelagerten Film dazwischen als Ausgleich. Stets besetzt er sie mit amerikanischen Schauspielerinnen (ungeachtet der tatsächlichen Nationalität des Vorbilds), stets geht es um die Abhängigkeit von den (Ehe-)Männern, um die eigene Melancholie, die das Leben im
Rampenlicht, in der Öffentlichkeit, im Ruhm und Glamour mit sich bringt.
Jackie Kennedy (gespielt von Natalie Portman) machte den Anfang, darauf folgte Lady Diana (Kristen Stewart) und nun eben Maria Callas – dargestellt von Angelina Jolie.
Das ist dann auch direkt die Gretchenfrage: Kann Jolie dieser Lichtgestalt der Oper, der klassischen Musik, gerecht werden? Es ist eine ungewöhnliche Wahl: Jolie in einem Arthouse-Film, das klingt zunächst einmal ungewohnt. Doch es passt ins Konzept. Was alle drei Filme vereint, ist das Interesse am Starkult; was dazu führt, dass gewisse Menschen larger than life erscheinen, zu Idolen und Koryphäen werden. Zwar wird dies stets anders verhandelt (in Spencer etwa viel introspektiver; die Wirkung des Umstands ist hier zentral), steht aber doch immer im Zentrum dieser inoffiziellen Trilogie. Wer sonst also sollte diese Rollen spielen als amerikanische Hollywood-Schauspielerinnen, jene Künstlerinnen, die bereits des Berufs wegen ein Star sein müssen?
Bei Maria ist dieses Sujet nun besonders eindrücklich vorhanden, erzählt werden die letzten Tage der erkrankten Callas, sie hat aufgehört zu singen, die ehemaligen Großtaten sind passé, die Liebe gescheitert. Berühmt und berüchtigt ist sie natürlich dennoch, und so verbringt sie ihre Tage allein in Paris, Beistand leisten ihr lediglich ihr Butler (Pierfrancesco Favino) und ihr Hausmädchen (Alba Rohrwacher). Tablettensucht und Launen bestimmen ihren
Alltag, Maria ist eine verlebte Frau, eine, die nur immer weiter von ihrer Vergangenheit zehren kann, die ihren Höhepunkt überschritten hat, selbst weiß, dass sie dazu nicht zurückkehren kann.
Das mag zunächst zynisch klingen – die traurige Prinzessin, eingesperrt in ihrem Schloss aus Gold – doch Larraín legt seine Figur fundamentaler an. Was, wenn das Singen, die Oper, das einzige im Leben ist, der Ruhm lediglich die Bestätigung?
Man hat schon Mitleid mit Jolies Figur, doch immer wieder macht sich in ihr eine Kälte breit, die jegliche Sympathie verfliegen lässt. Ganz wirkt es so, als wolle sie kein (emphatischer) Mensch mehr sein, als wäre diese Stufe unwiederbringlich verlassen worden. Ihren Butler schikaniert sie herum, lässt ihn zig Mal den heimischen Flügel umstellen, ins Café geht sie lediglich, um bewundert zu werden. Das Essen wird dabei zur Nebensache, wenn nicht gar gleich vergessen.
Natürlich
sind diese Mätzchen – so konsequent Maria auch an ihnen festhält – nur Selbstbetrug. Ihre Stimme bringen sie ihr nicht zurück, die Vergangenheit sowieso nicht. So bleibt es ein stetes Erinnern an das Selbst, das einmal war, der idealisierte Zustand des Vergangenen.
Dazu kommen die Tabletten und der Liebeskummer. In diesen Motiven wird der Film offener, passt seine Struktur den Themen an. Callas ist süchtig nach dem Medikament »Mandrax«, Larraín führt einen (imaginären) Interviewer mit demselben Namen ein (Kodi Smit-McPhee). Mit ihm flaniert Maria durch Paris, lässt die alte Zeit ein letztes Mal aufleben. Ein wenig billig ist diese Metapher schon, wenngleich nicht wirkungslos: Der Drogenrausch als absolute Selbstbestätigung, als Interview mit sich selbst, als Zelebration der eigenen Gedanken und Erinnerungen. Schluckt man diese Prämisse, ergeben sich in diesen Teilen die vielleicht schönsten Momente. Smit-McPhee ist wie gemacht für Larraíns Bildsprache, sein schüchternes, leicht verstohlenes, androgynes Auftreten bildet eine große Leidenschaft und Erotik ab, die nie aus sich heraustritt, nie Fahrt aufnimmt, sondern im Stil verharrt. Diesem Schauspieler ist noch eine große Karriere angedacht!
Der Liebeskummer schließlich ergibt sich aus den Rückbesinnungen auf die gemeinsame Zeit mit Aristotle Socrates Onassis, dem Mann mit dem ehrwürdigsten Namen aller Zeiten. Gespielt wird er von Haluk Bilginer. Auch ihm nähert sich der Film formal, und zwar wieder recht offensichtlich – und wieder effektiv: Schwarzweiß-Bilder formen die Vergangenheit.
Es wird deutlich: Maria ist ein schwermütiger Film, der dieses Gefühl ausstellt, zelebriert und
gelegentlich überspannt. Es ist kein intimes Porträt (erneut: wie es noch Spencer war), sondern ausschweifend. Kein stiller Film, sondern stets an der großen Geste interessiert. Ein Totentanz, der seine Melancholie ausstellt, so divenhaft und extravagant auftritt wie seine Protagonistin. Dass er dabei zu keinem hohlen Spektakel verkommt, ist den allesamt grandiosen Schauspieler*innen
zu verdanken. Jolie ist wirklich hervorragend, spielt ihre berechnende, innerlich gebrochene Rolle sehr zurückgenommen und respektvoll, die Nebenrollen sind allesamt perfekt besetzt, überragen sie beinahe.
Und doch bleibt ein unbefriedigendes Gefühl. Die Ausschweifungen mögen stimmungsvoll sein, doch sie laufen auf keinen Punkt zu, wirken an vielen Stellen wahllos in ihrer Länge und Anordnung. Keine straffe Dramaturgie, vielmehr ein Verloren-gehen in schönen Bildern, die für
einen meditativen Zugang dann aber doch zu abwechslungsreich, zu verschieden sind.
Zudem die Musik: Eine riesige Varianz an Klassik-Stücken wird aufgefahren, selten gibt es Szenen ohne ihre Begleitung. Das erzeugt beeindruckende Bilder, doch böse gesagt: Das Parsifal-Vorspiel wertet jede Montage auf, sichert sie gewissermaßen ab. In einem Q&A auf der letztjährigen Viennale sprach Mariano Llinás davon, ein Film, der sich die Klassik aneignet, müsse sich diese verdienen. Die Musik darf nicht das Bild bestimmen, sie muss es unterstützen, begleiten, zelebrieren. Diese Momente sind selten in Maria, und so wähnt man sich oft in einer etwas zu einfachen Beziehung zu diesem Film, der stilvoll voranschreitet, doch dann und wann doch etwas sehr betulich wird.
So ist er für Larraín-Fans eine kleine Enttäuschung, nicht konzentriert und einheitlich genug, zu flamboyant, um ins Schwärmen zu geraten. Als biografische Nacherzählung der letzten Tage der Callas hingegen gibt es wenig zu beanstanden, mit Respekt und Stil nähert sich der Film dieser Größe, gewissermaßen ist dieses geringe Risiko aber auch ein Erliegen vor ihr.
So bleibt zumindest das Divenhafte gewahrt, die Präsenz dieser Lichtgestalt in der klassischen Musik. Im
Abspann dann – wenn das Leben verlebt, die Stimme versagt – spielt Brian Eno.
Mit der Callas stirbt die alte Klassik; neue Stimmen bitte übernehmen sie!
So zumindest in Pablo Larraíns Huldigung.